Nato – bewaffneter Arm von Attac?

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Manche haben sich schon lange gewundert, was den ehemaligen CDU-Generalsekretär Heiner Geißler auf seine alten Tage in die globalisierungskritische Organisation Attac getrieben hat. Fühlte er sich von seiner alten Partei in den letzten Jahren zu wenig gewürdigt?
Jetzt könnten wir der Motivforschung ein Stück näher sein. Geißler betrachtet Attac als zivilen Arm der Nato, für die er sich schon immer eingesetzt hat. Man kann auch umgekehrt formulieren, dass er die Nato für den bewaffneten Arm von Attac hältt. Das ist zumindest nach der letzten Verlautbarung von Heiner Geißler zu vermuten. Der hat sich von dem Beschluss von Attac distanziert, gegen den Natogipfel Anfang April in Straßburg mit einem Bündnis antimilitaristischer Gruppen auf die Straße zu gehen.
„Ich bin bei ATTAC eingetreten, um mitzuwirken an der Durchsetzung der Menschenrechte in Ökonomie und Politik auf der ganzen Welt, aber nicht, um indirekt durch solche Proteste frauenfeindliche Talibanfanatiker zu unterstützen“, zürnt der alte Geißler. Da ist er wieder ganz in seinem Element. Schließlich hat Geißler schon Anfang der 80er Jahre der westdeutschen Anti-Pershing-Bewegung vorgeworfen, eine Mitschuld an Auschwitz zu tragen. Wer dachte, Geißler sei altersweise geworden, sieht sich getäuscht. So schreibt er doch sogar als lange pensionierte Politiker einen Schmarren, den sonst nur Pressesprecher der Nato einfallen würden.
„Die NATO ist die einzige Organisation, die sich gegen die Taliban und Al-Qaida zur Wehr setzt, die bekanntlich in ganz Afghanistan die Scharia wieder einführen wollen, den Burka-Zwang für die Frauen, Schulverbot und Beschneidung von Mädchen und Todesstrafe durch Steinigung für angeblichen Ehebruch von Frauen.“
Da spekuliert jemand auf das Kurzzeitgedächtnis der Menschen. Die Nato war mit verantwortlich, dass Taliban und andere Islamisten in Afghanistan eine solche Macht bekommen konnten. Die wurden nämlich seit Ende der 70er Jahre gegen die mit der Sowjetunion verbündete afghanische Linksregierung bewaffnet und in den Kampf geschickt. In dieser Regierung saßen Feministinnen und Gewerkschafter, die es Ernst meinten mit der Frauenbefreiung und dem Kampf gegen die reaktionären Clans. Damit schufen sie sich im Land erbitterte Feinde. Doch zu einer realen Gefahr wurden die Reaktionäre erst als sie von der Nato zu Freiheitskämpfern geadelt wurden. Sie schütteten Frauen, die ohne Schleier auf die Straße gingen, Salzsäure ins Gesicht, bombardierten Schulen und Gesundheitsstationen und führten sich so auf, wie es die Taliban später zum Regierungsprogramm erhoben hatten. Die Linksregierung drängte darauf die Sowjetunion zum militärischen Eingreifen. Der Rest ist bekannt. Während die Rote Armee mit untauglichen Mitten den letzten Rest von Zivilisation in Afghanistan verteidigte, stand die „freie Welt“ auf Seiten der Islamisten. Es ging nicht um Frauenrechte sondern darum, der Roten Armee eine Falle zu stellen. Später tönen die Islamisten, dass sie in Afghanistan den Untergang der Sowjetunion eingeleitet hätten. Dass sie dazu die Waffen der "freien Welt" benutzten, verschweigen heute beide Seiten tunlichst. Und Heiner Geißler stand damals wie die gesamte Union auf Seiten der freien Welt und das hieß auf Seiten der Islamisten. Selbst als Politrentner ist von ihm dazu kein kritischer Beitrag bekannt.
Jetzt also will er mit der Nato in Afghanistan Frauenrechte einführen. Aber mit wem? Die Spuren der Linksregierung sind in Afghanistan von den Taliban und ihren nicht minder reaktionären aber außenpolitisch taktischer agierenden islamistischen Konkurrenten gründlich zerstört wurden. Mehrere afghanische Frauenaktivistinnen sprechen davon, dass sich zurzeit in dem Land unterschiedliche reaktionäre Warlords und Islamisten um die Macht streiten. Die prowestlichen sind in der Regierung vertreten, die Taliban sind vorerst noch draußen. Aber bald werden sich die viel zitierten moderaten, genauer vom Westen moderierten Taliban dazu gesellen. Wer sollen da Frauenrechte schützen? Eine Frage, die sic ein Heiner Geißler nicht stellt. Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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