Queertheater mit Arnold Schönberg

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Eine einzigartige Crossover-Theater-Vorführung konnte man bis zum 10.März dreimal im Berliner Theater Hebbel am Ufer erleben. Pierrot Lunaire, ein Musiktheaterwerk von Arnold Schönberg, das in der spätwilheminischenGesellschaft im Jahr 1912 zu einem mittleren Skandal geführt hatte, wurde von Bruce LaBruce, dem Star der schwulen und queeren Kunstszene, neuinszeniert.

Dieses Zusammentreffen versprach einen interessanten Theaterabend.Tatsächlich waren die knapp 50 Minuten, die das Stück dauerte, nie langweilig. Das exzellente Bühnenbildenthielt soviele Elemente, dass man oft nicht wusste, worauf man seine Aufmerksamkeit zu erst richten sollte. Auf der einen Seite hat sich das Orchester niedergelassen, das geleitet von einen legeren Dirigenten, die Schönberg-Stücke spielte.

Darüber war ein Monitor angebracht, der Ausschnitte aus der historischen Aufführung zeigte und immer wieder auch Motive der Texte einblendete. Daneben fanden sich auf einen Monitor die Kapitelüberschriften und auch Textübersetzungen. An einer Wand war auf einen Metallgerüst eine Art Guillotine aufgebaut. Ein Muskelmann mit schwarzer Maske klettert dort wie ein Eichhörnchen rauf und runter. Im Hintergrund stehen auf einer Empore ein Tisch und ein Sofa. Dort redet die längste Zeit ein reicher Vater auf seine blondierte Tochter ein. Die aber ist in Pierrot, die Hauptfigur des Stücks, mächtig verliebt. Der Vater versucht ihr das mehr oder weniger nachdrücklich auszutreiben. Schließlich hat der den Geliebten der Tochter recht unsanft als Frau enttarnt. Dass in dieser Szene am Monitor das Wort „Wikileaken“ eingeblendet wurde, war ein überflüssiger Aktualisierungsversuch, zum Glück der Einzige.

Der schauspielerische Höhepunkt ist das letzte Bühnenbild, bei dem Mann und Frau fast buchstäblich in einer Figur verschmelzen, zumindest in den Augen der Zuschauer. Der Schlussapplausfür die Pierrot-Darstellerin Susanne Sachse zeigte, dass das Publikum das Queertheater durchaus zu schätzen wusste.

Dem Taz-Kommentar Till Caspar Boehme ist entschieden zu widersprechen. Sein Fazit lautete:

“ Sofern die Inszenierung das Ziel verfolgt haben sollte, Schönbergs Stück neuen Hörerschichten zu erschließen, ist der Ansatz gründlich in die Hose gegangen“. Ganz im Gegenteil. Ich denke, bei der Theatervorführung war ich nicht der Einzige, der das erste live Mal mit Schönberg-Stücken konfrontiert war und der dies auch nur in der hier gebotenen Kombination wagen würde.

Peter Nowak

Pierrot Lunaire von Arnold Schönberg, Regie Bruce LaBruche


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Geschrieben von

Peter Nowak

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