Unionbusting als Gesellschaftssport

GDL-Streik Dass die GDL ihren Streik abrechen musste. liegt auch in der Hetze gegen kämpferische Kolleg_innen.

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In den letzten Tagen konnte man in Deutschland eine Mobilisierung gegen eine kämpferische Gewerkschaft erleben, die deutlich machte, wie fest das volksgemeinschaftliche Denken in Deutscland noch verankert ist.

Diese poltische und mediale Hetze hatte enorm zugenommen, nachdem die GDL am 20.Mai abermals in den Streik getreten ist. Berlins Boulevardpresse hetzt nicht nur in ihren Artikeln gegen den Streik des Zugpersonals. Am 20.Mai verwandt die B.Z. die Werbung für ihr Produkt mit Streikbruch. Unter der Losung „Wir sind stärker als der Streik“ mietete die B.Z. einen Sonderzug, und ließ ihn durch Berlin fahren. Die PR-Aktion reiht sich ein in einen medialen Chor, der den GDL-Streik als Angriff auf den deutschen Standort hochschrieben.

Angriff auf den deutschen Standort

Dabei wurde deutlich, wie schnell es gelingt, das volksgemeinschaftliche Ressentiment gegen eine Belegschaft zu mobilisieren, die zur Verteidigung ihrer Interessen nicht gleich an das Wohl von Staat und Nation denken. Dabei wurden Fakten schon mal großzügig außeracht gelassen, wenn Milliardenverlusten der deutschen Wirtschaft an die Wand gemalt wurden, obwohl Ökonomen klarstellten, dass sich ein solcher Effekt höchstens eingestellt hätte, wenn der Streik mehrere Wochen angedauert hätte. Dass ein erfolgreicher Arbeitskampf zu Profitausfällen bei den bestreikten Unternehmen führen muss, scheint in Deutschland kaum präsent. Das ist ein Hinweis darauf, wie die NS-Volksgemeinschaftsideologie nach 1945 in eine Verteidigung des deutschen Standorts transformiert wurde. Kämpferische Gewerkschaften, die auf konsequente Interessenvertretung statt auf Standortverteidigung setzen, waren in der Geschichte der BRD immer der geballten Hetze von Medien und Aktivbürgern ausgesetzt. Diese antigewerkschaftliche Hetze bekam rassistische Züge, wenn an den Streiks Lohnabhängige aus anderen Ländern beteiligt waren. So wurde der wesentlich von Arbeitsmigranten aus der Türkei getragene Ford-Streik im Jahr 1973 von einer Allianz aus DGB-Führung, Polizei und betriebseigenen Sicherheitspersonal niederbeschlagen. Als alles vorbei resümierte der Spiegel in klassisch rassistischer Diktion:

„Der Türkenstreik bei Ford endete mit einem Sieg der Deutschen: Von den besonderen Forderungen der Gastarbeiter wurde bis heute kaum eine erfüllt. Die Isolation der Türken blieb“. Damals waren es Betriebslinke, die gemeinsam mit türkischen Kollegen den Ausbruch aus der deutschen Standortlogik wagten. 4 Jahrzehnte später ist es die mehrheitlich deutsche GDL, die im Bündnis mit dem Beamtenbund steht, die den deutschen Standort nur deshalb herausfordert, weil sie auf kämpferische Interessenvertretung setzt.

Den normalen deutschen Weg verlassen

Der Taz-Wirtschaftsredakteur Richard Rother lässt einem Tarifexperten erklären, „wieso die GDL so absurd daherredet“. Dabei hat die GDL lediglich bei Streikbeginn nicht gleich mitgeteilt, wann er endet. Dass ist nun gar nicht selten und soll verhindern, dass das bestreikte Unternehmen sich so gut wie möglich, auf den Arbeitskampf vorbereitet. In vielen Ländern sind solche Momente der Unberechenbarkeit ein fester Bestandteil eines Arbeitskampfes. Aber für den deutschen Michel Richard Rother ist so viel Ausbruch aus der verregelten deutschen Gewerkschaftstradition schon eine Zumutung. In einem Kommentar fragt er nach dem Staatsverständnis der GDL und gleich noch des deutschen Beamtenbundes, weil die dem Zugpersonal nicht in den Arm fällt. Besonders empört ist Rother, dass die GDL mit dem Arbeitskampf das Tarifeinheitsgesetz aushebeln will. „Insofern trägt der kommende Ausstand Züge eines politischen Streiks, und der ist in Deutschland eigentlich verboten“, winkt Rother mit dem Gesetzbuch. Ansonsten weist er der GDL den juristischen Weg. „Soll ein ganzes Land wochenlang stillstehen und ein bundeseigenes Unternehmen geschädigt werden, weil der Beamtenbund nicht auf einen Richterspruch aus Karlsruhe warten will, wenn er Zweifel am Willen des Gesetzgebers hat? fragt Rother rhetorisch und setzt hinzu. „Das wäre ja der normale Weg“. Er vergisst hinzufügen, dass es normal ist für deutsche Gewerkschaften, die schon immer die Interessen des Standortes Deutschland mit denken, bevor sie überhaupt eigene Forderungen stellen. Es ist der GDL gerade hoch anzurechnen, dass sie diesen normalen deutschen Weg verlassen hat. Schade, dass sie nicht mindestens bis heute den Streik fortgesetzt hat. Schließlich soll heute das Tarifeinheitsgsetz verabschiedet werden und ein zeitgleicher GDL-Streik wäre ein richtiges Signal gewesen.

Peter Nowak

Link zu dem erwähnten Artikel von Richard Rother:

http://www.taz.de/!160108/

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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