Mißbraucht die AfD die Wende in der DDR?

Paneuropäisches Picknick Es waren keine antirassistischen Aktivist*innen sondern eine Organisation aus der rechten Grauzone, die die Grenzöffnung in Ungarn vor 30 Jahren organisierte

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Nicht nur der ehemalige Präsidentdes Inlandgeheimdienstes Hans Georg Maaßen kann sich nach seiner Entlassung ungezwungenerin der Braunzone zwischen der Werteunion der CDU und dem rechtspopulistischen Portal Journalistenwatch bewegen. Auch der ehemaligeLeiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen Hubertus Knabe setzt nachseinen Amtsverlust den Kampf gegen links am rechten Rand fort. Sein jüngstes Pamphlets trägt nicht zufällig den Titel „Die Täter sind unter uns“. Es ist eine Anspielung auf den ersten deutschen Spielfilm nach 1945 „Die Mörder sind unter uns." Dort gibt um die vielen Nazis, die schon damals alle immer dagegen gewesen sein wollen. InKnabes Text sind die Täter die Kommunisten, die nach dem Ende der DDR den Kampf gegen alte und neue Nazis fortsetzen. In dem Textverteidigt Knabedie AfD- und Pegida-UnterstützerinVera Lengsfeld vor den„Helfershelfern der SED-Diktatur“.Die haben beide in derder bei Rechten aller Couleur verhassten Antonio Amadeu Stiftung und speziell bei deren Vorsitzenden Anetta Kahane ausgemacht. Der Tochter jüdischer Kommunisten wird ihremehrjährige Zusammenarbeit mit der Stasi angelastet. DassKahane schon Anfang der 1980er Jahre die Kooperation mit den DDR-Geheimdienst beendete und heute eine erklärteGegnerin der DDR ist, lässt ein Hubertus Knabeals mildernde Umstände nicht gelten. Schließlich ist Kahane Antifaschistin gebliebenundknüpft damit fürKnabe nahtlos an ihre Tätigkeit für das MfSin der DDR an. „Während die Spitzel in der DDR den Sozialismus oder den Weltfrieden schützen wollten, seien die Denunzianten von heute gegen Nazis und Hass unterwegs“, darin sind sichLengsfeld und Knabe einig mit den „Besorgtbürger aller Brauntöne“, wie Markus Reuter das rechte Milieu so treffen klassifizierte.Besonders erzürnt Knabe, dass sich im Februar 2019 in den Räumen der Antonio Amadeu Stiftung eine von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung unterstützte Tagung den rechten Rand der DDR-Aufarbeitung widmete. Dort wiesen die eingeladenen Wissenschaftler nach, dass sich die Gedenkstätte Hohenschönhausen protegiert vomWestimport Hubertus Knabe zum Tummelplatz von weit nach rechts abgedrifteten DDR-Oppositionellenwurde. Die Junge Freiheit war ihrHausblatt. NS-Täter wurden als Opfer des Kommunismus geehrt. Auch Beispiele fürkruden Geschichtsrevisonismus aus dem Umfeld der Gedenkstätte wurden benannt. Wenn die AfD in ostdeutschenBundesländern propagiert, die Wende vollendeten zu wollen, so haben Knabe und Co. seit Jahren die Vorarbeit geleistet. Da kommt zusammen, was zusammen gehört.

Es begann mit einer Aktion von Halbnazis

Schließlich wurde diese Wende, die im staatsoffiziellen Duktus „friedliche Revolution“ getauft wurde und fast alle Journalist*innen machen den Kotau mit, mit einer von Halbnazis initiierten Aktion, der ungarischen Grenzöffnung. Daran waren keine antirassistischen Aktivist*innen beteiligt, wie uns die Band Kettcar mit ihren Kitschsong Sommer 89 vorgegaukelt, sondern die Paneuropäische Union aus der Braunzone rechts der Unionsparteien.

Über die Rechtswende dieser Organisation nach dem Tod des Gründers schrieb die Bundeszentrale für Politische Bildung

(https://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/das-europalexikon/177182/paneuropa-union)

„Danach übernahmen rechtskonservative Politiker, darunter Otto von Habsburg, die P. Sie gestalteten die Bewegung erfolgreich zu einer Europaorganisation um, die sich nicht zuletzt das im Ost-West-Konflikt »vergessene« Mitteleuropa zum Thema machte. Damit fand die P. v. a. in konservativen politischen Kreisen Anhänger. Sie ist bis heute eine der größten Europaorganisationen.“

Dass die Pan Europäische Union unter Otto von Habsburg keine Berührungsängste nach Rechtsaußen hatte, beschreibt da Antifaschistische Infoblatt (https://www.antifainfoblatt.de/artikel/supermacht-europa-–%C2%A0die-rechten-konzepte-der-paneuropa-union)

Eine Gruppe prominenter Rechter begann nun, aus den Resten der alten PEU eine Sammlungsbewegung aufzubauen. Die Grundlagen waren ein strikter Antikommunismus, die gemeinsame Europaidee und das Christentum. Parteiübergreifend vereinten sie verschiedene Strömungen, die seit Jahren nebeneinander arbeiteten, z.B. die Abendländische Akademie, das Franco-nahe CEDI, die Deutschland-Stiftung, Teile der deutschen Vertriebenen, Monarchisten sowie Vertreter rechter Parteien und Regierungen Europas. Bis 1989/90 kooperierte die PEU immer wieder mit der extremen Rechten. Heute bestehen nur noch vereinzelt Kontakte dorthin, da der Antikommunismus als einendes Moment bedeutungslos geworden ist. Ein Trennstrich nach rechts wurde nur dann gezogen, wenn es um eine konkurrierende Europa- und Deutschlandpolitik ging.

Auch heute versteckt die Paneuropa-Union hier rechtskonservative Richtung keineswegs: So heißt es auf ihrer Homepage (https://www.netzwerk-ebd.de/mitglieder/paneuropa-union-deutschland/)

Rechter Duktus, dem ein Viktor Orban aus Überzeugung zustimmen kann

„Die Befreiung der Völker Mittel- und Osteuropas vom Joch des Kommunismus hat eine neue Phase der europäischen Geschichte eröffnet, die die Chance auf die Vereinigung Europas in greifbare Nähe rückt.“

Vor 1945 haben manche der Mitglieder und Bündnispartner der Paneuropäischen Union „die Befreiung der Völker Mittel- und Osteuropas“ noch als Teil der Waffen-SS und der deutschen Wehrmacht zu bewerkstelligen versucht. So bekam dafür der langjährige Vorsitzende der Paneuropa Union Erich Mende noch im Frühjahr 1945 das Ritterkreuzam Bande verliehen. Als dieser Versuch gescheitert war, ging natürlich auch ein Mende auf ins Distanz zu manchen Erscheinungen des NS. Doch am meisten störte sie, dass sie den Krieg verloren wurde, und es nichts wurde, mit der „Befreiung vom Joch des Kommunismus“. Da ging die Pan-Europa-Union neue Wege und war 1989 erfolgreich. Daher ist es auch nur konsequent, wenn ein Viktor Orban das paneuropäische Picknick vor 30 Jahren feierte. Die Organisation und ihr Duktus stimmen völlig mit seiner Ideologie überein.Linke und linksliberale Geschichtsklitterung a la Kettcar hat nur den Zweck, dass sich auch manche mit rechten Organisationen versöhnen, gegenüber denen sie noch in den 1970er und 1980er Jahren mit Grund auf Distanz geblieben sind. Man will irgendwo zu den Sieger*innen der Geschichte gehören. Dabei wird vergessen, dass die Pan Europa Union wie Orban 1989 nur die Schmach von 1945 getilgt haben, als es mit der „Befreiung der Völker vom Joch des Kommunismus“ nicht klappte. Daher missbrauchen weder ein Hubertus Knabe, noch eine Vera Lengsfeld oder die AfD die „friedliche Revolution“, sie haben sie vielmehr nur zu gut verstanden.

An die revolutionäre Phase des Herbst 1989 erinnern

Heißt das jetzt auf der Seiten der alten pststalinistischen Bürokrat*innen zu stehen, die im Herbst 1989 gestützt wurden, Keineswegs. Es soll uns glauben gemacht werden, als hätte in der DDR nur die Alternative zwischen SED-Bürokratie und Deutschlandfahnen schwenkenden Massen gegeben. Doch das ist eine Geschichtslüge. Es gibt zum Glück noch linke DDR-Oppositionelle wie die Redaktion der Zeitschrift telegraph (http://telegraph.cc/save-the-date-30-jahre-zeitschrift-telegraph-fest-am-11-oktober-2019/),die an die revolutionäre Phase der Ereignisse in der DDRerinnern. Ihnen ging es in ihren Kampf gegen die autoritäre DDR-Bürokratiegleichzeitig um einen Kampf für eine anarchistische und sozialistische Gesellschaft Doch auf diese Tradition beruft sich die AfD nicht. Sie sieht sich berechtigterweisein der Tradition derMassen, die Deutschlandfahnen schwenkend bereits im Oktober 1989 gegen linke DDR-Oppositionelle vorgegangen sind. Die telegraph-Redaktion veröffentliche Dokumente aus dem Herbst 1989, aus denen deutlich wird, dass die AfD sich durchaus als Vollstrecker*in der Wende sehen kann: So schrieb ein Beobachter der so hoch gelobten Demonstrationen im November 1989 in den hektographierten Blättern des telegraph am 29.November 1989 (https://www.antifa-nazis-ddr.de/schoenhuber-pfeift-die-ratten-kommen/):

„Aber es ist nicht mehr die gewohnte Leipziger Demo: überall Deutschlandfahnen, Transparente wie „Wiedervereinigung jetzt“, „Weizsäcker – Präsident aller Deutschen“, „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Während der Ansprachen verdichtet sich das Gefühl, unter die REPs geraten zu sein. Auf die wenigen klaren Absagen an die Wiedervereinigung (SDP Vereinigte Linke) ein Mensch aus Heidelberg) folgen Pfiffe und der Schlachtruf „Deutschland einig Vaterland“ in Fußballstadionmanier. Selbst als ein Redner notwendige gute Nachbarschaft mit unseren polnischen und tschechischen Freunden fordert, wird er ausgepfiffen – diese Ausländerfeindlichkeit bekam Nahrung durch staatliche Stimmungsmache in der DDR in den letzten Tagen.. Nur vereinzelt andere Plakate: „Gegen Aufkauf der DDR durch die BRD- kein viertes Reich“. „Alle Herrschaftssysteme sind brutal, weil sie auf Gewalt aufbauen“, „Gegen Faschismus, Rassismus, Sexismus“ – auf der Rückseite die Faust, die das Hakenkreuz zerschlägt, „Umweltreich statt Deutsches Reich“. Wir sind nur ca. 50 Andersdenkende, hauptsächlich Punks und Anarchisten, und beschließen, in die entgegengesetzt Richtung zu laufen…. Aus der dumpfen Menge schlägt uns entgegen „Ihr seid das letzte“, „Schämt euch was“, „Geht erst mal arbeiten“, „Wichser“, selbst als „Stasischweine“ und „Faschos“ (Gipfel der Demagogie!) werden wir beschimpft. Plötzlich weiß ich, wie Adolf-Hitler-Wähler aussehen. Es riecht förmlich nach Pogrom“.

Aus dem telegraph vom 29.November 1989

Wenn sich die AfD auf diesen Teil der Wende bezieht, ist das keine Vereinnahmung sondern nur konsequent. Es lege an den Bürgerrechtler*innen, die sich von der AfD distanzieren wollen, erst einmal zu klären, wie sie zu den nationalistischen Aufwallungen vor 30 Jahren stehen.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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