Theater des Kommunismus 2

Atlas des Kommunismus Dieses Theaterstück von Lola Arias wirft einen anderen Blick auf die Geschichte der DDR, aber auch über die unabgegoltene Utopie des Kommunismus

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„Die Dummheit der Genossen ist kein Argument gegen den Kommunismus“. Dieses leicht veränderte Bonmot von Ronald M. Schernikau sagte Tucké Royale fast am Ende des Stücks und sorgte dafür, dass Atlas des Kommunismus“ mehr wurde als ein Befindlichkeitsstück gekränkter Ossis und Ossas. Kommunist_innen aber klagen nicht über zerstörte Biographien sondern überlegen, ob man in einem Deutschland, in dem ein Großteil der Bevölkerung ganz freiwillig den Nazis beim Massenmord an den Jüdinnen und Jude zur Hand ging, ohne eine Stasi überhaupt einen Staat aufbauen konnte. Sozialismus war das dann freilich nicht, konnte es nicht sein. Doch die Dummheit der Deutschen ist kein Argument gegen den Kommunismus, könnte man Schernikau noch weiter zitieren.

51 Jahre nach der Reichspogromnacht siegte der deutsche Nationalismus

Mit Salomea Genin und Monika Zimmering stellen sich gleich zwei Jüdinnen im Stück vor, die nach 1945 bereit waren, trotz der Shoa in der DDR einen sozialistischen Staat auf deutschen Boden aufzubauen. Ziemlich am Anfang werden dann die bekanten Szenen vom 9.November 1989 gezeigt. Der deutsche Nationalismus feierte seinen größten Sieg ausgerechnet 51 Jahre nach der Reichspogromnacht. Im Stück wurde dieser Zusammenhang am Anfang ziemlich deutlich. Doch es ist die Frage, ob er im Publikum von vielen wahrgenommen wurde. Du ob sich manche auch die Frage stellten. Ob die so vielgeschmähte Überwachung in der DDR vielleicht auch was mit der Angst der Kommunist_innen, Jüdinnen und Juden in der DDR zu tun haben könnte, die in der DDR Staat mache wollten und sich ja tatsächlich kein anderes Volks wählen konnten, wie Brecht unkte. Sie gerieten unter die Deutschen und da war diese Überwachung vielleicht auch ein Selbstschutz. Eine Szene aus Heiner Müllers „Wolokalamsker Chaussee“ fällt mir dazu ein: Ein Kommunist, der im KZ zum Krüppel geschlagen wurde, hatte einen NS-Täter als Untergebenen, der sich angeblich im Schnellkurs nach Kriegsende zum Antifaschisten gemausert hat. Dann kam der 17.Juni 1953, der erste Versuch des nationalen Erwachens in Deutschland und als die Parteihäuser und die Redaktion des Neuen Deutschland brannten, schraubte der Ex-Nazi das Schild des Kommunisten vor der Tür ab und sagte, dass jetzt wieder andere Zeiten anbrechen, alte andere Zeiten. Kann jemand den Kommunist_innen und der Minderheit der Jüdinnen und Juden verdenken, dass sie dieses „Volk“ überwachten? Dass sie wissen wollen, wann sie die nächste nationale Erhebung planen? Eigentlich hätten sie sich sagen müssen ,dass man mit „Volk“ auch keinen Sozialismus machen kann. Im Stück ist es die DDR-Subkulturelle Jana Keller, die als Unangepasste im Knast landete, die Monika Zimmering an einer Stelle barsch sagte: Es sei gut, dass sie da und da nicht dabei war, weil solche wie sie sonst überall mit dabei waren. Solche wie sie, die jüdische Kommunistin? Es war der in Quedlinburg geborene und sich im Kampf gegen die Neonazis in de 1990er Jahren politisierende Tucké Royale, der im Publikumsgespräch die Befürchtung äußerte, die er hatte, als er von dem Konzept für das Stück erfuhr. Es könnten gerade die beiden jüdischen Kommunistinnen dafür angefeindet werden, dass sie sich für die DDR und eine sogar für die Zusammenarbeit mit dem MfS entschieden haben.

Ein Stück kommunistische Utopie

Tucké Royale war es auch, der in das Stück noch auf eine kommunistische Utopie hineinbrachte, die in der DDR bestimmt nicht zu finden war.

Ronald M. Schernikau, der schwule Kommunist, der sich in die DDR einbürgern ließ, kurz bevor sie verschwand und der drei Jahre später starb ,könnte tatsächlich Hinweise auf einen solchen zukünftigen Kommunismus ohne Patriarchat, ohne Nation und ohne Helden geben, dessen Hymne “Raven gegen Deutschland“ heißt. In diesen utopischen Momenten, in dem das Stück sich von einer DDR-Befindlichkeit löste, liegt seine wahre Stärke.

http://www.gorki.de/de/atlas-des-kommunismus

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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