Kohleausstieg mit oder gegen Beschäftigte?

Ende-Gelände Vom 24. bis zum 29. August veranstaltet "Ende-Gelände" Aktionen für den Ausstieg aus der Braunkohle-Wirtschaft. Werden Beschäftigte einbezogen?

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Der Braunkohle-Abbau ist umstritten
Der Braunkohle-Abbau ist umstritten

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Es dürfte interessant sein, ob es gelingt, zumindest mit einigen der dort Beschäftigten und vielleicht auch einigen Gewerkschafter_innen in den Dialog zu treten. Schließlich haben sich bereits am 1. Mai 2016 kohlekritische GewerkschafterInnen mit einem Flugblatt zu Wort gemeldet, in dem sie die Pro-Kohle-Positionierung des DGB-Berlin-Brandenburgs heftig kritisieren.

„Wollt Ihr wirklich die Vernichtung der Lausitzer Dörfer wie Proschim, Kerkwitz, Atterwasch, Grabko, Rohne, Mühlrose, Mulknitz, Schleife, Trebendorf etc. für Braunkohle?", beginnt das Flugblatt. "Wir können es nicht glauben. Aber genau das fordert der DGB Bezirk Berlin Brandenburg in seinen 'Anforderungen an die künftige Landespolitik in Berlin'“. Unterzeichner sind „Klimaaktive Gewerkschaftsmitglieder nicht nur aus der Lausitz“. Es gibt also durchaus gewerkschaftliche Ansprechpartner_innen, für eine Klimabewegung, die das Ziel haben muss, einen Ausstieg aus der Kohle nicht einfach gegen die Beschäftigten durchsetzen zu wollen. Doch genau darüber wird im Klimabündnis gestritten.

Ist Kontakt mit Arbeiter_innen überhaupt gewollt?

„Ende Gelände sollte auf den Applaus der nationalen Gewerkschaften und anderer Vertreter_Innen des (fossilen) Kapitalismus freimütig verzichten“, schreibt der Sozialwissenschaftler Thalestris A. Zetkin, der bei "Ende Gelände" und in der Interventionistischen Linken (IL) aktiv ist. Mit seinen in der Monatszeitung analyse und kritik veröffentlichte Beitrag wendet er sich gegen Positionen in Teilen der, aber auch bei der Linkspartei und der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Ihnen wirft er vor, den Kohlekumpel zur Hilfe zu eilen, weil sie einen sozial abgefederten auf einen längeren Zeitraum sich hinziehenden Ausstieg aus der Kohlebewirtschaftung das Wort reden.

Der Streit um die Kohle hat nun auch Die Linke erreicht. In einem internen Papier haben sich Linke aus Brandenburg dagegen ausgesprochen, die bisher vereinbarten Klimaziele einzuhalten. Brandenburg wollte eigentlich bis 2030 rund drei Viertel weniger Emissionen ausstoßen als im Jahr 1990. Darauf müsse man verzichten, heißt es in einem Vermerk, den Experten der Linken und Fraktionschef Ralf Christoffers gezeichnet haben. Das ist auch deswegen bemerkenswert, weil der Vermerk vom 21. Juli stammt – einem Zeitpunkt als, zu dem andere Linke noch um das Klimaziel kämpfen wollten. Dass ihre Partei den Trump macht, irritiert die ehemalige Umweltministerin Anita Tack (Linke). „Eine Reduktion der Klimaziele kann nicht unsere Position sein“, sagt sie der Märkischen Allgemeinen. „Wir müssen im Energiebereich, bei der Wärmedämmung, beim Verkehr ansetzen, um die Ziele doch noch zu erreichen.“

Allerdings vollzieht die Linke in Brandenburg nur einen Schritt nach, den die SPD längst gegangen ist. Brandenburg hat gerade mit drei weiteren Braunkohleländern einen Brief an die Bundesregierung verfasst, in dem vom Bund gefordert wird, gegen strengere Emissionsregeln der EU zu klagen. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich weigert sich, die neuen Grenzwerte für Quecksilber und Stickoxid, zu akteptieren. Die Quecksilber-Grenzwerte seien fachlich unkorrekt hergeleitet und der Stickoxid-Grenzwert für bestehende Kraftwerke unverhältnismäßig, schrieb Tillich an Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD), und die Ministerpräsidenten aus Brandenburg, Sachsen-Anhalt und NRW unterstützten ihn dabei.

Nun ist es die eine Sache, sich ganz klar gegen eine Gewerkschaftsführung und auch Teile der Belegschaften zu positionieren, die im Kampf für den Erhalt der Kohleindustrie gemeinsam mit den Bossen demonstrierten. Eine andere Sache ist es aber, mit dem Teil der Beschäftigten, die sich fragen, welche Alternativen sie eigentlich haben, wenn der Kohleausstieg kommen soll, in eine Debatte zu treten. Dann könnte auch wieder auf Modelle der Konversion zurückgegriffen werden, die in den 1970er und frühen 1980er Jahren schon in der Diskussion waren. Damals ging es konkret darum, dass Beschäftigte aus der Rüstungsindustrie sich Gedanken machen, wie sie mit ihren Wissen und den Maschinen Produkte für das Leben statt für die Rüstung herstellen könnten. So könnte aktuell auch in der Kohle- und der Autoindustrie mit Beschäftigten Konzepte für eine andere Produktion gemacht werden. Damit würde bei den KollegInnen auch wieder eine Vorstellung entstehen, dass sie und nicht die Bosse über die Produktion entscheiden. Für eine Klimabewegung, die größtenteils aus dem akademischen Milieu kommt und wenig Ahnung über die konkreten Produktionsabläufe in der Kohleproduktion hat, wäre ein Kontakt zu Kohlekumpel und kritischen GewerkschafterInnen zudem ein Gewinn.

„Denn wenn die 20.000 deutschen Kumpel_innen ihre Arbeit auch nur für weitere zehn Jahre behalten dürfen, söffen wesentlich mehr als 20.000 Menschen im globalen Süden ab, für die eine Anmeldung beim Arbeitsamt Cottbus und Köln ein unerreichbarer Luxus wäre.“

Doch Thalestris A. Zetkin lehnt es explizit ab, sich mit den konkreten Problemen der Kohleabwicklung zu beschäftigen und verweist auf ein höheres Ziel, die Klimarettung. „Denn wenn die 20.000 deutschen Kumpel_innen ihre Arbeit auch nur für weitere zehn Jahre behalten dürfen, söffen wesentlich mehr als 20.000 Menschen im globalen Süden ab, für die eine Anmeldung beim Arbeitsamt Cottbus und Köln ein unerreichbarer Luxus wäre“, schreibt Zetkin.

Hier ersetzt Zetkin Analyse durch fragwürdiges Moralisieren. Wenn es die Klimaaktivist_innen mit einer Verbindung von Ökologie und sozialer Frage Ernst meinen, müssen sie sich sehr wohl Gedanken machen. Es geht darum, welche Folgen ein Ausstieg aus der Kohle für die Kumpel in der Lausitz und Anderswo hat; und darum, wie gemeinsam Alternativen erarbeitet werden können. Und sie sollten Begriffe wie Klima- oder gar Weltrettung dort lassen, wo sie hingehören, in die religiöse Sphäre. Linke Kritik und Praxis sollte ein schönes Leben für Alle zum Ziel haben. Die ist nicht von ein Grad mehr oder weniger abhängig, sondern von der Frage, ob unsere Gesellschaft nach dem kapitalistischen Profitprinzip funktioniert, ob wir mit den Kapitalismus brechen und den Schritt zu einer rätebasierten Gesellschaft gehen. Darüber sollte auch auf dem Klimacamp diskutiert werden. Begriffe wie Klima- oder Weltrettung sollten wir dabei als Propagandafloskeln eines Kapitalismus dechiffrieren, der neue Verwertungsquellen nun im ökologischen Bereich sucht. Wie der Beitrag Thalestris A. Zetkin zeigt, eignen sich auch Linke solche Begriffe kritiklos an. Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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