Noch etwas mit Bismarck besprechen

Foreign Affairs Im Rahmen des Theaterfestivals Foreign Affairs bot das Künstlerkollektiv Andcompany & Co. mit BLACK BISMARCK previsited eine kritische Bismarck-Lektüre

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„Ich habe noch etwas mit Bismarck zu besprechen“, lautet ein geflügeltes Wort in vielen afrikanischen Staaten, wenn jemand noch einmal auf die Toilette muss. Daran knüpften die Künstler_innen Alexander Karschnia, Nicole Nord, Joachim Robbrecht und Sascha Sulimma, die als Kollektiv Andcompany Co Bismarck bekannt geworden sind, mit ihren als Lektüre-Konzert angekündigte BLACK BISMARCK previsited, das mehrmals im überfüllten Foyer des Hauses der Berliner Festspiele im Berliner Westen aufgeführt wurde. Der Schwerpunkt der knapp 50minütigen Darbietung liegt allerdings in den Wortbeiträgen. Dabei ist der reaktionäre Junker Bismarck, der mit großer Kette um den Hals und Pfeilen im Kopf einen Ehrenplatz am Rande der Bühne gefunden hat, der Ausgangspunkt. Schließlich war er der Gastgeber jenes Events gewesen, das nur in Deutschland den Namen Kongokonferenz trägt. In der nichtdeutschen Welt aber trägt das Treffen, das man als eine G14 des 19. Jahrhunderts nennen kann, den Namen Berliner Konferenz. Denn dort haben die führenden kapitalistischen Mächte jener Zeit, bis auf das Osmanische Reich und die USA nur europäische Staaten, den afrikanischen Kontinent unter sich aufgeteilt. Am Rande wurde auch zwischen Bismarck und dem belgischen Monarchen vereinbart, dass der Kongo praktisch als Privatbesitz übereignet bekam. Erst 1960 sollte dieses Kolonialverhältnis zu Ende gehen, nicht aber die Präsenz der neokolonialen Mächte in der Politik des Kongo, wie die Ermordung des antikolonialen ersten Ministerpräsidenten Patricia Lumumba zeigte.

Bismarcks Doggen und Türme

Mit einem Feuerwerk von Querverweisen in Geschichte, Wissenschaft und Philosophie gelingt es dem Künstlern, Bismarck mit Wissen und Witz zu dekonstruieren. So zeigen sie die gesammelten kolonialen Klischees in dem unter dem Titel Vodoo-Masters in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt gewordenen Popsong auf. Ein Höhepunkt des Abends ist aber zweifellos der Teil, der als Bismarkisierung bezeichnet werden kann. Hier wurde humoristisch der Bismarck-Kult karikiert, der vor ca. 140 Jahren im neuen Großdeutschland um sich griff. In jeden kleinen Ort wurden Bismarck-Türme aufgebaut, die doch sehr gleichförmig aussahen, wie die eingeblendete Diashow zeigte. Bismarcks Doggen hießen dann bald nur noch deutsche Hunde und vom Geschmack des Bismarck-Schnaps, der am Abend in kleinen Gläschen gereicht wurde, konnte sich das Publikum persönlich überzeugen. Gekonnt waren die EU-Reminiszenzen des Trios, die ihr Programm mehr oder weniger dezent durchzog. Gut zusammen gefasst sollten die EU-Sterne schon immer vor dem Freihandel sichern. Das war schon das Ziel der Berliner Konferenz, die man auch als erste EU-Konferenz mit Gästen bezeichnet kann. Der Abend endete mit Zitaten aus dem Roman V von Thomas Pynchon, der sich den German Hereros widmete. Der Lektüreabend war auch ein Stück Work in Progress. Andcompany & Co wollen das Thema zu einem Theaterabend verdichten, der im nächsten Jahr im Hebbel am Ufer Premiere haben soll. Darauf darf man gespannt sein.

Peter Nowak

Informationen zum Programm des Festivals Foreings Affairs, das in Berlin noch zum 26.10. läuft gibt es hier:

https://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/foreign_affairs/programm_fa/programm_fa_gesamt/fa_festivalprogramm.php

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Geschrieben von

Peter Nowak

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