Tragödie der Spaltung

telegraph Die aktuelle Doppelausgabe der Zeitschrift der linken DDR-Opposition beschäftigt mit der spanischen Revolution und der innerlinken Spaltung.

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In den letzten Monaten war der Eingang des Hauses der Demokratie (HdD) in Berlin mit vielen Plakaten beklebt, auf denen politische Statements zu lesen waren? Erstaunlich, denn das einst von der linken DDR-Opposition gegründete Haus ist längst zum Domizil von Nichtregierungsorganisationen gewesen, die den politischen Protest mit Wandzeitungen nicht zu ihren bevorzugten Aktionsmittel zählen.

Doch bei der ungewöhnlichen Wandausstattung handelte sich um den ersten Teil einer Ausstellung über ein historisches Ereignis, vom dem ein Teil der Linken als spanische Revolution und ein anderer als spanischer Bürgerkrieg spricht. Allein die Bezeichnung spaltet auch 80 Jahre später noch die Linke. Einigkeit besteht nur darin, dass die Ereignisse auf der iberischen Halbinsel zwischen 1936 und 1936 weltweite Auswirkungen hatten. Deshalb beteiligten sich Linke unterschiedlicher Couleur in Spanien am Kampf gegen die rechten Putschisten. Sie wollten damit auch den Vormarsch des Nationalsozialismus und Faschismus stoppen, die hinter ihnen standen und sie großzügig förderten. Doch während Kommunist_innen und Teile der Sozialist_innen die bürgerliche Republik erhalten wollten, stritten die in Spanien starken Anarchist_innen und der linke Flügel Sozialist_innen für die soziale Revolution. Die Differenzen wurden auch blutig ausgetragen und spalten die Linke noch heute. Jetzt macht die Redaktion der Zeitung telegraph in einem Sonderheft zur bereits beendeten Ausstellung deutlich, dass man nach 80 Jahren alle an den Kämpfen gegen den Franco-Faschismus beteiligten würdigen kann, ohne beliebig zu werden.

Repressive Politik der KomIntern angeprangert und die Kommunist_Innen doch gewürdigt

Schon im Titel „Tragödie der Freiheit - Revolution und Krieg in Spanien (1936 – 1939) wird deutlich, dass knapp 200 Seiten die unterschiedlichen Perspektiven der an der Auseinandersetzung beteiligten dargestellt werden. Am Titelblatt wird ein kämpferisches Bild reproduziert, dass Werbung für die Internationalen Brigaden machte und in einen Archiv der Kommunistischen Internationale in Moskau gefunden wurde. In anderen Texten wird auf die repressive Politik der Komintern gegen andere Linke eingegangen. So beschreibt Werner Abel ein „trauriges Kapitel“ in der Geschichte der KomIntern, als sie mit Schwarzen Listen auf die Jagd auf linke Kritiker der stalinistischen Politik machte. Dabei werden auch bisher unveröffentlichte Originaldokumente gezeigt. Am Beispiel des Sozialdemokraten Robert Stemmann zeigt Abel, wie Linke, die nicht auf der Linie der Sowjetunion lagen, schikaniert wurden. Er wurde kurz nach dem Eintreffen in Spanien verhaftet. Erstmals wird dokumentiert, wie er vergeblich seine Freilassung forderte und wissen wollte, was gegen ihn vorlag. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

Mielke beteiligte sich schon in Spanien an der Verfolgung von Linken

Mit Erich Mielke, der unter dem Pseudonym Fritz Leissner an der Verfolgung von kritischen Linken in Spanien beteiligt war und Valentin Gonzalez, der sich später vom Stalinisten zum militanten Antikommunisten wandelte, werden zwei Männer aus dem Komintern-Apparat vorgestellt. Doch auch mit der anarchistischen Seite gehen die Autoren des Sonderbandes kritisch ins Gericht. So werden inneranarchistische Stimmen zitiert, die von einem Bankrott der eigenen Politik sprachen. Vorgeworfen wurde ihnen, dass sie in der kurzen Zeit ihrer Regierungsbeteiligung viele ihrer ursprünglichen Grundsätze über Bord geworfen hätten. Mit einem Kapitel über die Beteiligung von Jüdinnen und Juden am Kampf gegen den Faschismus auf spanischen Boden wird auf ein bisher in der Forschung wenig beachtetes Thema angesprochen. Die von linken DDR-Oppositionellen gegründete Zeitschrift telegraph macht so mit dem Sonderheft zu Spanien deutlich, wie ein Umgang auch mit den Kontroversen mit linker Geschichte aussehen kann. Es werden klare Positionen bezogen, doch keiner der am Kampf Beteiligten wird abgesprochen, dass sie subjektiv Teil des weltweiten Kampfes gegen Faschismus waren. Sie stehen damit in der Tradition von Peter Weiss, der in seinen Monumentalwerk „Ästhetik des Widerstands“ die tragische Spaltung der Linken während der spanischen Revolution in den Mittelpunkt stellte. Auch Weiss zeigt, dass auch der Teil der autoritären Kommunist_innen, der an der Verfolgung anderer Linker beteiligt war, subjektiv meinten, einen Beitrag gegen Vormarsch von NS und Faschismus zu leisten. Das die Utopien, die vor 80 Jahren Millionen Menschen zur Solidarität mit der spanischen Revolution motiviert haben, heute noch immer aktuell sind, zeigen die zeitgenössischen Zitate, die für einige Wochen am Eingang des HdD zu lesen waren. Ein in einer anarchosyndikalistischen Gewerkschaft organisierte Arbeiter sagte 2012 in einem Film über die Zeit der Revolution: „Wir bewiesen, dass wir ohne Ausbeuter nicht mehr ausgebeutet würden und in einer Gesellschaft leben könnten, wie es sich gehört“. Dieses Motto sollten sich heutige Linke zu Eigen machen. Daher hätte es auch nach dem Ende der Ausstellung am Eingang des HdD und an anderen oppositionellen Orten stehen können.

Peter Nowak

Die telegraph-Sonderausgabe zum spanischen Bürgerkrieg kann bestellt werden über:

http://telegraph.cc/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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