Kommunist_innen gegen NS und Stalinismus

Marcel Bois Der Historiker gibt einen Überblick über dissidente Strömungen in der KPD der Weimarer Republik. Es geht nicht um eine Heldengeschiche aber eine kritische Würdigung.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

In den letzten Jahren haben junge Historikerinnen und Historiker begonnen, sich mit den dissidenten Strömungen der kommunistischen Geschichte zu beschäftigen. Nach der Öffnung der Archive in den nominalsozialistischen Ländern wurden erst viele neue Quellen zugänglich. So konnte es gelingen, eine die vergessenen Spuren einer dissidenten Geschichte des Kommunismus wieder aufzunehmen. Der Historiker Marcel Bois hat jetzt im Klartext-Verlag auf knapp 600 Seiten eine umfassende Darstellung der relevanten Strömungen der Kommunistischen Opposition in der Weimarer Republik vorgelegt. Um eine erste Gesamtdarstellung der kommunistischen Opposition, wie es auf der Rückseite des Buches angekündigt,, handelt es sich allerdings nicht. Schließlich wird auf die räte- und linkskommunistischen Strömungen, die bereits nach um 1919 oder nach der Niederschlagung des Aufstands von Kronstadt mit der Politik der Komintern gebrochen haben, ebenso wenig eingegangen wie auf die bordigistische Strömung, die Mitte der 20er Jahre in Opposition zur Politik der sowjetischen Machthaber geriet. Diese Feststellung ist wichtig, weil so verhindert wird, dass vorschnell neue Schließungen in der Forschung der dissidenten kommunistischen Strömungen erfolgen und kleinere, weniger bekannte Gruppen unerwähnt bleiben. Bois ist allerdings kein Vorwurf zu machen, dass er nicht sämtliche Facetten der kommunistischen Dissidenz berücksichtigt.
Was eint die Linkskommunist_innen
Werden doch bei seiner Arbeit die großen Schwierigkeiten deutlich, das Phänomen des Linkskommunismus begrifflich zu fassen zu bekommen. Bois zeigt gut auf, dass das Gemeinsame dieser Strömung gar nicht so einfach zu benennen ist. Selbst die Ablehnung der Stalinisierung kann als kleinster gemeinsamer Nenner erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre geltend gemacht werden. Zuvor haben einige der späteren linkskommunistischen Akteure wie Werner Scholem in Stalin einen Bündnispartner und in Trotzki einen Exponent der Rechten in der kommunistischen Bewegung gesehen.
Zudem erschwerte ein gemeinsames Vorgehen der Opposition, dass einige führende Linkskommunisten wie Scholem oder Ruth Fischer, die Vorzüge einer innerparteilichen Demokratie erst entdeckten, als sie in Opposition zur Parteitagsmehrheit gerieten. Als Exponenten der Parteiführung haben sie noch selber ausgiebig Gebrauch von administrativen Maßnahmen gegen vermeintliche Oppositionelle gemacht.
Bis zum Ende der Weimarer Republik spielten diese Widersprüche in der linken Opposition eine wichtige Rolle und erschwerten eine Kooperation. So wollten einige Oppositionelle auf keinen Fall in eine Nähe mit Trotzki gebracht werden. Andere verweigerten Unterschriften unter Aufrufe unter denen Ruth Fischer oder Werner Scholem standen. Das sind nur einige von vielen von Bois detailliert beschriebenen Widersprüchen, die ein gemeinsames Auftreten der kommunistischen Opposition erschwerten.
War die KPD-Oppossition
Diese internen Probleme wurden von der KPD-Führung natürlich weidlich ausgenutzt. So wurden oppositionelle Kommunisten mit wenig innerparteilichen Rückhalt, wie die Gruppe um den besonders sektiererisch Auftretenden Iwan Katz schnell ausgeschlossen. Seine vor allem in Hannover relevanten Anhänger machten es ihren Kontrahenten auch sehr einfach, weil sie die Redaktion Parteizeitung in Hannover besetzten und militant gegen Angehörige der anderen Strömung vorgingen. „Rabbatz ist in der Tat eine treffende Umschreibung für den Umgang, den Katz und seine Anhänger mit politischen Kontrahenten pflegten“, schreibt Bois (S. 182). Diese sektiererische Linie setzte Katz auch in der Opposition fort, so dass der von ihm mitbegründete Spartakusbund Nr. 2 bald in der Versenkung verschwandt. Wesentlich bekannter war die Gruppe Entschiedene Linke, die wesentlich von Karl Korsch mitbegründet wurde. Seine im Exil verfassten Texte zur marxistischen Philosophie beeinflussten die Neue Linke in den 60er Jahren . Seit Wirken als marxistischer Politiker in nach seinen Ausschluss außerhalb der KPD wird von Bois nachgezeichnet. Echte Pionierarbeit leistete Bois bei der Forschungsarbeit über die Weddinger Opposition, eine vor allem aus dem Arbeiterradikalismus gespeisten linken Parteiflügel, der über den Berliner Stadtteil hinaus landesweit aktiv wurde. Ihr gelang es noch bis Anfang der 30er Jahre in der KPD aktiv zu bleiben. Die Parteiführung ging mit der gut verankerten Strömung vorsichtiger als mit marginalen Oppositionsgruppen um. Bois zeigt allerdings auch, dass vor allem in den frühen 30er Jahren manche oppositionellen Kommunisten wieder die Nähe zur KPD suchten. Die Gefahr des Nationalsozialimus ließen für mache die Differenzen in den Hintergrund treten.
Doch gerade Trotzki erregte zu dieser Zeit auch über das kommunistische Milieu hinaus Beachtung, weil er für eine Aktionseinheit von SPD und KPD eintrat und den NS viel gründlicher als die KPD-Führung analysierte. Anders als diese sah er in den verschiedenen Faschismen kein Werkzeug des Großkapitals sondern eine eigenständige Bewegung des abstiegsbedrohten Mittelstands, die von Teilen der Eliten und der Wirtschaft allerdings für ihre Zwecke benutzt wurde. Auch mit seinen frühen Warnungen vor den Gefahren der Nazis für die Arbeiterbewegung und alle demokratischen Bewegungen sollte Trotzki wesentlich realitiätsnäher sein, als die KPD-Führung mit ihren Zweckoptimismus, die ein Hitlerregime für eine kurze Zwischenstation auf dem Weg zur Revolution erklärte. Unabhängig voneinander kamen auch die als Rechtsabweichler aus der KPD ausgeschlossenen Kommunisten Heinrich Brandler und August Thalheimer zu einer ähnlich realistischen Einschätzung des NS wie Trotzki. Alte Feindschaften aus den 20er Jahren verhinderten allerdings eine Kooperation dieser unterschiedlichen kommunistischen Dissidenten. Auch hier zeigte sich wieder die Unfähigkeit selbst der schlaueren Köpfe der kommunistischen Opposition, sich auf der Basis eines Minimalkonsenses zu kooperieren.
Umso wichtiger waren die wenigen Menschen, die sich nicht an kleinlichen innerorganisatorischen Streitereien beteiligten, wie die Publizisten Alexandra Ramm und Franz Pfemfert. Wie Bois nachweist, haben sie einen großen Anteil an der Veröffentlichung dissidenter Kommunisten und sorgten auch dafür, dass der exilierte Trotzki in Deutschland seine Positionen bekannt machen konnte.
Der große Vorzug von Bois Arbeit besteht darin, dass er keine Heldengeschichte der linken Opposition schreibt, sondern detailliert zeigt, dass sie oft nicht weniger autoritär auf abweichende Meinungen reagierte wie die stalinistische Mehrheitsströmung. Daher bleibt Bois bei der Frage vorsichtig, ob die dissidenten Kommunisten, hätten sie sich durchgesetzt, eine Alternative gewesen wären. „Möglicherweise wäre tatsächlich ein unabhängiger deutscher Kommunismus entstanden, der nicht jeden Schwenk aus Moskau mitgemacht hätte. Doch denkbar ist , dass … die Entdemokratisierung der Partei fortgesetzt worden wäre“ (S.529). fragt Bois. Kritisch anzumerken bleibt, dass Linkskommunisten wie Scholem einen Kommunismus ohne nationale Vorzeichen anstrebten, deshalb gegen den Sozialismus in einem Land auftraten. Ein spezifisch deutscher Kommunismus hätte ihm ferngelegen. Bois hat mit seinen Buch eine wichtige Arbeit geleistet geleistet, in dem er einen großen Teil der kommunistischen Opposition bekannt machte, ihre politischen Thesen vorstellte und auch ihre Schwächen und Fehler nicht verschweigt.
Peter Nowak

Marcel Bois: Kommunisten gegen Hitler und Stalin. Die linke Opposition der KPD in der Weimarer Republik. Essen 2014. 613 Seiten, ISBN 978 3-8375-1282-3,

http://www.klartext-verlag.de/bookdetail.aspx?x=1&ISBN=978-3-8375-1282-3

Am 7.1. stellt Marcel Bois das Buch am Roten Abend der Internationalen Kommunist_innen in Berlin vor und zur Diskussion:

Aus dem Einladungstext:

Am Roten Abend wird Marcel Bois diese Ergebnisse vorstellen. Für uns sind sie nicht nur von historischem Wert. Am zweiten Januarwochenende gedenken traditionell Tausende den ermordeten Kommunist_innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Wir haben uns in den vergangenen Jahren auch an der Diskussion beteiligt, welches Gedenken heute für eine emanzipatorische Linke angemessen ist. Wir wollen darüber hinaus gemeinsam am Roten Abend auch die Schwächen und Fehl­einschätzungen der sehr heterogenen kommunistischen Opposition diskutieren und uns fragen, welche Teile ihrer Vorstellungen für einen Kommunismus auf der Höhe der Zeit heute noch brauchbar sind.

https://interkomm.so36.net/archiv/roterabend.php

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden