Theater des Widerstands

Theaterkapelle, Wenn es demnächst in Deutschland eine Theaterbesetzung geben würde, dann könnte sie in Friedrichshain stattfinden unter dem Motto "Die Kunden werden unruhig.

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Einige Wochen hing an einer Wand neben der Theaterkapelle in der Boxhagener Straße 99 in Berlin-Friedrichshain ein weißes Lacken mit der gesprühten Botschaft „Die Kunden werden unruhig“. Sollte hier ein neuer Widerstandsherd entstanden sein? Noch im letzten Jahr hingen gegenüber der Theaterkapelle ähnliche Transparente aus dem Fenster, die davon kündeten, dass wohl einzelne Mieter_innen unruhig geworden sind. Sie hatten es sogar geschafft, im März letzten Jahres die Baumfällarbeiten im Garten zu behindern. Die waren der Beginn für eine Modernisierung des Hauses. Die unruhigen Mieter_innen waren schnell marginalisiert und sind irgendwann ganz verschwunden, wie die Transparente mit ihren Botschaften. Und nun hat die Unruhe die Straßenseite gewechselt. Dort kämpft mit der Theaterkapelle eine Kultureinrichtung ums Überleben, die den Titel freie Szene nicht zu Unrecht trägt. Die ehemalige Kapelle ist in den letzten Jahren ein Ort für eine Kultur und auch eine Politik geworden, wie sie in den gentrifizierten Städten selten geworden ist. In der Theaterkapelle braucht der Widerstand gegen den Kapitalismus nicht theoretisch begründet werden..

Bühne als Notfallstation

Der Theaterraum ist zu einer Notfallstation umgewandelt worden. Der Patient ist das Theater selber oder die freie Kunst. Von der Decke tropft Wasser, Putz rieselt und die losen Kabel, die herumhängen werden beim Betreten der Spielstätte besonders misstrauisch beäugt. Bloß nicht zu nahe kommen, schließlich könnten die Drähte unter Strom stehen, so wie das Knistert.

In den nächsten Tagen gibt es die Gelegenheit, selbst Teil dieser Installation zu werden. Am 23., 26. 30.10. ist dort das von Stück „Die Kunden werden unruhig“ wieder aufgeführt wird. Das Transparent sollte auf das Stück hinweisen. Dazu gibt es noch einige Plakate, die drei Schauspieler mit Tiermasken und einer Knarre vor einen Bankautomaten im Stadtteil zeigen. Wäre jetzt ein Agitprop-Theater erwartet, würde enttäuscht. Es geht um die Psychologie derjenigen, die im Kapitalismus funktionieren müssen und dabei scheitern. Ein Dreier-Team in einer Bank kämpft mit Burnout, Langeweile, Lebensüberdruss, eben all den Phänomenen, denen wir mit Pillen und Medikamenten tagtäglich zu Leibe zu rücken versuchen. Der Bankangestellte, die Führungskraft und die Personaltrainerin breiten so mehr als zwei Stunden ihr Innenleben auf der Bühne aus. Am Ende platzt der Mond respektive eine Melone und das Publikum muss sich durch die Spuren des bemerkenswerten Theaterabends in Freie bahnen.

Warum nicht ein Theater besetzen?

In der Theaterkapelle wird Widerstand nicht nur auf der Bühne gespielt, so lange die Finanzierung nicht ungesichert bleibt, ist jeder Tag, an dem geöffnet ist, Widerstand. In Rom hat eine Theaterbesetzung vor einigen Monaten Impulse für einen Widerstand verschiedener von der Krise betroffener Menschen gegeben. Wenn das Beispiel nach Berlin exportiert werden könnte, dann vielleicht in die Friedrichshainer Theaterkapelle. Die Transparente sind ja schon gemalt und die Parole gibt es schon: „Die Kunden werden unruhig und vielleicht auch wütend“.

Peter Nowak

Die Kunden werden unruhig,

Regie: Christina Emig-KönningProduktionsleitung: Chris WohlrabDramaturgie: Carsten WilhelmAssistenz: Dajana DomkeLicht: Alex ZunderTon: Daniel HochBühne: Marc Strohfeld

Weitere Aufführungen: 28. und 29. September; 23. / 26. und 27. Oktober; 8. / 9. und 10. November jeweils um 20 UhrEintrittskarten 13,- € / ermäßigt 9,-

Boxhagener Str.99, Berlin-Friedrichshain

http://foerderband.org/_data/Kunden_werden_unruhig.pdf

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Geschrieben von

Peter Nowak

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