Sind wir heute so viel humaner?

Želimir Žilnik Der jugoslawische Regisseur Želimir Žilnik wird im Kino Arsenal vorgestellt.

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„Wir reden heute so viel über Humanität. Aber sind wir wirklich zivilisierter?“ Mit dieser Frage endet der Kurzfilm „Öffentliche Hinrichtung“ des jugoslawischen Regisseurs Želimir Žilnik, der zurzeit im Rahmen einer Filmreihe im Berliner Programmkino Arsenal zu sehen ist. Es ein Stück Gesellschaftskritik vom Feinsten, parteiisch im besten Sinne, ohne agitatorisch zu sein. Gezeigt wird die öffentliche Hinrichtung eines Bankräubers in Hamburg Anfang der 70er Jahre. Dazu wird Volkes Stimme eingeblendet, für die die Hinrichtung noch nicht Strafe genug ist. Foucault hatte in „Überwachen und Strafen“ dargelegt, wie die öffentlichen Hinrichtungen in der frühen Neuzeit zu einer Volksbelustigung geworden sind. Heute gruseln wir uns darüber, dass eine solche Lynchjustiz nur noch in Ländern wie den Iran vorkommt und findet nichts dabei, dass im TV und im Internet Morde bis im letzten Detail ausgestellt werden. Žilnik trifft mit seiner Frage also ins Schwarze. Sein Film hatte für ihn Konsequenzen. Es gab bei ihm eine Hausdurchsuchung und bald wurde er des Landes verwiesen, allerdings nicht in der DDR sondern in der BRD in der Zeit des sogenannten deutschen Herbstes. Da genügte schon ein sozialkritischer Kurzfilm wie „Öffentliche Hinrichtung“ und eine urkomische Satire wie „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“, um als Terroristenfreund zu gelten und wenn man einen jugoslawischen Pass hatte, war man dann eben schnell abgeschoben. Schließlich kann sich nicht einfach jeder über die deutsche Sangeskunst lustig machen, wie es Žilnik in „Ich weiss nicht, was soll es bedeuten“ so trefflich gelingt, wo er einigen Männern beim Singen von „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten“ zusieht. In den 70er Jahren war es zumindest für einen jugoslawischen Künstler ein Sakrileg sich darüber lustig zu machen. Doch sind wir heute so viel aufgeklärter, könnten wir uns mit Želimir fragen. Wir leben in einer Gesellschaft in der wir scheinbar jede Unterdrückungsform ablehnen und sogar den Juchtenkäfern ein Lebensrecht zugestehen. Aber wir sehen ungerührt zu, wie vor der Festung Europas Tausende Menschen im Mittelmeer umkommen.

Mangelnde Ehrfurcht vor allen Autoritäten

Wo ist der Filmemacher, der darüber einen ähnlich treffenden Kurzfilm machen kann, wie es Želimir mir „Paradies“ und „Öffentliche Hinrichtung“ gelungen ist? Seinen schwarzen Humor können wir seinen über einstündigen Film „Eine imperialistische Tragikomödie“ bewundern, in der er vor dem Hintergrund der staatlichen RAF- und Sympathisantenjagd eine verwickelte Story konstuiert, in der sich eine bankrotte Unternehmern eine Selbstentführung inszeniert um sich nachher als Terroristenopfer vor der Kamera zu präsentieren. In dem Film finden sich viele witzige Anspielungen auf die staatliche Terroristenjagd. Aber auch die in den 70er Jahren realexistierende Linke wurde von Želimir immer wieder parodiert. Mit seiner mangelnden Ehrfurcht vor allen Autoritäten eckte er auch in Jugoslawien unter Tito an, aber zum Oppositionellen oder Dissidenten taugte er nicht. Es ist zu begrüßen, dass das Arsenal-Kino mit einer Filmreihe diesen außergewöhnlichen Filmemacher etwas mehr bekannt macht. Vielleicht wird ja auch mal im Fernsehen einer seiner Filme gezeigt? Denn könnte man zumindest die Frage beantworten, ob wir heute humaner und demokratischer sind


Ehrung für Walter

Wer noch etwas mehr Kunst aus Jugoslawien sehen möchte und im Umkreis von Berlin lebt, dem sei ein Besuch in der Weddinger Galerie Prima Center empfohlen. Noch bis zum 26.1. sind dort Werke von Künstlerinnen und Künstlern aus dem Ehemaigen Jugoslawien zu sehen. Schon der Titel der Ausstellung verrät, dass sich hier Künstler gegen den ethnischen Wahn wehren, der zur Zerschlagung Jugoslawiens führten. Walter war Titos Kampfname. Die Galerie ist ein kosmopolitischer Treffpunkt, in dem noch die Utopie eines Jugoslawiens gegen die Ethnisierung und den Nationalismus hochgehalten wird, der nach 1992 auf dem Balkan Einzug gehalten hat. In Berlin gibt es noch eine ex-jugoslawische Künstlergemeinde, die sich von dieser Nationalisierung nicht haben anstecken lassen. Sie halten auch und gerade jetzt noch, die Utopie eines Jugoslawien hoch, dass sich hätte weiterentwickeln können, wenn Menschen aus ganz Europa gegen die wesentlich von Deutschland ausgehenden Ethnisierung und ihre blutigen Folgen Widerstand geleistet hätten.

Peter Nowak

Link zur Werkschau von Žilnik:

http://www.arsenal-berlin.de/kino-arsenal/programm.html

Die besprochenen Filme sind am 24.1. noch mal in dem Kino zu sehen.

Noch bis zum Sonntag läuft die Ausstellung "Das ist Walter" im Prima Center im Wedding.

http://www.prima-center.net/Exhibitions2013/DAS%20IST%20WALTER.htm

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Geschrieben von

Peter Nowak

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