Warum bleibt so eine Kommunistin?

Rot sind die Füchse Ein Film widmet sich Menschen, die von Kindheit an Kommunst_innen waren oder noch sind

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Die erste Einstellung könnte in einem beliebigen Zeltlager aufgenommen sein. Einige Kinder spielen, andere sitzen an ihren Zelten. Doch schnell wird klar, dass in dem Film „Rot sind die Füchse“ von Jan Stefan Kolbe eine besondere Gruppe von Kindern im Mittelpunkt stehen. Die Jugendorganisation "Rotfüchse" wird dem Umfeld der traditionskommunistischen MLPD zugeordnet, einer Partei, die außerhalb ihrer Anhängerschaft auf wenig Sympathie stößt. Schnell fällt das Verdikt vom Stalinismus, wenn von der MLPD die Rede ist und dann ist meist schon jede Diskussion zu Ende. Dass man sich auch anders mit dem MLPD-Umfeld befassen kann, zeigt der Dokumentarfilm , der in verschiedenen Berliner Kinos und bald auch in anderen Städten zu sehen sein wird. Denn Kolbe zeigt, dass man sich auch kritisch mit einer Strömung der Linken beschäftigten kann, ohne die Protagonist_innen zu denunzieren. Der Filmemacher, der mit der MLPD und ihrem Umfeld politisch nie etwas zu tun hatte, nur in früher Jugend mal mit dem Kommunismus liebäugelte, sich aber bis heute eine linke Grundhaltung erhalten, wollte keinen Film über die MLPD drehen. Es ging ihm vielmehr um die Vita von Menschen, die in linke Strukturen hineingeboren werden, also praktisch schon im Kinderwagen auf Demonstrationen gekarrt wurden. Ein Vorurteil besagt, dass diese Menschen später das Gegenteil vertreten, also eher geneigt sind, in die konservative Richtung abzudriften. Der Film bestätigt diese These nicht. Während Anne und Gaby als Vollzeitaktivistinnen versuchen, ihre politischen und gewerkschaftlichen Aktivitäten mit ihrer geringen Freizeit in Einklang zu bringen versuchen, ist auch der angehende Erzieher Peter nach seinem Austritt aus der Jugendorganisation Rebell auf der Suche nach neuen Orientierungen. Er könnte sich vorstellen, auch wieder in der Organisation aktiv zu werden, wenn sich dort politisch etwas ändert. Dabei blieb aber seine inhaltliche Kritik vage. Der Film zeigt, dass ihm der Austritt Zeit für individuelle Bedürfnisse gab, er sich aber weiterhin und sogar verstärkt Sinnfragen stellt. Dass er sich nun ausgerechnet anthroposophischen Vorstellungen zuwenden will, lässt die Frage offen, ob er sich mit den zahlreichen kritischen Publikationen zu diesemKomplex auseinandergesetzt hat. Im Film bleibt die Frage offen. Denn Kolbe unterlässt jeden direkten Kommentar und lässt die unterschiedlichen Protagonist_innen zu Wort kommen und agieren. Vor allem Anne und Gaby treten dort sehr selbstbewusst auf, machen aber nicht den Eindruck von verbissenen Kommunist_innen, die immer auf alles eine Antwort wissen. Hier gewinnen sie persönlich Sympathie durch ihr offenes aber souveränes Auftreten. Der einzig Dogmatische im Film ist ein Solinger CDU-Politiker, der wie ein Pressesprecher des Verfassungsschutzes klingt und die MLPD des Linksextremismus bezichtigt, der man keinen Millimeter mehr Spielraum einräumen dürfe, als die Gesetze ihr zugestehen. In Gestik und Mimik macht er deutlich, dass er die Spielräume wohl gerne noch einschränken würde. Dass zeigt sich im Solinger Stadtrat, in den die MLPD-Aktivistin Gaby als Vertreterin einer parteiunabhängigen Bürgerliste gewählt wurde. Ihr wird augenblicklich das Wort abgeschnitten, sobald ihre Redezeit auch nur um eine Sekunde überschritten wurde. Da wird das Rederecht zur „Extremismusbekämpfung“ genutzt.

Goldene Besen und Stinkstiefel

Neben den drei Protagonist_innen Anne, Gaby und Peter kommen wieder die Rotfüchse ins Bild. Die Kinder werden dort mit Spielen und Theaterstücken für politische Themen sensibilisiert, darunter der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung auf den Philippinen. Sie erfahren, dass denen die Köpfe abgeschnitten werden, die sich gegen ihre Vertreibung zur Ausbeutung von Bodenschätzen wehren. Da gruselt sich das bürgerliche Feuilleton, dass man „unschuldige Kinder“ in Mitteleuropa im Feriencamp mit solch unschönen Dingen behelligt, die Kinder in vielen Teilen der Welt erleiden müssen. Hier kann man sich sogar als prinzipieller MLPD-Kritiker eine gewisse Sympathie mit den Rotfüchsen nicht verkneifen. Die ist aber verbraucht, wenn Zeltkontrollen gezeigt werden, die ein Stück Kasernenhofmentalität ins Camp transportieren. Ein Zelt kommt ins Bild, in dem auf dem gefalteten Schlafsack ein Buchcover von Che Guevara zu sehen ist. Hat es den Goldenen Besen bekommen, den ersten Preis, der für das am Sorgfältigsten aufgeräumte Zelt ausgelobt wurde? Dagegen bekommt einen Stinkstiefel wer die Zelte unordentlich verlässt. In dieser Szene werden Ordnungsvorstellungen deutlich, die manche Traditionslinke mit Bürgerlichen aller Couleur teilen. Dass der Filmemacher sich jeden Kommentars enthält und den Zuschauern die Schlussfolgerungen überlässt, ist ein großes Plus des Filmes. Nur manchmal gibt es einige arg subtile Szenen. Muss ein Stalinporträt gerade in dem Augenblick ins Bild kommen, wenn Anne erklärt, dass Kräfte, die in einer sozialistischen Gesellschaft die alte Ordnung wiederherstellen wollten, unterdrückt werden müssen? Denn die Frage, wie die alten Gewalten entmachtet werden und bleiben, stellt sich auch für Linke, die mit Stalin nichts zu tun haben, wenn sie mehr wollen, als eine rot-rot-grüne Regierung Im Gegenteil war Stalin selber solche eine reaktionäre Kraft und es war die Tragik der Linken in der SU, diese nicht niederhalten zu können. Dass es sich bei der HipHop-Crew, die mit verbalradikaler Attitüde Kopfschüsse für Unternehmer auf einem Festival fordert, um die Bandbreite handelt, die nicht nur wegen ihrer verkürzten Kapitalismuskritik sondern auch ihrer verschwörungstheoretischen Anklänge umstritten ist, erschließt sich nur Insidern.

Kolbe hat Pionierarbeit geleistet mit seinem Thema. Nur der Film „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“, der eine Kindheit im weiteren DKP-Umfeld der 80er Jahre zum Thema hat, kann damit verglichen werden.

Der Film wird in Anwesenheit des Filmemachers am Mittwoch, den 23.1. um 19 Uhr im Berliner Kino Moviemento am Kottbuser Damm 22 gezeigt. Weitere Termine finden sich auf der Film- Homepage

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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