Berliner Nighmares

Der Atem In der Volksbühne wurde der Film von Uli M Schueppel im Rahmen eines Filmkonzerns gezeigt. Die Töne

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Calmspaces – Atemraum, lautet der Titel einer Installation, die im Rahmen der Ausstellung "Interstitial Space" im Kunstraum im Bethanien am Mariannenplatz zu sehen. Dort wurde ein Raum errichtet, in dem Besucher*innen Atemübungen machen sollen. Die Installation changiert zwischen Gesundheitslabor und Esoterik. Die Grenzen sind oft fließend. Das wird auch in dem Dokumentarfilm „Der Atem“ deutlich, den der Regisseur Uli M Schueppel 2019 auf der Berlinale vorstellte. Am Montagabend wurde er im großen Saal der Berliner Volksbühne gezeigt. Es war schon beeindruckend, wie die Zuschauer*innen in knapp 90 Minuten hineingezogen wurden, in die Schicksale, die die unterschiedlichste Menschen dort erzählen.Der Film zeigt eine dunkle Berliner Nacht, wie es sie heute in der Realität wegen dem ständigen Lichtsmog nicht mehr gibt. Vor der dunklen Silhouette zeichnen sich die Lichter von S-Bahnen und von erleuchteten Wohnungsfenster umso deutlicher ab. Dort leben die Menschen, die im Film ihre meist traurigen Geschichten erzählen. Da berichtet eine Frau, wie sie ihr Baby tot im Bettchen fand, eine andere Frau erzählt, wie sie einen schweren Autounfall doch noch überlebt hat. Ein besonders unsympathischer Zeitgenosse berichtet, wie er seine Frau misshandelte und dann schwerverletzt aus dem Auto warf, weil er sich über sie geärgert hat. Diese Erzählung fällt aus dem Rahmen, denn hier handelt es sich um Schicksal sondern um eine brutale sexistische Gewalttat. Manche Erzählungen haben eine spirituelle Dimension. So berichtet ein Mann,, wieer den Unfalltot seiner Mutter und Schwester körperlich miterlebte, obwohl er gar nicht dabei war. Auch die letzte Geschichte, eine Nahtoderfahrung hat eindeutig spirituelle Züge.

Fahrt durch dunkle Tunnel und am Ende das Licht

Manchmal bleibt am Ende offen, wie die Geschichte ausgeht. So erzählt eine Frau, wie sie im griechischen Winter für ihr schwerkrankes Kind nach einen Arzt suchte. Ob sie es noch geschafft hat, wird nicht erzählt. Nur, die Lichtchoreographie könnte Aufschluss geben. Die Frau erzählt die Geschichte in einer U-Bahn, die durch verschiedene dunkle Tunnel fährt. Als sie mit ihrer Geschichte zum Ende kommt, scheint die Sonne. Ob das ein Hinweis ist, dass das kranke Kind überlebt hat? Oder wird da die Lichtsymbolik zu sehr strapaziert? Der Film lässt diese Fragen offen.Auch politische Themen werden in einigen der Episoden angesprochen, Die Stasiüberwachung spielt ebenso eine Rolle wie die Erzählung eines tibetanischen Dalai-Lama-Anhängers, der von Folterungen und Drohungen mit der Hinrichtung durch die Staatsmacht spricht. Ein bekennender Kommunist aus Ostberlin erzählt von der Angst, die er am Tag der Maueröffnung hatte, dass der rechte Mob sich jetzt an den Roten rächen wird. Schließlich wohnte er in einer Gegend, wo am ersten Mai immer rote Fahne aus dem Fenster hängten.Das ist mal eine andere Perspektive auf die ewige Frage, haben sie geweint, als die Mauer fiel?

Ein Mann aus Afrika erzählte wie er als Jugendlicher beim Fischen in seiner afrikanischen Heimat in tiefster Nacht im menschenleeren Gewässer von einer merkwürdigen Lichterscheinung verfolgt wurde. Er glaubte, der Tod gehe um und wenn er erzählt, kann man noch an seiner hektischen Atmung die Panik nachspüren, die er in diesen Minuten empfunden haben muss. Schon der Philosoph Ernst Bloch machte in seinen Hauptwerk "Prinzip Hoffnung" die These stark, dass Aufklärung zu Aufkläricht regrediert, wenn man alle alle Geheimnisse des Lebens ausleuchten und rationalisieren möchte. Die Nacht behält auch in der modernen Welt trotz Lichtsmog seinen Schrecken. Das zeigt Uli Schueppel in seinen großartigen Film, dem in der Volksbühnedie US-Komponistin Christina Vantzou und das belgische Ensemble Echo Collective live die passenden Untertöne verliehen hat.

Peter Nowak

Link zum Film "Der Atem":

https://www.kino-zeit.de/film-kritiken-trailer/der-atem-2019

Zum Filmkonzert in der Berliner Volksbühne:

https://www.volksbuehne.berlin/de/programm/9597/filmkonzert-der-atem

Die anfangs erwähnte Ausstellung Instititial Sprace im Kunstraum Kreuzberg ist noch bis zum 15.3. täglich zu sehen:

http://www.kunstraumkreuzberg.de/start.html

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Geschrieben von

Peter Nowak

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