Marxist*innen und Anarchist*innen together

Revolutionäre Annäherung Für eine bessere Kooperation zwischen Marxist*innen und Anarchist*innen plädieren zwei französische Linke. Ihr Buch sorgt auch in Deutschland für Diskussionen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Die Schwarze Front und die Rote Front sind wir“. Dieser Refrain eines Liedes der Band „Ton-Steine-Scherben“ wird noch immer auf linken Demonstrationen angestimmt. Daher dürfte das kürzlich im Verlag „Die Buchmacherei“ erschienene Buch mit dem Titel „Revolutionäre Annäherung – unsere roten und schwarzen Sterne“ zumindest vom Titel k auf Zustimmung stoßen Schließlich verwenden auch anarchosyndikalistische Organisationen und die Basisgewerkschaft FAU diese Farben. Doch den beiden Buchautoren geht es um einen Dialog zwischen er Marxisten und Anarchisten, was auf dem Cover wiederum missverständlich mit einer Solidarität zwischen den beiden linken Strömungen beschrieben wird. Doch Solidarität gegen Repression oder rechte Angriffe kann man auch mit linken Strömungen haben, mit denen man ansonsten politisch nicht viel zu tun hat. Doch Oliver Besancenot und Michal Löwy ging es darum, „eine Brücke zwischen den beiden großen revolutionären Traditionen zu schlagen“, wie sie im letzten Absatz unterstreichen, der die Überschrift „Für einen libertären Marxismus“ trägt. Beide Autoren kommen allerdings aus der antistalinistischen französischen Linken, die stark von Trotzki beeinflusst war. Michael Löwy hat sich auch schon früh mit ökosozialistischen Themen befasst. Besancenot ist Briefträger und war als Präsidentschaftskandidat der Neuen Antikapitalistischen Linken (NPA) bei den vorletzten Präsidentschaftswahlen landesweit bekannt geworden. Er kann es sich anrechnen, dass Thesen der radikalen Linken in größeren Kreisen der Gesellschaft diskutiert wurden. Doch die Hoffnung, dass die NPA, die von einem Teil der trotzkistischen Linken gegründet wurde, zu einem Bündnisprojekt einer neuen Linken werden könnte, die sich sowohl von der Sozialdemokratie als auch den Erben des Stalinismus abhebt, haben sich nicht erfüllt. Besancenot lehnte bei den letzten Präsidentenwahlen trotz Bitten seiner Partei eine erneute Kandidatur ab. Er arbeitete stattdessen wieder an der Basis. Mit dem Buch, das in Frankreich bereits 2014 erschienen ist, knüpfen beide Autoren an den Gründungsvorstellungen der NPA ab, Allerdings behandelt der größte Teil des Buches historische Daten wie die Pariser Commune und die Märtyrer von Chicago, sieben Arbeiter, die 1886 wegen Anschlag, mit dem sie nichts zu tu hatten, hingerichtet wurden. Die II. Internationale etablierte ihnen zum Gedenken den 1. Mai als Internationalen Kampftag. Auch die historischen Begebenheiten, die zum Zerwürfnis zwischen Anarchisten und Marxisten führten, werden im Buch ausführlich behandelt. So gibt es eine differenzierte Darstellung zu den Aufstand der Großstädter Matrosen im März 1921. Damals gehörte Trotzki zu den Befürwortern der Niederschlagung des Aufstands. Vermittlungsversuche von Anarchisten wie Emma Goldmann wurden ignoriert. . Damals zerriss das Band, zwischen Anarchisten und Anarchosyndikalisten und der Mehrheitsströmung in der kommunistischen Bewegung, die sich mit der SU identifizierte. Die beiden Autoren entwerfen ein differenziertes von den Geschehnissen in Kronstadt und kritisieren die Rolle Trotzkis. Der hatte noch 1937 im Exil die Niederschlagung des Aufstands verteidigt. Kurz vor seiner Ermordung verfasste er gemeinsam mit Andre Breton ein „Manifest für eine freie revolutionäre Kultur“, in dem es heißt: „Die Revolution muss von Anfang an für das künstlerische Schaffen ein anarchistisches Regime persönlicher Freiheit schaffen und garantieren“. In Kurzbiographien werden von Emma Goldmann über den spanischen Anarchisten Durrutti bis zu Walter Benjamin Linke vorgestellt, die eine Kooperation zwischen Anarchismus und Kommunismus befürworteten. Leider werden die aktuellen Kämpfe nur sehr knapp im letzten Kapitel angesprochen. Dabei muss sich doch die rot-schwarze Kooperation an den aktuellen politischen Fragen bewähren. Doch das Buch bietet eine Basis für eine fundierte Debatte über die Kooperation. Der Verlag „Die Buchmacherei“ hat in der Vergangenheit schon Bücher herausgegeben, die die Gemeinsamkeiten zwischen Marxisten und Anarchisten ausloten Bei den beiden Übersetzern des Buches ist die Kooperation auch praktisch gelungen. Andreas Förster ist in der FAU aktiv und Elfriede Müller gehört zu den Unterstützern der NPA.

Marx statt Nietzsche und Stirner

Wenn am 6. Juni die Buchautoren in Berlin diskutieren, wird die Kooperation auch auf einer politischen Ebene sichtbar. Veranstalter_innen sind die trotzkistische Internationale Sozialistische Organisation, der Verlag Die Buchmacherei und die Berliner Sektion der Freien Arbeiter_innen Union (FAU). Es dürfte eine lebhafte Debatte werden. Anarchist_innen, die eher den Denker des deutschen Imperialismus Friedrich Nietzsche und Figuren wie Stirner als Karl Marx goutieren, haben sich klar gegen die marxistisch-anarchistische Annäherung ausgesprochen. Auch dieser theoretischen Spielart des Rechtsanarchismus kann mit dem Buch klar begegnet werden.

Peter Nowak

Für Solidarität zwischen Marxist*innen und Anarchist*innen

Werkstatt der Kulturen der Welt, Wissmannstr. 32, 12049 Berlin (U-Hermannplatz) – 19 Uhr

Michael Löwy, Co-Autor des Buches wird über die Beweggründe für diese politische Neuorientierung eines Teils der französischen Trotzkist*innen Auskunft geben und zur Diskussion zur Verfügung stehen. Mit ihm diskutieren wird Holger Marcks, ein Aktivist der Berliner FAU. Wir hoffen auf einen fruchtbaren Dialog.

Veranstalter: Internationale Sozialistische Organisation (ISO), Die Buchmacherei, Freie Arbeiter- und Arbeiterinnen Union

http://diebuchmacherei.de/termine/

Michael Löwy / Olivier Besancenot:

Revolutionäre Annäherung, Die Buchmacherei

174 Seiten | ISBN 978-3-00-053364-8, 12 Euro,

http://diebuchmacherei.de/produkt/revolutionaere-annaeherung/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden