Sehnsucht nach den starken USA

Syrien Freunde und Gegner der USA trauern der Weltmacht USA nach und können nicht begreifen, dass sie der Vergangenheit angehört

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Sehnsucht nach den starken USA

Foto: McNamee/Getty Images

Da warteten alle darauf, dass Obama den Bush gibt und möglichst schnell den Befehl zum Militärschlag gegen Syrien gibt und nun reiben sie sich die Augen. Obama lässt sichZeit und bezieht die parlamentarischen Gremien ein. Für die gestandenen Antiimperialisten ist schon die Erwähnung eines unterschiedlichen Politikstils zwischen den beiden Präsidenten Imperialismusapologie (http://www.jungewelt.de/2013/09-07/003.php), wie es der Chefkommentator der jungen Welt Werner Pirker ausdrückte. Was immer der Yankee auch sagt und macht, am Ende kommt doch nur Krieg und Eroberung heraus, ist die Lesart dieser Denkweise. Damit wird werden diese Eigenschaften in die Natur der USA verlegt und nicht aus den wirtschaftlichen und politischen Interessen des Landes erklärt. Damit aber könnte man besser erklären, dass es weder unter der Bevölkerung noch den Politikern in den USA eine Begeisterung für einen Militärschlag gegen Syrien gibt. Statt die Frage zu stellen, ob ein Grund hierin nicht auch in der abnehmenden politischen und wirtschaftlichen Macht der USA in der Welt liegt, wird hinter allen das eigentlich aggressive Wesen der USA vermutet. Hier aber unterscheidet sich eine Kritik an der Politik der USA vom Antiamerikanismus. Wenn das Wesen des Krieges und der Eroberung in der Natur der USA liegt, was mit dem Bild des Cowboys gerne pointiert, braucht man sich nicht mehr die Mühe zu machen, die unterschiedlichen politischen und wirtschaftlichen Interessen in den USA und die Konsequenzen für die Militär- und Außenpolitik zu untersuchen. Eine wachsende isolationistische Strömung, die nicht mehr in die Konflikte in anderen Kontinenten hereingezogen werden will, entspricht durchaus den Interessen einiger Kapitalfraktionen in den USA. Zu erkennen, dass die Macht der USA schwindet, heißt auch anzuerkennen, dass viele Konflikte rund um die Welt ohne die verdeckte Hand der USA entstanden sind und sich ausweiten.

"Werden Sie deutscher Nahostexperte"

Im Blog der Wochenzeitung Jungle World (http://jungle-world.com/) werden solche Kommentatoren treffend als „deutsche Nahostexperten“ persifliert (http://jungle-world.com/jungleblog/2311/).

„Kein verantwortungsbewusster Nahost-Experte kommt ohne das Wort Flächenbrand aus. Lassen Sie sich nicht davon stören, dass es schon lange brennt. Ein Flächenbrand ist ganz etwas anderes. Er entsteht, wenn Unbefugte sich einmischen. Unbefugte sind Amerikaner und Israelis, nun auch wieder Briten und Franzosen. Wenn sunnitische und schiitische Jihadisten den syrischen Bürgerkrieg auch im Libanon austragen, hat das nichts mit einem Flächenbrand zu tun. Die tun nur ihre Pflicht. Wenn aber Israel aus dem Libanon mit Raketen beschossen wird und zurückschießt, droht ein Flächenbrand. Vergessen Sie nicht, Israel wohlwollend ein Existenzrecht zuzusprechen, bevor Sie nach dem „aber“ zur Sache kommen! Beweisen Sie stilistische Originalität, indem Sie den Nahen Osten auch einmal als Pulverfass bezeichnen. Wer an der Lunte zündelt, wissen Sie ja bereits.“

Allerdings werden damit treffend nur jene Kommentatoren beschrieben, die immer noch vom Hauptfeind USA ausgehen. Doch auch erklärte Anhänger einer starken USA haben Probleme zu akzeptieren, dass in der aktuellen bipolaren Welt der große Sheriff USA ausgedient hat. Dafür liefern zwei Nahostexperten in der Jungle World selber den Beweis. Oliver M. Piecha und Thomas von der ­Osten-Sacken kritisieren letztlich, dass Obama eben nicht Außen- und Kriegspolitik wie Bush macht (http://jungle-world.com/artikel/2013/36/48402.html).

„Dann vertagte Obama das ganze Unternehmen kurzerhand, verwies die Angelegenheit an den Kongress, der wegen der Sommerpause erst nach dem 9. September entscheiden wird, und die sy­rischen Staatsmedien feierten einen geschenkten Sieg. Das vorläufig Fazit Obamas hätte kaum erbärmlicher klingen können: Ein Militärschlag gegen Syrien werde, so der Präsident, »morgen, nächste Woche oder in einem Monat« erfolgen. Oder, hätte er hinzufügen können, vielleicht auch gar nicht.“ Wem es wirklich um die Menschen in Syrien geht müsste aufatmen. Denn warum soll man ihnen wünschen, dass sie neben der Gewalt des syrischen Regimes und diverser islamistischen Rackets auch noch Angst vor US-Angriffen Angst haben müssen? Wenn sich durch die Taktik Obamas sogar eine fast unwahrscheinliche Möglichkeit ergeben sollte, dass das syrische Regime seine Giftgasbestände herausgibt, kann man doch nur sagen, dann hat Obama seinen Nobelpreis doch nicht umsonst bekommen hat. Aber Piecha und Osten-Sacken sorgen sich nicht um die Menschen in Syrien sondern um die schwindende Macht der USA.

„Auch wenn Obama sich von der Rolle der USA als „Weltpolizist“ verabschieden wollte, ist dies de facto nicht möglich. Denn nur die USA sind als einzige Supermacht im globalen Maßstab handlungsfähig“, heißt es bei dem Autorenduo. An diesen Zeilen wird deutlich, wie nah sich Antiimperialisten wie Pirker und Co und die Anhänger des USA First sind. Nur in der Bewertung unterscheiden sie sich selbstverständlich diametral. Was die einen hassen, affirmieren die anderen. Doch von einer Analyse der aktuellen Situation wollen beide Seiten nichts wissen. Piecha und Osten- Sacken beschwören jene Weltmacht USA herauf, die Pirker und Co. als Watschenmann bekämpfen. Beide haben noch nicht realisiert, dass es damit aus ökonomischen und politischen Gründen vorbei ist.

Nie wieder Auschwitz oder Veggietag?

Besonders unappetitlich wird es, wenn nun deutsche Nahostexperten empfehlen, Deutschland solle die schrumpfende Macht der USA nutzen, um Weltpolitik zu betreiben, wie es der Auslandskorrespondent der taz Dominik Johnson in einem Kommentar (http://www.taz.de/Kommentar-Deutsche-Syrienpolitik/!123521/ ) versucht. Für ihn ist es Zynismus, dass die deutsche Politik nicht an vorderster Front bereit steht, um Syrien zu bombardieren. Fast zur Realsatire wird Johnsons Schlusskommentar: Er verzweifelt an den Parteien, die gar nicht so kriegslüstern sind, wie er sie sich wünscht.

„Wen soll man wählen, wenn man sich damit nicht abfindet? CDU/CSU und FDP, die sich 2011 dem Schutz der Libyer verweigerten und die 2013 zu Syrien mahnen, man müsse „abwarten“? Die SPD, deren letzter Kanzler Putin als „lupenreinen Demokraten“ lobte und deren Spitzenkandidat jetzt zugibt, ihm falle zu einer Lösung in Syrien nichts ein? Die Linken, die sich schützend vor alle US-Feinde werfen und Völkerrecht mit Vetorecht verwechseln? Die Grünen, die ihre Vordenker des humanitären Interventionismus in die Wüste geschickt haben und sich von „Nie wieder Auschwitz“ auf „Veggieday“ zurückziehen?“

Dass heute noch jemand die verlogene auschwitzrelativierende Kampagne, mit der Joseph Fischer und Rudolf Scharping einen Krieg gegen Serbien begründeten, heranzieht, um erneut einen Krieg zu beginnen, kann schon fast als Chuzpe bezeichnet werden. Natürlich geht es, wie bei jeden Krieg um den Schutz irgendwelcher Menschengruppen, die man auswählt, um den Kriegsgrund zu legitimieren. Auffällig nur, dass bei allen Kommentatoren die Frage, wer eigentlich das Giftgas in Syrien eingesetzt hat, keine Rolle spielt. Für Pirker waren es ohne Frage die Rebellen, für Johnson, Piecha und Osten-Sacken steht ganz klar fest, dass es das syrische Regime war. Da alle nicht über Spezialwissen verfügen dürften nd auch nicht als Freunde der Kaffeesatzleserei bekannt sind, kann darauf nur der Schluss gezogen werden, dass es ihnen egal ist. Ein Kriegsgrund findet sich immer.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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