Volksfest und Folter

Monster Truck Vier Tage gastierte in den Berliner Sophiensälen das Theaterkollektiv Monster Truck mit ihrer zweistündigen Performance Welcomte to Germany.

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Das Karussell dreht sich mal langsamer und mal schneller und drin hat man das Gefühl im weißblauen Weißwurstkanal zu sein. Weißwürste gibt es auch satt, junge Männer in kurzen Lederhosen sorgen immer wieder für Nachschub. Natürlich darf auch das Bier nicht fehlen, das gibt es aber nur gegen Bares. Derweil bemüht sich ein Conférencier mit schlüpfrigen Herrenwitzen etwas Stimmung in die Masse zubringe. An Wand des sich ewig drehenden Kreisel sehen wir Fotos von glücklichen Deutschen am Rande der Alpen und der Anden.- Es ist die bayerische Stammtischwelt, in der sich seit Franz Joseph Strauß alle CSU-Politiker_innen zu Hause fühlen und es ist die Kolonie Colonia Dignidad, in der eine Gruppe von Deutschnationalen, die sich nach dem Ende des NS in Deutschland nicht mehr wohl fühlten und Angst vor der Roten Armee hatten, in den Anden ihr kleines 3. Reich aufbauten mit dem Altnazi Paul Schäfer als Führerlein. Folter an Kindern und während der Pinochet-Diktatur an Oppositionellen war in dieser Kolonie an der Tagesordnung.

Dem Theaterkollektiv Monster Truck ist es mit ihrem knapp zweistündigen Stück Welcome to Germany gut gelungen, die Barbarei hinter der deutschen Gemütlichkeit aufzuzeigen.


In Blut gebadet

Nicht alle Szenen waren überzeugend. Zu den Schwächeren gehörte die Szene, die das Stück in die Medien katapultierte. In Leipzig wurde das Stück kurzfristig abgesetzt, weil der Theaterleiter dem Publikum nicht zumuten wollte, dass ca. 15 Minuten ein totes Schwein fachgerecht zerkleinert und zur Wurst verarbeitet ist. Nun ist nicht anzunehmen, dass es Bedenken von Tierrechtler_innen und Veganer_innen waren, die zur Absage führen. Den Kunstkommissar passte die politische Richtung des Stücks nicht. Das könnte ja die Freund_innen von der CSU verärgern. So war denn auch die stärkste Szene die letzte. Ein Mann mittleren Alters im bayerischen Gewand legte langsam die Kleider ab, badete im Blut und zog sich ebenso ruhig und langsam wieder und verließ die Bühne. Hier ist gut auf den Punkt gebracht, auf welchen Grad von Ausbeutung im transnationalen Kontext, die bayerische Gemütlichkeit und nicht nur die, aufgebaut ist. Und es geht tatsächlich nicht nur um Fleißessen und den Umgang mit Tieren, daher ist die Szene mit dem Schwein nicht die Stärkste. Es geht auch nicht nur um die Colonia Dignidad und seine Förderer in Deutschland. Es geht auch um die enge Kooperation zwischen der CSU-Führung und der Pinochet-Diktatur. Franz Joseph Strauß hatte schon wenige Jahre nach dem Putsch seinen Freund Pinochet besucht und dafür gelobt, wie er mit den Linken aufgeräumt hat. Dabei besuchte er auch eine deutsche Kolonie und weihte ein Denkmal mit der Aufschrift „Unsere Ahnen“ ein. Der Künstler Klaus Staeck füge dort einen Hitler-Kopf ein und kassierte dafür eine Anzeige von Strauß. Monster Truck haben mit ihrer Theaterarbeit in diese schwarz-braune Gemütlichkeit geleuchtet und die Zensur der Leipziger Kulturkommissare zeigte, dass es eine Lüge ist, dass Kunst heute in Deutschland alles darf. Die Zensur war auch ein Kompliment für die Radikalität der Arbeit.

Peter Nowak

Infos zur Leipziger Zensur:

http://www.l-iz.de/veranstaltungen/tipp-buehne/2015/04/welcome-to-germany-ein-heimatabend-von-und-mit-monster-truck-85961

Zur Aufführung in den Berliner Sophiensälen:

http://www.sophiensaele.com/produktionen.php?IDstueck=1337

Weitere Termine des Stücks finden sich hier:

http://www.monstertrucker.de/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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