Rechtes Fotoshooting an der Reichtstagstreppe

Reichstag abschaffen Wenn jetzt mal über den Namen und die Widmung diskutiert würde, hätte die Aufregung vielleicht noch einen Sinn.

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Bundespräsident Steinmeier sprach von einen Angriff auf das Herz der Demokratie, nachdem am 28. August ein Pulk von Reichsbürger*innen und anderen Nazis die Treppe zum Reichstagsgebäude erklommen hatte. Nachdem sie dort ihre Selfies produziert hatten, zogen sie wieder ab Die Aufregung nicht nur bei Politikern fast aller Parteien war groß.Auch auf Change.org werden Unterschriften unter eine Petition gesammelt, die für die Polizisten, die angeblich verhinderten, dass die Rechten in den Reichstag eindrangen, das Bundesverdienstkreuz fordern. Dass Rechte aller Couleur ganz offiziell ständig den Reichstag betreten, weil sie ihre Abgeordnetensitze einnehmen, scheint da in Vergessenheit geraten zu sein. Die aktuelle AfD-Präsenz hat ihre Vorläufer in der Weimarer Republik und im Kaiserreich. Schon vergessen, dass die NSDAP nichtals Ufosüber Deutschland kamen, sondern in den Reichstag gewählt wurde? Dass es Reichsbürger*innen und Reichsfahnenschwenker*innen zum Reichstag zieht, ist kein Zufall. Sie gehören zu einem Gebäude, das noch immer den alten Namen trägt und damit deutsches Traditionsbewusstsein zeigt.Mit der Inschrift „Dem deutschen Volke“ über dem Reichstagsportal machte die Mehrheit des Bundestags deutlich, dass sie nicht mal zu einer semantischen Modernisierung des deutschen Nationalismus bereit ist. Es gab vor über 20 Jahren Diskussionendie Widmungumzuformulieren.„Der Deutschen Bevölkerung“ hieß dann allerdings nur eine Installation des Künstlers Hans Haacke, ansonsten änderte sich nichts. Es ist bezeichnend, dass die Aufregung nach dem rechten Fotoshooting am 28. August nicht einmal dazu reicht, Namen und Widmung des Gebäudes erneut zur Diskussion zu stellen. Dabei ist die Chance verpasst worden, an der Stelle die Reichstagsruine mit der von einen Rotarmisten am 2. Maigehissten Fahne der Sowjetunion stehen zu lassen. Ein solches Zeichen des Sieges über den NS hätte nur von den Alliierten verfügt werden können.Die Mauer-Inschriften der Rotarmisten, in denen sieihre Freude über die deutsche Niederlage ausdrückten, gibt es immerhin noch. Aber sie sind in dem für Besucher*innen nicht zugänglichen Teil des Reichstags verbannt worden. Niemand soll sich wundern wenn selbsternannte Reichsdeutsche dieser Reichstag anzieht, wiedie Motten das Licht. Schließlich halten sie auf der Wiese davor seit Jahren regelmäßig Mahnwachen und Kundgebungen ab. Es wäre zu wünschen, wenn die rechten Angriffe aufGeflüchtete oder Menschen, die dafür gehalten werden,einen Teil der Aufmerksamkeit bekämen, die die Rechten mit ihren Theater auf der Reichstagstreppe erhielten. Und vielleicht auch die namenlosne Opfer des Massakers an Arbeitern (es waren nur Männer), die am 13. Januar 1920 vor dem Reichstag für den Erhalt der Rätedemokratie demonstrierten und von einer Sicherheitstruppe im Auftrag der SPD erschossen wurden. Keiner der Schützen wurde zur Verantwortung gezogen, und auch 100 Jahre später haben nur kleine linke Gruppen an diese Opfer des "demokratischen Reichstags" erinnert.

Weitere Infos zu dem Massaker an der Rätebewegung vor 100 Jahren:

https://www.classless.org/2020/01/13/13-januar-1920-massaker-an-der-ratebewegung/

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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