Soziale Unruhen erwünscht!

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Für die Herausbildung einer kämpferischen Interessenvertretung sind sozaile Unruhen das beste was passeiren kann, aber auch sie brauchen Organisation

Die Angst vor den gefährlichenKlassen geht um bei den Herrschenden.Union und die SPD streiten zur Zeit darüber, ob es nicht schon tabu sein sollte, über mögliche soziale Unruhen auch nur zu reden. Dabei wären soziale Unruhen unbedingt nötig, aber nicht im Diskurs der Herrschenden sondern auf der Straße.

Die Wut bei vielen Menschen ist groß. Dafür sorgtnicht in erster Linie dieaktuelle Krise. Für Erwerbslose beispielweise hat die Krise spätestens mit Hartz IV begonnen, bei viele n Studierenden mit der Einführung des Bachelor und bei Kassiererinnen im Supermarkt mit der Ausweitung der Ladenöffnungszeiten. Die aktuelle Krise führt nur dazu, dass der Appell des Gürtel enger schnallen noch aufdringlicher und lauter zu hören ist.Deswegen ist die ständige Beteuerung, die Krise sei bei den Menschen noch nicht angekommen, auch völlig falsch. Für vieleMenschen ist die Krise längstAlltag.

In dieser Situation geben alle möglichen Menschen ungebetene Ratschläge über den Umgang der Menschen mit der Krise. Dabei wäre es Zeit, dass die Menschen auf die Straße gehen. Vielleicht ist ja der Proteste gegen HartzIV vom Sommer 2004, alsTausende in vielen Städten auf die Straße gingen, ein VorbildDamals zeigte sich, dass die Wut zwar nicht verraucht, aber die Proteste ohne Organisierung schnell an Kraft verlieren.

Deswegen wäre die aktuelle Aufgabe der linken Gruppen und Zusammenhänge, die sich mit sozialen Protesten befassen, die Organisierung der Betroffenen.Das Bündnis der Krisendemo am 28.März hat in diesem Sinne erfolgreich agiert. EinesolcheHerangehensweise prägt auch das Mayday-Bündnis in Berlin. Es organisiert seit mehreren Jahren die Mayday-Parade gegen prekäre Lebens- und Arbeitsverhältnisse.Dabei sind ihm konkrete Organisierungsprozesse im Alltag wichtig. Es willGegenwehr und Selbstorganisierungsprozesse der von den Zumutungen des kapitalistischen Alltags Betroffenenfördern.Dies aus der Erkenntnis, dassemanzipatorischer Widerstand nur möglich ist, wenn die Menschen erkennen, dass sie sich mit anderen zusammenschließen müssenund dann in der Lage sind, ihre Situation zu verändern. In diesen Erkenntnisprozess, der in praktischen Aktionen gewonnen wird, nehmen sich die Menschen als gesellschaftlich handelnde und agierende Wesen war. Ein kleines Beispiel ist die Aktion „Niemand muss allein ins Jobcenter“, bei der mit Erwerbslosen eine solidarische Begleitung bei dem Gang zum Fallmanager organisiert wird. In Berlin wird am 28.April ab 10 Uhr vor dem Jobcenter Neukölln diese Aktion organisiert.

Diese Welt soll unser sein

Eine Zeile derInternationale hieß: „Diese Welt soll unser sein“.Dieser Optimismus der alten ArbeiterInnenbewegung hat wesentlich dazu beigetragen, dass sie zeitweise zu einer geschichtsmächtigen Kraft wurde und in dieser Zeit zur Zähmung des Kapitalismus beigetragen hatte. Wir leben in einer Epoche, in der die ArbeiterInnenbewegung theoretisch und praktisch entwaffnet wurde. Vielen Menschen ging die Erkenntnis verloren, Teil einer Gesellschaft zu sind, die sie auch verändern können. Diese Erkenntnis muss in konkreten Alltagskämpfen wieder zurück erobert werden. Es geht also um nichts geringeres, als die Neukonstruktion einer kämpferischen, kollektiven Interessenvertretung, die einmal gewiss nicht falsch Klassenkampf genannt wurde.Soziale Unruhen können dazu beitragen, dass sich eine solche kämpferische Interessenvertretung wieder konstituiert.

Die Angst der herrschenden Klassen und Staatsapparate schon im Vorfeld lässt erahnen, was kollektiver Protest bewirken kann. Es ist schon bezeichnend, dass in diesen Kreisen solche Unruhen als Gefahr gesehen werden.

Von gefährlichen Klassen und gefährliche Orte

Die gefährlichen Klassen haben wieder Einzug in den herrschenden Diskurs gehalten. Die sollen möglichst nicht durch die Viertel der Herrschaft laufen, wie das Teilverbot für die Route des diesjährigen Berliner Mayday durch die Friedrichstraße zeigt. Schon der Antikrisendemo am 28.März war die Route vorbei t an den Filialen von Banken und Konzernzentralen untersagt worden. Aber auch in den Wohnviertel der Proletarisierten und Prekären gibt es sogenannte „Gefährliche Orte“, die besonderer Überwachung unterzogen werden. Der Berliner Mayday wird am29. April auf dem Berliner Hermannplatz, einem dieser gefährlichen Orte, in Wort und Video aktuelle Beispiele von sozialen und Arbeitskämpfen vorstellen.Gerade an Plätzen, deren Nutzer und Bewohner oft keinerlei Interessenvertretung in Gewerkschaften und gesellschaftlichen Organisationen haben, soll deutlich gemacht werden, dass soziale Kämpfe viele Gesichter haben. Die sind auch hierzulande längst nicht nur weiß und deutsch.

Ein sozialer Kampf ohne Ausgrenzung kann verhinder, dass rechte Gruppierungen von sozialen Protesten profitieren. Mit diesem Argument wird offiziell mit viel Heuchelei oft vor den Protesten gewarnt. Das ist ein durchschaubares Kalkül Die staatlichen Organe wollen die NPD lieber über VS-Leute steuern als verbieten. Und sie wollen sie gleich mehrfach gegen soziale Proteste nutzen. Als Warnung im Vorfeld und alsSchlägergruppe, wenn sich eine soziale Bewegung mit emanzipatorischen Inhalt nicht gleich integrieren lässt.

In Island zumindest hat eine große soziale Bewegung der letzten Monate mit dazu beigetragen, dass die wirtschaftsliberalen Parteien abgewählt und die Reformlinke die Mehrheit bei den Parlamentswahlen bekommen hat. Bald dürfte die Protestbewegung merken, dass ihre Interessen im Parlament nicht gut aufgehoben sind und wieder auf die Straße gehen. .In Deutschland aber müsste sich eine Protestbewegung, über die soviel geredet,endlich bilden.Gründe gibt es genug.

Peter Nowak


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Geschrieben von

Peter Nowak

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