Kumse, Humse und botse

Talking straight Das Künstlerinnenkollektiv lädt im Berliner Gorkitheater zu einem künstlerischen Parfour Ritt ein und kreiert dazu eine Art postmodernes Esperanto.

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Haben Sie noch Popkorn? Sind Sie okay? Diese Fragen kamen häufig im Garten des Maxim-Gorki-Theaters in Berlin. Einen Steinwurf entfernt von der Humboldtuniversität konnte man einer ganz besonderen Philosophie-Vorlesung beiwohnen. Die unterschiedlichen Form des Wissens war das Thema. Eine ganz in weiß gekleidete Frau dozierte über das rationale, das intuitive und das imaginäre Wissen. Vor allem die letzten beiden Formen spielten in der knanpp150 minütigen Aufführung des Künstlerinnenkollektivs Talking Straight eine zentrale Rolle. Die Gruppe hatte in der Kunstwelt in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt, weil sie in ihrer Theaterarbeit Kollektive simuliert haben. Mal haben sie eine neurechte Erweckunsgemeinde gegründet, mal eine Agentur zu Begrüßung von Migrant_innen. Kennzeichnend für Talking Straight ist eine Kunstsprache, eine Art Anti-Esperanto, die sich im ersten Moment isländisch anhört. Es geht viel um „Humens“, um „Simmsel“ und um „botse“. Wenn das Publikum zum Weitergehen aufgefordert wurde, hieß das „Kumse“ und das hörte man schon oft. Denn das Publikum blieb in den zweieinhalb Stunden immer in Bewegung. Los ging es vor dem Eingang der Studiobühne des Gorki mit einer Performance im öffentlichen Raum. Die 4 Schauspielerinnen schmiegten sich an Wände und Dachrinnen und auch die Straßenbahn gehörte zum Spielobjekt. Schließlich umrundete man das Theater und landete im Hof, wo die Wissensinsel, eine Menge Tupperdosen mit spielentscheidendem Inhalt und eine Menge Popkorn aufgebaut waren. Daran konnte man sich bedienten. Man wurde gerade dazu aufgefordert. Mittlerweile war man in Gruppen aufgeteilt und konnte verteilt im Theater unterschiedliche künstlerische Situationen erleben. Da gab es Soloperformances, aber auch das gemeinsame Auftritte mit unterschiedlicher Qualität. Sehr überzeugend war eine einer Talkshow nachempfundene Performance. Während sich die Frauen in ihrer Neusprache unterhalten, erklingt fast psychedelische Musik und auf die Bühne wurden geometrische Figuren projiziert. Das war hohe Kunst, auch wenn da er rote Faden des Stücks, wen es denn je einen gab, dann kaum noch zu finden war. Das war aber auch kein Problem, weil die einzelnen Kunstinstallationen für sich selber interessant waren .Nur am Ende wurde es dann doch etwas esoterisch, als dann Publikum nicht nur die tanzen sondern auch noch „Ha Ha“ in verschiedenen Tonlagen intonieren sollte. Die Silbe fand sich unter den Utensilien in der Tuperdose, die alle im Gorkigarten bekamen. Ist Ha jetzt das neue Ohm? Und ist das jetzt die neue Welt, die Talking Straight mit ihren Stück schaffen wollten? Das wohl nicht. Aber sie haben zweieinhalb kurzweilige Stunden mit viel Anregungen für alle Sinne konstruiert. Das lohnt doch schon einen Besuch.

Peter Nowak

Infos zur Aufführung im Gorki:

https://gorki.de/de/talking-straight-entertainment

und

https://gorki.de/de/ensemble/talking-straight

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Geschrieben von

Peter Nowak

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