Vom Camp zum Campus

Franz Wanner Die Installationen, die der Künstler in der Ausstellung After the fact im Münchner Lenbachhaus ausstellt, besitzen "staatsschutzrechtliche Relevanz"

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Die Installation "Vom Camp zum Campus" hinterfragt sehr klar den Gründungsmythos einer Institution wie den Ludwig Bölkow Campus. Wie kamen Sie zu dem Thema?

Der Film FROM CAMP TO CAMPUS versucht nicht nur den Mythos der Gründung des Ludwig-Bölkow-Campus zu demontieren, sondern auch dessen gegenwärtige Konstruktion.

Dort wird eine Drohne namens "Zephyr" entwickelt, die als erfolgreiches Hightech-Produkt beworben und an mehrere Armeen exportiert wird.

Gleichzeitig informiert die Staatsregierung die Öffentlichkeit darüber, dass am Ludwig-Bölkow-Campus weder Drohnen noch Rüstungsprojekte existieren.

Beide Angaben sind offiziell und bedienen zwei unterschiedliche Ansprüche eines Selbstverständnisses: Den bedingungslosen ökonomischen Erfolg, der militärisch gesichert wird einerseits,zum anderen etwas wie eine Moral, die in Bayern oft katholisch pervertiert ist und vielleicht entfernt daran erinnert, dass es irgendwie nicht das Beste sein kann, sein Leben auf Waffenhandel zu gründen. Beide Angaben koexistieren und lösen mehrheitlich keine Zweifel oder Widerstand aus, sondern befördern eine kollektive mentale Gespaltenheit, die es ermöglicht diesen Widerspruchals normal zu empfinden und dadurch ein homogenisiertes Weltbild aufrechtzuerhalten.

Was heute Ludwig-Bölkow-Campus heißt, basiert auf der NS-Luftfahrtforschungsanstalt, für deren Errichtung zwei Zwangsarbeiterlager eingerichtet wurden.

Die Broschüre dieses "Innovationscampus" bewirbt einzigartige Masterstudiengänge wie den "Master of autonomous Systems", die tatsächlich aber gar nicht existieren

und beschreibt die Arbeit am Campus als "Innovationsführerschaft" und "traditionsreichste Hochtechnologie". Der sogenannte "Campus", der Hochschulen wie die TU München

und Firmen wie Siemens und Airbus bündelt, wurde 2013 nach dem NS-Ingenieur Bölkow benannt.

Eine Kunst, die in politische Debatten eingreift, ist heute eher selten. Würden Sie sich als politischer Künstler bezeichnen?

Nein. Solche Kategorisierungen interessieren mich nicht, weil sie die Art der Erzählung, die ich versuche zu erzeugen, beschränken.

Bei Ihrem Projekt „Battle Management Drawings" hatten Sie Probleme mit der Polizei. Wie kam es dazu?

Wegen der Fotos, die ich an der Mauer in Neuperlach aufgenommen habe und die jetzt in der Ausstellung "After the Fact" im Lenbachhaus zu sehen sind, hat die Kripo ermittelt.

Die Bilder zeigen die Situation, in der eine vier Meter hohe Schutzmauer, die vor einer Flüchtlingsunterkunft errichtet wurde, von Polizisten beschützt wird. Die Unterkunft steht bis heute leer.

Die Objektschutzstreife schützt nicht das Gebäude, sondern die Mauer, die die Anwohner vor Flüchtlingen schützen soll, die nicht anwesend sind. Diese Konstellation fand ich interessant.

Als ich die Bilder aufnahm, wurde ich mit körperlichem Einsatz aufgegriffen und dazu aufgefordert die Fotos zu löschen. Als ich ablehnte, wurde zweimal Verstärkung angefordert, so dass ich über eine Stunde lang von sechs Polizisten ohne Angabe von Gründen festgehalten wurde. Am nächsten Tag rief die Kripo an, um mich zu meiner Tätigkeit an der Mauer zu befragen.

Das Gelände um die Mauer herum, von dem aus ich die Fotos aufgenommen habe, ist öffentlich, es ist dort also erlaubt zu fotografieren. Die Abteilung der Kripo, die für das Fotografieren im öffentlichen Raum zuständig ist, kannte ich bisher noch gar nicht. Ein Polizeihauptkommisar, den ich mit der Frage nach dem Grund für den Einsatz konfrontierte, setzte noch einen drauf und erklärte, die Mauer besitze "staatsschutzrechtliche Relevanz".

Kurz gesagt, es handelt sich um ein komplett absurdes Staatstheater, das davon erzählt, wie sich die europäischen Außengrenze in einem Münchner Wohnviertel materialisiert. Auf der Mauer zeichnet sich eine Ideologie ab, die man so deutlich gar nicht vorhatte zu zeigen und die man vielleicht als xenophobe Willkommenskultur bezeichnen könnte. Wenn jemand versucht die Situation transparent abzubilden, ermittelt die Kripo, weil es an der Mauer darum geht eine Ideologie zu beschützen.

An welchen aktuellen Projekten arbeiten Sie gerade?

Momentan arbeite ich daran die Internetverbindung in mein Atelier zu reparieren, die im Februar bei städtischen Bauarbeiten durchtrennt wurde. Wenn sie wieder steht, schicke ich eine Freundschaftsanfrage an die facebookseite der Kripo.

Interview: Peter Nowak

Die Ausstellung After the fact ist noch bis zum 17.9. im Münchner Lenbachhaus zu sehen.
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Geschrieben von

Peter Nowak

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