Justiz der unbegrenzten Möglichkeiten

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Über zwei aktuelle Urteile aus den USA


1, 92 Millionen Dollar Strafe soll Jammie Thomas-Rasset zahlen. Die alleinerziehende Mutter mit geringen Einkommen war im US-Bundesstaat Minneapolis zu dieser horrenden Summe verurteilt worden, weil sie 24 Songs über die Internetbörse Kazaa heruntergeladenhatte.


An der 32jährigen wurde auch deshalb ein Exempel statuiert, weil sie nicht zu einer außergerichtlichenEinigung bereit war, wie viele andere, die Musik heruntergeladen hatten. Die Betroffenen hatten sichschuldig erklärt und dafür eine empfindliche, aber nicht so horrende, Strafe geahlt. Dafür sind sie dann nicht vorbestraft.

Das Urteil gegen Thomas-Rasset zeigt einmal mehr, was die bürgerliche Gesellschaft alles aufbietet, um die heiligeEigentumsordnung zu verteidigen. Es ist nur zu hoffen, dass die Frau recht mit ihrer Einschätzung hat, dass ihr wegen ihres geringen Einkommens nichts passieren kann. Schließlich sind es gerade die Armen in den USA, dieals billigeArbeitskräfte in der wachsenden Gefängnisindustrie der USA zwangsverpflichtet werden.


Keine Rechte für Häftlinge


Dass dieses Millionenheer tatsächlich Menschen zweiter Klasse ist, machte erst kürzlich eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Washington deutlich. Es hat entschieden, dass rechtskräftig Verurteilte keinen verfassungsrechtlichen Anspruch darauf haben, dass ihre Unschuld mit Hilfe von DNA-Analysen bewiesen wird. Das Gerichtist zu dem Schlussgekommen, dass eine DNA-Analyse „unvergleichliche Möglichkeiten“ bietet, „die Unschuldigen zu entlasten und die Schuldigen zu identifizieren“. Aber es sei Sache desGesetzgebers zu entscheiden, wer das Recht haben solle, nach rechtskräftiger Verurteilung den Unschuldsbeweis mittels DNA-Tests zu führen.

Diesen ungeheuerlichen Satzmuss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Er ist nichts anderes als eine Festschreibung von Justizwillkür. Denn er besagt ganz eindeutig, dass es gar nicht wichtig ist, ob jemand eine ihm zu Last gelegte Tatgetan hat oder nicht. Es ist nur wichtig, dass zur Beruhigung der Öffentlichkeit und zur Fütterung des gefängnisindustriellen Komplexes immer genügend arme Schlucker verurteilt werden. Sie haben oft auch nicht genügend Geld, um sich Anwälte zu leisten, die den Verurteilungswillen der Anklagebehörde entgegentreten können.

Selbst wer nicht der Überzeugung war, dass die USA das Leuchtfeuer der Freiheit ist, muss über die zynische Begründung erschrocken sein. Denn hier wird ganz offiziell festgeschrieben, „wer schuldig ist bestimmen wir“. Der Angeklagteund Verurteilte hat nicht mal das Recht, sich auf den aktuellen Stand der Technik und Forschungzu verteidigen.Damit erspart sich die Justiz auch noch die Peinlichkeit, ihre Fehlurteile eingestehen und womöglich noch Entschädigung zahlen zu müssen. Vor einigen Jahren wurde in mehreren US-Bundesstaaten die Todsstrafe ausgesetzt, weil nachweißlich Unschuldige hingerichtet worden waren.Das jüngste Urteil ist eine Antwort der ideologischen Staatsapparate darauf.Es geht ihnen nicht darum, die Verurteilung der Unschuldigenzu stoppen. Die Aufklärung darüber sollverhindert werden. Wer stoppt diese furchtbaren Juristen?Oder sind sie nur Verkörperung eines Kapitalismus, der längst nur noch Barbarei zu bieten hat?


Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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