Niederlage für die Standortverteidiger

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Gewerkschaften und Politiker, die eben noch zum Lohnverzicht für die Rettung unter Magna aufgerufen haben, empören sich darüber, dass GM weiter im Geschäft bleiben will


Der US-Besuch von Bundeskanzlerin Merkel in den USA fand ein für sie unerquickliches Ende. Gerade noch als Kanzlerin, die vor Kongress und Senat gesprochen hat, gefeiert, gerät sie jetzt in der Causa Opel in Erklärungsnot. Denn kurz nach ihrem Rückflug gab das GM-Management seine Entscheidung bekannt,ihre Opel-Töchter in Europa, also auch in Deutschland, zu behalten. Damit durchkreuzte sie nicht nur die Pläne der Bundesregierung, den Autokonzern mit der Hilfe von Magna in zu übernehmen und GM auszubooten. Zudem muss sich die Bundeskanzlerin fragen lasse, ob der medial inszenierte Rettungsplan für Opel Ende Mai nicht vor allem auf den Wahlkampf zielte. Die Bundesregierung konnte sich so als Retter von Tausenden Arbeitsplätzen feiern lassen.

Kritische Töne, die es schon unmittelbar nach der vermeintlichen Opel-Rettung gab, wurden im Wahlkampfgetöse gar nicht zur Kenntnis genommen. Vor allem auf taube Ohren stießen alle Analytiker, die daran erinnerten, dass die angebliche Einigung eine Schimäre war.

Kein vertraglich bindendes Konzept

Der linke Verkehrsexperte Winfried Wolf schrieb über die Sollbruchstellen der sogenannten Opel-Lösung:


„ Womit ich die erste von sechs Sollbruchstellen es angeblich gefundenen Konzeptes für eine Lösung der Opel-Krise angesprochen habe. Sie lautet: Es gibt weiterhin kein vertraglich bindendes Opel- Konzept. Der Clou: Kaum einer hat´s gemerkt!“ .

Wolf präzisierte diese Einschätzung:


„Am Pfingstwochenende, dem 30. und 31. Mai 2009, gab es gar kein neues Opel-Konzept, wie dies seitens der Bundesregierung und dem Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Klaus Franz impertinent behauptet wird. Vielmehr gibt es ein drei Seiten dünnes Memorandum of Understanding, eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung, an der die Bundesregierung, der zu diesem Zeitpunkt klinisch bereits tote GM-Konzern und der kanadische Autozulieferer Magna beteiligt sind.“

Die Folgen für die Bundespolitik hat der kritische Verkehrsexperte auch klar benannt:


„Die Opel-Beschäftigten werden ein weiteres halbes Jahr hingehalten, sprich: verschaukelt; dasselbe gilt für die Öffentlichkeit. Damit dürfte das Thema Opel bei der Bundestagswahl kaum mehr für CDU/CSU negativ zu Buch schlagen, zumal eine Lösung gefunden wurde, bei der die SPD voll mit im Boot sitzt.“



Verzicht für den Standort

Erstaunlicherweise sollte Wolf fast bis in die zeitliche Prognose recht behalten. Im Wahlkampf hatte kaum ein Politiker der Opposition hier kritische Fragen gestellt. Dafür haben sich große Teile der für die Opel-Belegschaft zuständigen IG-Metall sehr früh zum Lautsprecher einer Vereinbarung mit Magna gemacht, sich also im Jargon von Wolf am Verschaukeln beteiligt. Führende IG-Metallfunktionäre, wie der Opel-Betriebsratsvorsitzender Klaus Franz , feierten sich selber als gewiefte Co-Manager, die den Magna-Deal mit eingefädelt haben.Selbst eine Kommentatorin der Süddeutschen Zeitung hat Franz vorgeworfen als Lautsprecher des Managements seine eigentliche Betriebsratsfunktion zu vernachlässigen.

Franz hat nämlich immer wieder erklärt, dass er einen Arbeitsplatzabbau für die Magna-Lösung akzeptiert.Nachdessen Konzept sollten allein in Deutschland ca. 4500 Stellen wegfallen. Erst vor wenigen Tagen haben führende Opel-Betriebsräte noch einmal bekräftigt, dass sie für das Konzept im Sinne von Magna zu als Opfer verklärten Lohnkürzungen bereit wären. Damit haben sie Teile der Opel-Belegschaft in Bochum im Regen stehen lassen, die sich schon länger gegen eine solche Verzichtspolitik für den Standort wehrte.

Kaum war bekannt geworden, dass GM da nicht mitspielen will, schlug die Stunde der Populisten. Der CDU-Ministerpräsident von NRW gerierte sich mal wieder als Arbeiterführer und geißelte den Turbokapitalismus, den er natürlich nur in den USA verortete. Vor den Mikrophonen des Deutschlandfunks erklärten Opel-Mitarbeiter, dass die USA die größten Lügner in der Geschichte sind und schon die Indianer betrogen hätten. Bei einer solchen Gemengelage aus einer mit antiamerikanischen Ressentiments vermischten falschen Kapitalismuskritik und Angst um die eigene Existenz, ist es nicht schwer, die Belegschaft auf die Straße zu bringen.Die ersten Wahnstreiks sind schon angekündigt. Dabei stellt sich doch die Frage, warum es für Opel-Beschäftigte ein Unterschied sein soll, ob sie von Magna oder GM entlassen werden. Auch eine Analyse, was an ihren Arbeits- und Lebensbedingungen sich bei einem Verbleib von Opel bei GM verändert, unterbleibt. Natürlich stellt sich deshalb auch niemand die Frage, warum Verzicht für den Standort unter dem Dach von Magna den Arbeitern nützen soll, während gegenüber GM Widerstand angesagt wird.

Britische Gewerkschaften feiern

Während sich also die Mehrheit der deutschen IG-Metall nun als Geprellte und Betrogene sieht, feiern in Großbritannien Gewerkschaften und ein Teil der Belegschaft die Nachricht aus der GM-Zentrale., Sie hatten in der Magna-Lösung eine Bevorzugung des deutschen Standortes gesehen. Mit den deutschen Arbeitnehmern hält sichdie Solidarität dort in Grenzen, weil die IG-Metall in den letzten Monaten auch nicht besonders um die Arbeitsplätze in anderen europäischen Standorten gekümmert hat. Von einer europaweiten Solidarität der Opel-Beschäftigten kann keine Rede sein, solange jede Gewerkschaft nur ihren Standort verteidigt. Dass es auch anders geht, zeigt eine oppositionelle Strömung innerhalb der IG-Metall, die vor allem bei Opel Bochum einigen Einfluss hat. Die hat sich schon lange gegen die Standortverteidigung und die totale Identifikation der Belegschaft mit Opel ausgesprochen. In der Parole „Wir müssen bleiben – nicht Opel“ versuchten sie eine andere Orientierung der Belegschaft deutlich zu machen. Dieser Strömung ist es auch immer um einen gemeinsamen, länderübergreifenden Kampf aller Opel-Beschäftigten gegangen. Der ist bisher auch an der Politik der Gewerkschaften gescheitert.


Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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