Vergewaltigungsvorwurf nur ein Nebenwiderspruch?

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Was in der Debatte um Julian Assange oft ausblendet wird

Julian Assange ist der Medienstar dieser Tage. Für seine Fangemeinde rund um die Welt ist es schon von vornherein klar, dass der Wikileaks-Gründer von den Mächtigen fertiggemacht werden soll, weil er deren Geheimpapiere öffentlich machte. Der Vorwurf der Vergewaltigung, beziehungsweise der sexuellen Belästigung, ist nach ihrer Lesart nur ein Vorwand, um gegen Assange vorzugehen. Natürlich kann es nicht ausgeschlossen werden. Aber haben sich all jene, die Assange jetzt verteidigen, genauer über die Vorwürfe der schwedischen Behörden informiert? Schließlich sind die Vergewaltigungsvorwürfe nicht neu. Sie waren sofort nach Assanges Schweden-Besuch im August 2010 von zwei Frauen erhoben worden.

Auch "große Männer" heute nicht mehr tabu

Halten die Assange-Fans dieser Welt diese Vorwürfe für konstruiert und welche Beweise haben sie dafür? Oder halten sie einen Vergewaltigungsvorwurf für so unbedeutend, zumindest bei einen Mann wie Assange, der ja mit der großen Weltpolitik beschäftigt ist und deshalb von zwei Frauen nicht behelligt werden soll, die sich gegen sexuelle Übergriffe wehren? Eine solche Sichtweise aber wäre ein Rückschritt hinter die Debatten über patriarchale und sexuelle Gewalt der letzten Jahrzehnte. Danach müsste eigentlich Konsens sein, dass eine Vergewaltigung eben keine Kleinigkeit ist, mit dem man die "Großen dieser Welt" nicht behelligen möge. Weder Politiker, noch Fernsehlieblinge oder bekannte Regisseure sind heute in großen Teilen der Welt tabu, wenn es gegen sie Vergewaltigungsvorwürfe gibt. Das haben in den letzten Jahren die Verhaftung von Roman Polansky und des Fernsehclowns Kachelmann deutlich gemacht. Und das ist gut so. Denn es ist eben jahrelangen feministischen und antisexistischen Kämpfen auf der Straße, den Universitäten und den Institutionen zu verdanken, dass Vergewaltigungsvorwürfe von Frauen von den Ermittlungsbehörden nicht mehr einfach ignoriert oder die Frauen als Schuldige hingestellt werden können. Genau, dass aber wird im Fall von Assange von einem großen Teil seiner Fans praktiziert. Wenn die Vergewaltigungsvorwürfe ohne Beweise negiert und als Teil einer Verschwörung gegen Wikileaks hingestellt werden, unterstellt man den beiden Frauen, die die Ermittlungen in die Wege leiteten, sie würden lügen oder sie wären nur Strohfrauen bei der Jagd auf Assange.

Ermittlungen genau beobachten

Es ist zu begrüßen, dass die Behörden bei diesem Backlash nicht mitmachen. Assange muss sich wie alle anderen zu den Vorwürfen äußern. Er ist heute ein Beschuldigter aber kein Täter. Ob sich dass ändert, werden die Ermittlungen zeigen. Was also befürchten all diejenigen, die jetzt über Willkür und Repression schreien? Die Vorwürfe wären in dem Augenblick berechtigt, wo Assange wegen Geheimnisverrat an die USA ausgeliefert würde. Deswegen sollte eine interessierte Öffentlichkeit den Fortgang des Verfahrens genau beobachten. Wer aber die Ermittlungen wegen Vergewaltigung kritisiert und die Frauen, diesie erhoben haben, ohne Beweise als Lügnerinnen hinstellt, will eher zurück zu Zeiten, wo solche Vorwürfe ein Kavaliersdelikt waren, mit denen doch „große Männer“ nachher nicht mehr behelligt werden sollen. Aber diese Zeiten sind vorbei und das ist gut so.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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