Polizeigipfel in Kopenhagen

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In Dänemark präsentierte sich der starke Staat, der auch von Teilen der Klimabewegung eingefordert wurde, in Aktioin


Die Bilanz des Kopenhagener Klimagipfels kann sich sehen lassen – mehr als 1500 Festnahmen, Prügel für Aktivisten der Nichtregierungsorganisationen, massive Behinderung der Presse. Egal, was an klimapolitischen Entscheidungen in Kopenhagen noch ausgekungelt wird: in Fragen des Demokratieabbaus hat der Event in der dänischen Hauptstadt schon gewonnen.

Wenn jetzt manche NGO-Vertreter darüber lamentieren, dass die Gipfelregie versagt habe, bleiben sie mit ihrer Kritik an der Oberfläche. Tatsächlich wurde in Dänemark deutlich gemacht, dass die Geduld mit den politischen Bewegungen, die sich vor 10 Jahren anlässlich des WTO-Gipfels in Seattle erstmals öffentlich artikuliert haben, zu Ende ist. Im Anschluss war jeder größere Politgipfel von Protesten begleitet. Theoretiker gaben den Kritikern unterschiedliche Namen. Multitude im Sinne von Antonio Negri oder weniger theoretisch die Ungehorsamen oder romantisierend die People von Seattle. Staatliche Repression war in den letzten 10 Jahren eine ständige Begleiterscheinung der globalisierungskritischen Bewegung mit dem eindeutigen Höhepunkt in Genua im Juli 2001. Ein toter Demonstrant und der Polizeiüberfall auf schlafende Gipfelgegner sorgte international für Entsetzen und Wut.

Doch damals war der Staatsterror die Antwort auf eine Bewegung im Wachsen, die sich das Ziel gesetzt hatte, den Gipfel tatsächlich zu stören und in die Roten Zonen einzudringen. Die Dynamik der drei Jahre zwischen 1999 und 2001 sorgte dafür, dass ein Gipfelsturm für viele Beteiligte kein leeres Wort war. Nach Genua übte sich die globalisierungskritische Bewegung in Symbolpolitik, wie 2007 in Heiligendamm. Dort feierten sich die Aktivisten, weil sie einige Blockadeorte halten konnte, während der Gipfel weitgehend ungestört tagen konnte. Damals machten viele Festgenommene auch schon mit den Käfigen Bekanntschaft, die die dänische Regierung zum Klimagipfel von Deutschland ausgeliehen hat.

Die Repression in Kopenhagen erfolgten nicht nach militanten Aktionen sondern völlig ohne Anlass. So erklärte die dänische Polizei die Einkesselung und stundenlange Festsetzung des hinteren Teils der Großdemonstration am 12. Dezember mit der Möglichkeit, dass sich einige der Teilnehmer an Aktionen des zivilen Ungehorsams beteiligen könnten. Auch drei Pressesprecher der Gipfelproteste wurden festgenommen, nachdem sie auf Pressekonferenzen die geplanten Aktionen vorgestellt hatten. Dazu gehört auch der Politologe Tadzio Müller aus Deutschland, dessen Festnahme unter Anderem mit abgehörten Handygesprächen und Emailverkehr begründet wird.

Die Ermächtigung für solche Eingriffe gab sich die dänische Regierung mit den sogenannten Lümmel-Paragraphen wenige Wochen vor Gipfelbeginn. Doch unterstützt worden ist sie von anderen Regierungen. Auch Deutschland wird wohl nicht nur die Gefangenenkäfige verliehen haben.



Die "Retter" schlagen zu

In Dänemark zeigte ein starker Staat die Muskeln und wies sowohl Nichtregierungsorganisationen als auch die unterschiedlichen Kritiker in ihre Schranken. Die Gipfel sollen wie einst die Konzile die Orte sein, in denen die Mächtigen und ihre ausgewählten Gäste über die Geschicke der Welt bestimmen.

Teile der Klimabewegung müssen sich fragen lassen, ob sie nicht ihren Teil zur Renaissance des Staates beigetragen haben. Haben sie nicht von den Politikern gerade zu beschwörend gefordert, das Klima bzw. die Welt zu retten? Steckt hinter solchen Appellen nicht die Vorstellung, dass die Politiker die Geschicke der Welt bestimmen können? Ist es dann nicht fast konsequent, dass die Macht, die so wortradikal zur Weltenrettung aufgerufen wurde, ihren mehr oder weniger konsequenten Kritikern schon mal die Instrumente zeigt?


Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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