Revolution und Leidenschaft

Tina Modotti Noch bis zum 4. Februar können die Fotos der italienisch-mexikanischen Künstlerin im Freiraum für Fotografie betrachtet werden. Die Chance sollte man sich nicht entgegen lassen. Denn ihre Arbeit ist noch immer recht unbekannt

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Tina Modotti ist mir bisher als unermüdliche Aktivistin der frühen kommunistischen Bewegung aufgefallen. Sie spielte eine wichtige Rolle in der Kommunistischen Internationale (KI, in der von ihr mitgegründeten Internationalen Roten Hilfe (IRH). Sie arbeite oft im Hintergrund in den 1930er Jahren in Komitees zur Solidarität mit dem republikanischen Spanien. Nach der dortigen Niederlage gegen den Faschismus ging sie in ihre mexikanische Wahlheimat zurück, wo sie sehr bald an einen Herzinfarkt starb. Es wird in der Literatur oft beklagt, dass Modotti ihre künstlerische Arbeit zugunsten ihres politisches Engagements vernachlässigt habe. Die im Kunstraum Fhochdrei gezeigten Fotoarbeiten machen aber deutlich, dass es hier keinen Unterschiede gibt. Modotti war eine Exponentin der sozialrevolutionären Fotografie. Das wird auch in den Aufnahmen deutlich, die vordergründig keinen direkten politischen Bezug haben. Sie zeigt stolze Bäuerinnen und Bauern, Arbeiter*innen, arme Menschen, die selbstbewusst in die Kamera blicken. Ein Foto zeigt eine ältere mexikanische Frau, die eine große schwarz-rote Fahne trägt. Oft wurde angenommen, sie wäre Teil einer linken Demonstration damit. Doch in der Erklärung wird bezweifelt, ob die Frau vielleicht zu einer Festivität gegangen war. Die Farbe schwarz-rot ist eben in Mittelamerika nicht nur ein anarchosyndikalistisches Symbol. Damit wird deutlich, wie schwierig es manchmal mit der Interpretation der Foto ist.



Ein Foto ihres toten Freundes im Nachlass



In einer eigenen Abteilung finden sich die explizit politischen Fotoarbeiten. Man sieht Arbeiter*innen im Streik bei Demonstrationen und Versammlungen, aber auch bei der Arbeit in der Fabrik oder auf dem Feld. Auch Fotos der Kommunistischen Partei Mexikos, ihren Jugendverband und den ihr nahestehenden Gewerkschaften sind zu sehen. Modotti war selber Mitglied der Kommunistischen Partei, aber deshalb durchaus keine Freundin des Stalinismus. Als sie am 6. Januar im Taxi auf der Fahrt von einer Konferenz an einen Herzinfarkt mit 48 Jahren starb, wurde unter ihrem spärlichen Nachlass ein Foto ihres Freundes und Genossen Julio Antonio Mello auf dem Totenbett gefunden, eines ihrer bekannten Fotos, das auch in der Ausstellung zu sehen ist. Melle war von den Schergen des Regierung 1929 ermordet worden. Das Regime versuchte Modotti ihren Freund aus Eifersucht ermordet zu haben. Sie blieb längere Zeit in Haft. Auch vorher wurde sie Mexiko schon als Linke verhaftet und ausgewiesen. Nach ihrem Tod widmeten ihr Künstler*innen wie Pablo Neruda Poeme. Es wäre schön, wenn die am Wochenende zu Ende gehende Exposition nicht die letzte Möglichkeit ist, ihre Kunst zu sehen. Etwas irritierend ist nur, warum die Galerie Modotti als eine der „schillerndsten Figuren der Fotogeschichte“ beschreibt. Sie war eine Revolutionärin in der Kunst und im Leben.


Peter Nowak

REVOLUTION UND LEIDENSCHAFT

TINA MODOTTI

19. November 20225. February 202

Mi-So: 13- 19 Uhr

https://fhochdrei.org/tina-modotti/


f³ – freiraum für fotografie
Waldemarstraße 17
10179 Berlin





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Geschrieben von

Peter Nowak

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