„Ich kam in einen Raum und dort saßen 7 Männer, die sich weigerten ihre Namen zu nennen. Einen Anwalt durfte ich nicht mit bringen.“ So wie diese angehende Lehrerin ging es vielen jungen Menschen n der BRD vor 40 Jahren. Sie gerieten in die Mühlen jenes Radikalenerlass, der im Dezember 1972 auf einer Konferenz der Ministerpräsidenten der Bundesländer unter Vorsitz des Bundeskanzlers Willi Brandt (SPD) beschlossen wurde. In der französischen Presse wurde von Le Berufsverbot gesprochen. Allein die Benutzung dieses Begriffes in konnte die Zweifel an der Verfassungstreue befördern, die eine Anhörung vor dem anonymen Tribunal zur Folge hatte. Unter dem Titel „Vergessene Geschichte: Berufsverbote – politische Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland“ zeigst das Berliner Haus der Demokratie eine Ausstellung, die auf 18 Tafeln eine besondere Geschichtslektion vermittelt. Nach einem Exkurs in die Zeiten des preußischen Obrigkeitsstaates, der Weimarer Republik und des NS-Staates wird gezeigt, wie bereits 1950 in der BRD Berufsverbot verhängt wurden. Zu den ersten Opfern gehörte der jüdische Kommunist Alphonse Kahn. In Frankreich wegen seiner Aktivitäten in der Resistance mehrmals ausgezeichnet, wurde in Rheinland-Pfalz wegen seiner KPD-Mitgliedschaft als Leiter des Landesamtes für Wiedergutmachung entlassen. Der Radikalenerlass setzte diese Praxis fort. Betroffen waren vor allem Menschen, die sich nach dem gesellschaftlichen Aufbruch Ende der 1960er Jahre politisiert hatten. Gründe für ein Berufsverbot waren nicht nur Aktivitäten oder Mitgliedschaft in einer kommunistischen Partei oder ihnen nahestehender Organisationen. Auch der Besuch von linken Veranstaltungen, Reisen in die DDR, kritische Darstellungen des CSU-Politikers Franz Joseph Strauß oder die Teilnahme an einen linken Chor konnten Zweifel an der Verfassungstreue wecken. Im Rahmen des Radikalenerlass wurden 3,5 Millionen Menschen politisch überprüft. Mehr als 10000 Berufsverbotsverfahren wurden eingeleitet. 2250 Bewerber wurde die Einstellung verweigert, 256 Beamte wurden entlassen. Auf einer der letzten Tafeln ist sehr kleingedruckt eine unvollständige Liste der Namen der Berufsverbotsopfer dokumentiert. Auf der letzten Tafel wird begründet, warum die Ausstellung nicht nur von historischem Interesse ist. Seit 2012 vernetzen sich von Berufs Betroffene und verlangen eine Rehabilitierung und eine Entschädigung für entgangenen Lohn und niedrige Renten. Die Berufsverbotsbetroffene Cornelia Boß-Ziegling bezeichnet auf der Eröffnungsveranstaltung einen Beschluss des niedersächsischen Landtags vom Dezember 2016 für beispielhaft, die Geschichte der Berufsverbote in dem Bundesland aufzuarbeiten. Bisher konnten alle Versuche, die Praxis des Radikalenerlasses wieder zu beleben, verhindert werden. Am 1. Januar 2017 wurde Karem Schamberger am Institut für Kommunikationswissenschaften an der Universität München angestellt. Zuvor war das DKP-Mitglied ins Visier des Verfassungsschutzes geraten.
Warum kommt es nicht zum Dialog mit den Opfern der Repression in Ost und West?
Auf der Eröffnungsveranstaltung kam aus dem Publikum die Anregung, mit dem linken Flügel der DDR-Opposition zu kooperieren, die Repression und Bespitzelung beklagte. Schließlich gehört das aus der DDR-Bürgerbewegung hervorgegangene Haus der Demokratie neben dem BAOBAB-Infoladen, dem Verein Eine Welt e-V. und der Niedersächsische Initiative gegen Berufsverbote zu den Organisatoren der Ausstellung. Es wäre in der Tat an der Zeit, dass die Protagonist_innen der linken DDR-Opposition und die linken BRD-Oppositionellen endlich in den Dialog treten. Dann würde sich herausstellen, dass die DDR nun wahrlich nicht das Monopol auf Repression hat. In der BRD besorgen die Repression nach 1945 oft die selben alten Nazis, die vor 1945 auch schon am Ruder waren. Das zumindest unterscheidet sie von der DDR. Heute sind die linken DDR-Oppositionellen genau so ausgegrenzt wie die Opfer der Berufsverbote in der BRD. Welche braunen Gestalten hingegen als DDR-Oppossition noch immer gehypt werden, konnte man in einem Beitrag im Deutschlandfunk hören: Oskar Brüsewitz, der Klerialfaschist, der seinen Weg in den Himmel mit einer Selbstverbrennung verkürzen wollte. Kürzlich wurde er im Deutschlandfunk völlig kritiklos abgefeiert (http://www.deutschlandfunk.de/karsten-krampitz-der-fall-bruesewitz-wolf-biermanns.700.de.html?dram:article_id=377643 ). Dabei wurde eine wichtige Information aus dem vorgestellten Buch einfach weggelassen. Brüsewitz war ein Antisemit, der den NS-Massenmord an den Juden als Gottes Wille bezeichnete. Geschmackloser Weise wurde im Beitrag im Deutschland dieser Brüsewitz als "Wegbereiter von Wolf Biermann" bezeichnet. Der schwieg dazu, den Antisemiten Brüsewitz als geistiger Vorfahre zu bekommen, obwohl Biermanns Vater als Jude und Kommunist von den Nazis ermordert wurde. Auch die letzten noch aktiven DDR-Oppositionellen äußerten sich nicht zu Brüsewitz. Dabei gäbe es zu Diskussionen im Rahmen der Ausstelung noch einige Tage Gelegenheit.
Die Ausstellung "Vergessene Geschichte: Berufsverbote – politische Verfolgung in der Bundesrepublik Deutschland" ist noch bis zum 8.2.2017 werktags zwischen 10 und 17 Uhr im Haus der Demokratie zu sehen. Die 18seitige Ausstellungsbroschüre (http://www.berufsverbote.de/tl_files/Hann2015/Begleitheft_A4_klein.pdf) kann für 3 Euro bestellt werden ((ISBN: 978-3-930726-25-7). Weitere Infos können hier heruntergeladen werden:
http://www.berufsverbote.de/tl_files/Hann2015/Ausstellungsflyer07-16.pdf
Peter Nowak
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