Bei Stadtteilinitiativen in den USA ist Artwashing ein wichtiger Begriff im Kampf gegen die Aufwertung von Stadtteilen. Er besagt, dass die Existenz von Galerien und Kulturräumen in einem Stadtteil zur Aufwertung und damit zur Verdrängung von einkommensschwachen Bewohner*innen führt. In einigen Städten der USA wird nun heftig darüber gestritten, ob es eine sinnvolle Aktion ist, wenn Galeriebesitzer*innen und Künstler*innen aufgefordert werden, die Stadtteile zu verlassen. Betroffen davon waren auch sozialkritische Künstler*innen, die diese Briefe öffentlich gemacht haben.
Am vergangenen Samstag lud die Sektion Medien der Basisgewerkschaft FAU zu einer Diskussion über die Frage, wie Kulturarbeiter*innen sich gegen die Gentrifizierung wehren können. Dabei lehnte Clemens Melzer von der FAU eine generelle Zurückweisung von Künstler*innen und Galerist*innen ab. Statt allgemein zu fordern, sie sollten aus Stadtteilen verschwinden, gehe es darum, mit ihnen zusammen gegen die Gentrifizierung und für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Dafür nannte er einige Beispiele. So gab es in Nordneukölln die Initiative AntiGen, die unter dem Motto „Dear Students, Artists, Travelers“ zur Kooperation dieser Gruppen mit den Stadtteilbewohner*innen aufgerufen und sich gegen Vertreibung und hohe Mieten wehren. Das hat funktioniert, weil ein großer Teil auch der Künstler*innen in Berlin in prekären Arbeitsverhältnissen lebt und nicht zu dem wohlhabenden Teil der Bevölkerung gehört.
Auch ein anderes konkretes Beispiel wurde auf der Veranstaltung benannt. Ein Beschäftigter des Kulturstandorts Kühlhaus am Gleisdreck berichtete, wie dort ein Privatunternehmer eine Immobilie zur Kulturinstitution umwandelte, weil sie ihm lukrative Abschreibungsmöglichkeiten, Subventionen und ein gutes Images einbrachte. Die vielen Beschäftigten, die die Modeschauen, Ausstellungen, Konzerte und Festivals mit ihrer Arbeit ermöglichen, wurden mit geringen Löhnen abgespeist. Die Betroffenen organisierten sich, veranstalteten Demonstrationen und Kundgebungen und erstritten schließlich juristisch einen Teil des ihnen vorenthaltenen Lohnes. In dieser Auseinandersetzung hätten sie sich auch an Protesten gegen die Gentrifizierung beteiligt und Gedanken über ihre eigene Rolle bei der Aufwertung der Stadtteile gemacht. Dabei bezeichneten sie sich als Kulturarbeiter*innen, um das Bild vom Künstlergenie jenseits von Lohn und materiellen Interessen zu konterkarieren.
Kultur für eine globale Elite
Der Kulturtheoretiker Guillaume Paoli widmete sich in seinen Input dem Teil der Berliner Kultur, der sich ganz bewusst in den Dienst der Aufwertung und Gentrifizierung stellt und sprach von gentrifizierter Kultur. Als aktuelles Beispiel benannte er die Neuausrichtung der Berliner Volksbühne unter Chris Dercon. Zielgruppe sei nicht mehr eine Stadtteilbevölkerung, sondern eine globale Wirtschafts- und Kulturelite, die in Berlin, Barcelona oder Kopenhagen eine kurze Visite macht. Diese habe kein Interesse an der spezifischen Kultur einer Stadt, deshalb gleichen sich diese Kulturinstitutionen immer mehr an. Die globale Sprache dort ist dann Englisch, manchmal gibt es noch Untertitel in der Sprache des jeweiligen Landes. Gegen diese gentrifizierte Kultur richtete sich auch die Besetzung der Volksbühne. Auf der Veranstaltung betonte Sarah Waterfeld von dieser Initiative, dass die Aktionen auch nach der Räumung weitergehen. Hier können sich Interessierte über künftige Aktivitäten informieren (https://de-de.facebook.com/StaubzuGlitzer/)
Die Veranstaltung zeigte, dass Differenzierung auch im Umgang mit der Kultur notwendig ist. Die Elitenkultur à la Dercon und Hamburger Elbphilharmonie sollte von gentrifizierungskritischen Initiativen zum Gegenstand von Kritik und Protest gemacht werden. Die vielen Kulturarbeiter*innen in Galerien und Kunsträumen sollten als Verbündete gewonnen werden.
Peter Nowak
Wenn Kampagnen gegen Artwashing zum Ressentiment werden:
https://jungle.world/artikel/2017/48/noch-mehr-schmutzige-waesche
Dokument: Künstler_innen in Nord-Neukölln gegen Gentrifizierung:
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