Vom Kämpfen, verlieren und widerstehen

Fritz Güde Der pensionierte Lehrer hat mit seinen Schriften zu Politik und Kunst auch ein Buch der linken Geschichte vorgelegt

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Es gab eine Zeit, da wurden Senior_innen nicht als Silver-Surfer_innen für die Profitinteressen der Wirtschaft angezapft wurden. Damals gab es aber noch rote Großväter und oft zu wenig rote Großmütter, die die Erinnerung an die Kämpfe der Arbeiter_innenbewegung wachhalten sollten. Es war die Zeit, wo tatsächlich die Älteren noch Erfahrungen weitergegeben haben. Aber was ist davon übrig geblieben in einer Zeit, in der die Enkel_innen den Großvätern nicht nur im Umfang mit IT eine Menge Voraus haben? Dass es tatsächlich noch Senior_innen gibt, die ihre Erfahrungen über die Kämpfe ihrer Zeit weitergeben, zeigt das Buch „Umwälzungen“ von Fritz Güde. Es ist auch ein Stück linke Geschichte aus der Perspektive eines Mannes, der nicht nur die Zeitläufe kommentiert hat sondern die Verhältnisse verändert wollte, in die Repressionsmaschinerie des BRD-Staates geriet, sich dabei aber nie als Opfer sondern als Kämpfer verstand und bis heute versteht.

Wegen seiner kurzen Mitgliedschaft im maoistischen KBW hatte Güde 1974 Berufsverbot bekommen. Das konnte leicht in die Vernichtung einer ganzen Existenz münden. Schließlich wurde Güde 1935 in Baden geboren, war also kein 68er. Doch er gehörte zu dem Kreis der politischen Opponent_innen des Adenauer-Staates, die die Aufbruchsbewegung jener Zeit als Befreiung aus einem Klima der Restauration wahrnahmen. In einen Gastbeitrag gibt der emeritierte Politologe Georg Fülberth einen kurzen Überblick die über die alte Linke der Adenauer-Ära und ihre Verbindung zur Neuen Linken, die sich jenseits von Parteikommunismus und Sozialdemokratie positionierte. Fülberth datiert ihre Entstehungszeit auf den Zeitraum zwischen 1956 und 1959.

Nach seinen kurzen KBW-Intermezzo schloss er sich Güde keiner Partei mehr an, blieb aber ein entschiedener Linker in Abgrenzung zur Sozialdemokratie und Nominalsozialismus. Andres als viele seiner Mitkämpfer_nnen hielt er sich auch von den Grünen fern. Lediglich in der der Grünen Partei nahestehenden Zeitschrift Kommune, die einst noch mit KBW-Geldern gegründet worden war, publizierte er mehrere Jahre. Sie gehörte zu den unterschiedlichen Zeitschriften und in Internetmagazinen, in denen Güde seine Texte zu Themen aus Politik, Gesellschaft und Kunst veröffentlichte. Eine Auswahl von 26 Texten sind einen Buch versammelt, das zu Güdes 80ten Geburtstag in der Edition Assemblage erschienen ist. Herausgeber ist der Publizist Sebastian Friedrich, der Güde seit Jahren aus der gemeinsamen politischen Arbeit kennen und schätzen gelernt hat.

Oft sind es Bücher, Filme oder Theaterstücke, die Güde nicht nur rezensiert sondern mit seinem profunden Wissen auch in gesellschaftliche Zusammenhänge einordnet. Der erste dokumentierte Text widmet sich einem Buch, in dem Henning Böke den Maoismus nicht, wie heute üblich, in Bauch und Bogen verdammt, sondern bei aller Kritik in seinen historischen Kontext analysiert. Dabei verweist Güde auf den antiautoritären Geist der Kulturrevolution, die auch keine Ehrfurcht vor Politbüros und Parteifunktionäre hatte.

Ausführlich beschäftigt sich Güde in seinen politischen Essay mit der Zeitschrift Weltbühne, einer linksbürgerlichen Stimme, die am Ende der Weimarer Republik vergeblich die Arbeiterparteien SPD und KPD zur Einheitsfront gegen die Nazis aufrief. Güde verschweigt aber auch nicht, dass es auch vereinzelt Beiträge in der Weltbühne gab, die den italienischen Faschistenführer Mussolini lobten. Güdes Fazit ist dann auch durchaus kritisch: „So scharfsinnig in den letzten Heften der „Weltbühne“ 1932/33 die parlamentarischen Wege und Umschwünge der Nazis erkannt und beobachtet wurden, so wenig drangen sämtliche Schreiber ein in die ungeheure Massenbewegung des Faschismus, der alle Mitarbeiter – auch Hiller – dann in KZ oder Exil zum Opfer fallen sollte“ (S.91). In einen Artikel analysiert Güde den Weltbühne-Jahrgang 1932 und zeigt auf, wie sich der Aufstieg der Nazis auf die Zeitung auswirkte.

Dem Kampf im Bewusstsein der Niederlage wieder aufnehmen

Dass Güde auch einen interessiert die aktuell populäre Kultur verfolgt, zeigt ein Text, der sich mit der Wandlung des Familienbildes in Fernsehserien der USA befasst. Sehr kundig ist auch sein Nachruf auf Heinrich Böll, über den schreibt. „Eine Seekarte hat er uns nicht hinterlassen, wohl aber die Kunst im Wellengang oben zu bleiben“. In einem Aufsatz wendet sich Güde gegen Versuche, Bert Brecht als eigentlich unpolitischen Schriftsteller darzustellen, der nie Marx gelesen habe und von den Kommunisten manipuliert worden sei. Der belesene Schreiber weist dem Protagonisten der Anpassung Brechts an den Zeitgeist Jan Knopf nach, dass er Brecht noch einige Jahre zuvor als sozialistischen Erneuer gefeiert hat. Ausführlich beschäftigt sich Güde mit Kurt Tucholsky und Walter Benjamin. Ganz Im Duktus von Benjamin formuliert Güde auch seine Motivation beim Verfassen dieser Schriften. „Es muss im Bewusstsein der Niederlagen der Kampf angetreten werden, im schärfsten Blick auf die Entstellungen, die bisherige Revolutionäre sich antaten, um ein Jahr oder fünf Jahre oder gar zehn weitermachen zu können.“ Güde plädiert dafür, die Kämpfe für eine neue Gesellschaft auch in der Gewissheit zu führen, „dass unsere Züge nicht weniger entstellt, unsere Hände nicht weniger schmutzig sein werden, als die jener, die uns vorangingen“. Damit wendet sich der Autor gegen alle Illusionen, die neuen Generationen von Genoss_innen werden keine Fehler beim Kampf um eine neue Gesellschaft machen. Damit warnt er auch vor Hochmut gegenüber den VorkämpferInnen.So hat Güde auch Bini Adamczaks Buch "Gestern - Morgen Über die Einsamkeit kommunistischer Gespenster und die Rekonstruktion der Zukunft", das eine ähnliche Intention besprochen und ein Fazit gezogen, das auch für Güdes Buch seine Gültigkeit behält: "Es ist Bini Adamczak gelungen, Material das bisher von den Antikommunisten aller Art aufgeboten wurde, um und um zu drehen, um in ihm nicht Zeugnisse des Siegs der Revolutoin zu erblicken, wohl aber zu ihrer Unbesiegbarkeit selbst in Verbrechen und Untergang" (S. 49). Güdes Buch liefert in den Zeiten der Reaktion viel Stoff zum Nachdenken und macht deutllich, dass die Zeit der rote n Großväter und Großmütter noch längst nicht vorbei ist .

Peter Nowak

Fritz Güde
Umwälzungen
Schriften zu Politik und Kultur
Edition Assemblage, Münster 2015,
220 Seiten, 20 Euro
ISBN 978-3-942885-97-3 | WG 973

http://www.edition-assemblage.de/umwaelzungen/

Hier findet sich die Einleitung zum besprochenen Buch:

http://www.annotazioni.de/post/1663

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Geschrieben von

Peter Nowak

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