So kann man mit Menschen nicht umgehen

Austellung Zwangsräumung Im Kreuzbergmuseum werden Fotos über den aktuellen Mieter_innenwiederstand gezeigt. Auch in Spandau und Staaken wehren sich Menschen gegen Zwangsräumungen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Um das Kottbuser Tor ist in den letzten Wochen eine Debatte der Entsolidarisierung entbrannt. Geschäftsleute, manche waren selber in der Linken aktiv, rufen nach mehr Polizei, weil das Elend der Welt auch vor dem Kotti nicht halt macht. Besonders negativ hat sich da der Besitzer des Cafe Kotti hervorgetan, der als sich in der Presse als kleiner Sarrazin gerierte und nicht mit rechtspopulistischen Ausfällen sparte, wenn er erklärt, am Kotti würde jeden Tag passieren, was in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof geschehen ist. Dass man über reale Probleme im Zusammenleben mit Menschen unterschiedlicher Klassenlagen auch anders als rechtspopulistisch umgehen kann, hat der Autor Raul Zelik nach seinen Überfall im Görlitzer Park vor zwei Jahren gezeigt. Er hat die Probleme ohne Law and Order-Geschrei benannt und nicht wie ein kleiner Sarrazin aufgeführt.

Dass es auch rund um den Kotti solidarische Strukturen gibt, beweist die Existenz der Protesthütte von Kotti und Co., die im Protest gegen Mieterhöhungen von Anwohner_innen errichtet wurde. Auch am Kotti befindet sich das Kreuzbergmuseum. Dort ist im Treppenhaus die Ausstellung „Ob Nuriye ob Kalle, wir bleiben alle“ zu sehen. Es ist eine Geschichte des neueren Berliner Mieter_innenwiderstands. Menschen, die zwangsgeräumt werden sollen, suchen nicht mehr die Schuld bei sich, sondern sehen Räumungen als gesellschaftliches Problem, suchen sich Unterstützer_innen und wehren sich.

Nicht nur in linken Stadtteilen wehren sich Menschen

Sie lassen sich dabei von einer Devise leiten, die der Protagonist des sehenswerten Films „Der Wert des Menschen“ ganz am Beginn zu seinen Fallmanager im Jobcenter sagte: „So kann man mit Menschen nicht umgehen“. Damit meinte er das Parken von Erwerbslosen in sinnlosen Jobtrainingsmaßnahmen, bei denen hinterher Frust aber kein Job rauskommt. „So kann man mit Menschen nicht umgehen“, könnte auch die Devise hinter all den Fotos von Aktionen gegen die Zwangsräumung sein, die in der Ausstellung zu sehen sind. Dabei wird deutlich, es hat nicht nur in den linken Bezirken Neukölln und Kreuzberg Widerstand gegen Zwangsräumungen gegeben. Es sind auch Fotos von Protestaktionen in Spandau und Staaken zu sehen. Nach der Räumung von Alis Blumenladen in Spandau wollte sich der Besitzer vom Dach stürzen und konnte nur mit Mühe von Freund_innen davon abgehalten werden. Das macht deutlich, welche menschlichen Schicksale mit r jeder Räumung verbunden sind. So kann man mit Menschen nicht umgehen, drücken die Gesichter jeder und jedes einzelnen Beteiligten an den Protesten gegen eine Zwangsräumungen aus, ob sie in Staaken, in Spandau, Kreuzberg oder Neukölln stattgefunden hat.

Der wissende Blick

Es ist auch eine Kampfansage an den Kapitalismus, wenn es vielleicht auch die einzelnen Beteiligten noch nicht wissen. Denn im Kapitalismus kann man mit Menschen so umgehen. Sie sind in dem System nur für die Verwertung interessant und wenn sie sich nicht verwerten lassen, werden sie ausgespuckt. So wie die Rentnerin Rosemarie F., die am 11. April 2013 kurz nach ihrer Zwangsräumung gestorben ist. Vorher war sie noch Teil der Protestbewegung, hat sich mit dem Bündnis gegen Zwangsräumungen kontaktiert und sich Demonstrationen beteiligt. In der Ausstellung gibt es Fotos über die Proteste und ein Foto, auf der zu sehen ist, wie ihre Beerdigung eine Manifestation gegen den Umgang mit Menschen im Kapitalismus wurde. Dort wurden keine Parolen gerufen, es wurden keine politischen Reden gehalten, es sind keine Transparente zu sehen, doch es ist der Blick der Menschen, der deutlich macht, hier haben einige in wenigen Wochen viel über ein System gelernt, das so mit den Menschen umgeht.

Peter Nowak

11. März bis 12. Juni 2016

Foto-Ausstellung "Ob Nuriye, ob Kalle - wir bleiben alle!"

Hier der LInk zur Ausstellung:

http://www.fhxb-museum.de/index.php?id=397

Sie wurde vom Umbruch Fotoarchiv konzipiert.

http://www.umbruch-bildarchiv.de/willkomm1.html

Montag, 11. April 2016, 19:00 Uhr

Gedenkveranstaltung zum 3. Todestag von Rosemarie Fliess l Dachgeschoss des FHXB Museums

Im Rahmen der Wechselausstellung „Ob Nuriye, ob Kalle – wir bleiben alle!“ findet zum 3. Todestag von Rosemarie Fliess eine Lesung aus dem Buch Rosemarie F. Kein Skandal mit der Autorin Margit Englert statt.
Foto: Christina Palitzschhttp://www.fhxb-museum.de/typo3temp/pics/610f6df16f.jpg

http://www.fhxb-museum.de/index.php?id=19

Peter Nowak

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden