M99 goes Bakkal

Bizim Bakkal Der Kreuzberger Gemüseladen wurde zur Initialzündung für eine Nachbarachaftsbewetgung. Nun muss er schließen, viele wollen bleiben.

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Erinnern Sie sich noch an Emmely, die Berliner Kassiererin und Gewerkschafterin, die wegen der angeblichen Nichtabrechnung eines Pfandbons auf Verdacht gekündigt wurde, sich wehrte und mit einigen Unterstützer_innen eine soziale Bewegung entfachte, an der sogar die Politik nicht vorbei konnte? Von den Emmelys dieser Welt sprach die Soziologin Ingrid Artus. Sie meinte Menschen, die Angst überwinden, die nicht klein beigeben, wenn ihnen Unrecht geschieht sondern an die Öffentlichkeit gehen und damit anderen Mut machen, sich ebenfalls zu wehren. . Auch Ahmet Caliskan ist solch ein Mensch. Der Gemüsehändler aus den Wrangelkiez in Berlin-Kreuzberg informierte er die Nachbarschaft als sein Laden gekündigt wurde. Im Sommer 2015 entwickelte sich ganz spontan die Bizim Bakkal-Bewegung. „Wir sind alle Gemüseladen“ riefen die Nachbar_innen, die mehrere Monate immer Mittwochabend auf die Straße gingen, feierten musizierten, sich austauschten über die Mieten und über mehr, mit anderen Initiativen demonstrieren und auf einmal in den internationalen Medien waren. Selbst die US-Presse berichtet über den Nachbarschaftsaufstand im Wrangelkiez. Die Kündigung wurde schließlich zurückgenommen und auch andere von Verdrängung bedrohte Läden und Mieter_innen profitierten von dem Widerstand. So hat der Bezirk in der Wrangelstraße 66 sein Vorverkaufsrecht wahrgenommen.

Muss der Laden wirklich schließen?

Und nun meldeten Anfang Februar die Medien, dass der Gemüseladen doch demnächst schließen muss, weil Ahmet Caliikan krank ist. In der ersten Erklärung der Initiative Bizim Bakkal heißt es:

Wir sind traurig. Aber wir sind der Familie Çalışkan auch sehr dankbar – besonders dafür, dass sie uns zu dieser Bewegung im solidarischen Miteinander im Kiez zusammengeführt hat“ Doch die zentralen Sätze folgten: „Außerdem fordert Bizim Kiez vom Geschäftsführer der Wrangelstraße 77 GmbH Ioannis Moraitis, dass die Ladenräume des heutigen Bizim Bakkal wieder einem bedarfsgerechten Betrieb zu einer bezahlbaren Miete zur Verfügung gestellt werden. An diesem symbolischen Ort ist kein Platz für das Profitstreben eines Investors“ Am letzten Mittwoch trafen sich dann die solidarischen Nachbar_innen wie vor einigen Monaten wieder vor den Laden mit der Frage.

„Wird der Investor die Räume nun einfach möglichst gewinnbringend vermieten, statt Platz für einen bedarfsorientierten Nahversorger mit Herz für den Kiez zu bieten? Hier wollen wir eingreifen und hörbar machen, was die Nachbarschaft eigentlich braucht.“

Natürlich wird der Investor ein Interesse haben, den Laden möglichst gewinnbringend zu vermieten, nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil das die kapitalistischen Verwertungsinteressen so vorsehen. Bizim Bakkal müsste sich daher die Frage stellen, können wir soviel Druck ausüben, damit dort ein Nachbarschaftsladen entsteht. Der muss ja nicht unbedingt Gemüse verkaufen. Warum nicht den in der Manteuffelstraße 99 räumungsbedrohten Gemichtwarenladen mit Revolutionsbedarf ein neues Domizil geben? Der bietet kein Gemüse an, erfüllt aber sonst alle Kriterien für eine gute Nachfolge für Bakkal. Beim M99 geht es nicht primär um kaufkräftige Kundschaft. Der Laden sorgt auch für eine Vernetzung der Nachbarschaft. Besonders für die einkommensschwachen Teile der Kreuzberger Bevölkerung gibt es vor dem Laden eine Freebox. Ein Paketdienst ist ebenfalls in dem Laden eingerichtet, der auch zum Nachbarschaftstreffpunkt geworden ist. Das sind doch gute Voraussetzungen, um in der Wrangelstraße ein neues Domizil zu bekommen. Der M99-Betreiber Hans Georg Lindenau wird seit Monaten von der Bizim-Bewegung im Kampf gegen die Zwangsräumung unterstützt. „Bizim M99“ ist eine Parole, die in diesen Tagen in Kreuzberg häufig zu lesen ist. Ein Grund mehr, dass der M99 den Platz des Gemüseladens übernehmen kann. Die Frage ist nur, sind dafür genügend Menschen bereit, zu kämpfen. Denn es müsste eine Bewegung wie im Sommer 2015 entstehen, damit es heißt, M99 goes Bakkal.

Peter Nowak

Link zur Initiative Bizim Bakkal:

http://www.bizim-kiez.de/

Bizim M99:

http://www.bizim-kiez.de/blog/2016/01/09/5218/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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