Soll man Moslems helfen?

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Über eine gefährliche Diskussion anlässlich der Flutkatastrophe in Pakistan

Immer wenn irgendwo auf der Welt Massen von Menschen durch Naturkatastrophen oder oft von Menschen gemachte Hungersnöte in Not sind, setzt die Diskussion über die Sinnhaftigkeit von Spendenkampagnen ein. Kommen die überhaupt an die richtigen Adressaten? Werden damit nicht nur die wahren Ursachen zugekleistert? Das sind einige der Fragen, die in den Medien, nicht nur in Deutschland, diskutiert werden. Anlässlich der Flutkatastrophe in Pakistan tritt eine neue Frage hinzu. Sollen wir den gläubigen Moslems helfen oder sollen wir hoffen, dass Allah, den sie so sehr anbeten, ihnen hilft.

Solche Thesen werden aber nicht auf irgendwelchen speziellen Internetseiten sondern auch in der Taz diskutiert.

Dort schrieb (www.taz.de/1/politik/asien/artikel/1/kein-herz-fuer-mullah-omar/) der Redakteur Deniz Yücel, der bisher mit schlauen Beiträgen in der Jungle World oder der taz aufgefallen ist, was sicher nicht nur ihm in der letzten Zeit an der pakistanischen Innenpolitik negativ aufgefallen ist:

„Geschieht irgendwo in der Welt irgendetwas, durch das sich Muslime beleidigt fühlen (und das ist eine ganze Menge), strömen als Erstes in Islamabad, Karatschi oder Rawalpindi bärtige Männer und ganzkörperverschleierte Frauen auf die Straßen, verbrennen Fahnen und wünschen lauthals irgendwem den Tod. Dass sie an ihren Füßen häufig kaum mehr als ein Paar Sandalen aus Autoreifen tragen, scheint diese Leute weniger zu stören als die Veröffentlichung irgendwelcher Karikaturen in einem 5.000 Kilometer entfernten Land. Unter den dauerbeleidigten Leberwürsten, als die sich die Muslime so gerne präsentieren, sind die Pakistanis die Ultras. Aber sie sind keine Hinterwäldler. Auf ihre Weise nehmen sie am Weltgeschehen teil; erst im Juni wieder, als man gegen den Facebook-Gründer Mark Zuckerberg protestierte, weil User der Seite zu einem Mohammed-Karikaturen-Wettbewerb aufgerufen hatten.“

Die Kritik an dieser reaktionären islamistischen Seite der pakistanischen Innenpolitik ist berechtigt. Doch was hat sie mit der momentanen Notlage wegen des Hochwassers zu tun?

Yücel gibt die Antwort:

"Möge es dir Gott geben", lautet eine türkische Redewendung, mit man Bettler abwimmelt, denen man nichts geben möchte. Man ist versucht, den Pakistanis diese Phrase zuzurufen. (Wie man geneigt ist zu wünschen, Mullah Omar und die Seinen mögen in ihren Höhlen untergehen.)“


Nun bekommt der Autor einige Zeilen weiter doch noch die Kurve und befürwortet Hilfe für Pakistan, unter anderem mit dem Argument, dass es in dem Land auch noch Menschen gibt, „die sich gegen sich gegen die unerträglichen Zustände wehren“ und die Kinder, die nun wirklich nicht für den Islamismus in die Verantwortung genommen werden können. Auch dass den Islamisten bei der Caritas in Pakistan nicht das Feld überlassen werden darf, führt Yücel als pragmatisches Argument ein, doch noch in Pakistan zu helfen.


Bisherdiskutierten nur religiöse Fundamentalisten so


Doch sind es nicht schon solche Debatten, die ja, die Islamisen sind keine Hinterwäldler,auch weltweit im Netz wahrgenommen werden, die genau diesen Kräften in die Hände spielen? Die Verbindung von Naturkatastrophen mit irgendwelchen politischen und gesellschaftlichen Erscheinungen war bisher das zweifelhafte Monopol von religiösen Fundamentalisten jedweder Provenienz. So haben pakistanische Islamisten die Flut als Strafe Allahs für die Kooperation der pakistanischen Regierung mit den USA interpretiert. Vor Jahren haben schon islamistische aber auch christliche Fundamentalisten in den USA den Hurrikan Katrina als Strafe Gottes für das in ihren Augen sündige Leben in den USA gewertet. Selbst in die islamistischen Anschläge vom 11.9.2001 phantasierten auch manche christlichen Ultras eine Reaktion Gottes gegen das moderne Sodomund Gomorrha.

Wenn jetzt umgekehrt diskutiert wird, ob die Opfer von Naturkatastrophen in Ländern mit hohen Islamistenanteil sich selber helfen sollen bzw. ihren Allah darum bitten sollen, bekommt diese absurde Debatte aus Fundamentalistenkreisen plötzlich eine gesellschaftliche Relevanz. Dagegen sollte an den emanzipativen Grundsatz festgehalten werden, dass irgendwelche Naturereignisse getrennt von den gesellschaftlichen Umständen des betroffenen Landes diskutiert werden müssen. Die Flut ist keine Strafe irgendeines Gottes und die Soforthilfe sollte ebenfalls nicht auf diese Weise instrumentalisiert werden. Der einzige diskutierbare gesellschaftliche Bezug zu solchen Naturkatastrophen in Pakistan und anderswo ist die Frage, welchen Anteil der kapitalistische Ressourcenverbrauch und die kapitalistische Art des Wirtschaftens im globalen Norden für die Wetterveränderungen haben.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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