Warum gewinnen die Rechten immer mehr Land?

Rechte Räume So lautete der Titel einer Diskussionsrunde am Samstag in der Berliner Volksbühne. Sie war sehr informativ, doch die Gegenstrategien kamen zu kurz

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In den 1990er Jahren machte der Begriff national-befreiten Zonen die Runde. Es ging um Orte, die Menschen, die nichts ins Weltbild der extrem rechten Bewohner*innen passten, möglichst meiden sollen. Das Dorf Jamel in Mecklenburg Vorpommern ist heute eine solche nationalbefreite Zone. Eine völkische Dorfgemeinschaft prägt den Ort auch mit ihren Symbolen. „Dorfgemeinschaft Jamel – sozial –national –frei“ steht dort an einer Wand. Die national befreite Zone könnte sich jetzt noch vergrößern. Die Gemeinde hat ein weiteres Grundstück an rechte Investor*innen verkauft. Dann fehlen dem jährlichen Anti-Rechts-Festival in Jamel die Parkplätze. Es wird von einem Ehepaar organisiert, die in den Ort gekommen sind, um es nicht ganz den Rechten zu überlassen und zahlreiche Preise für ihre Courage bekommen haben. Dass die Rechten und nicht ihre Gegner*innen noch immer Unterstützung von der Gemeinde bekommen, wenn dahinter solvente Investoren stehen, hat bundesweit bisher kaum Resonanz gefunden. Über den rechten Geländegewinn in Mecklenburg-Vorpommern informierte die Journalistin und wohl beste Kennerin der rechten Szene Andrea Röpke am Samstag auf der gut besuchten von dem Philosophen Armen Avanessian moderierten Veranstaltung „Rechte Räume“ in der Berliner Volksbühne. National befreite Zonen wie Jamel waren dabei aber nur ein Thema. Es ging vor allem um ideologische Geländegewinne auch auf Gebieten, wo es gemeinhin nicht vermutet wird.

Rechte Erfolge bei der Stadtrekonstruktion

Der Architekturprofessor Stephan Trüby berichtete darüber, dass die historische Stadtrekonstruktion ein Thema für extrem Rechte ist. So ging die Initiative sowohl für die Rekonstruktion der historischen Innenstadt von Frankfurt/Main als auch den Wiederaufbau der Potsdamer Garnisonskirche von extrem Rechten aus. Trüby betont allerdings, dass die späteren Akteure nicht aus diesem Spektrum kommen. Deutlich wird hier, dass die Sehnsucht nach einer heilen deutscher Vergangenheit unter Ausblendung der NS-Zeit weite Teile des Bürgertums teilen. Die von Trüby vorgetragenen Thesen erinnern an Debatten einer Linken, die sich in den 1990er Jahren kritisch zur Gestaltung der Neuen Wache in Berlin mit genau den gleichen Argumenten äußerte, die Trüby nun gegen die historische Stadtrekonstruktion vorbringt. Er bezog sich allerdings nicht auf diese Debatte vor mehr 25 Jahren. So blieb unklar, obwohl er davon beeinflusst war. Seine zentrale These, dass es keine rechte Architektur, aber sehr wohl rechte Konzepte für eine nationalistische Stadtentwicklung gibt, dokumentiert Trüby an zahlreichen Beispielen aus dem In- und Ausland.

Der Flügel am Kyffhäuser-Denkmal

Rechte Politiker nicht nur der AfD fordern wieder verstärkt, deutsche Denkmäler statt Mahnorte aufzustellen. Auch das zeichnete sich bereits vor mehr als 25 Jahren ab und wurde auch im Zusammenhang mit der Kritik an der Gestaltung der Neuen Wache thematisiert. Diese Symbolpolitik zeigte Trüby an einem Treffen des völkischen AfD-Flügels, der sich demonstrativ vor dem Kyffhäuserdenkmal ablichten lässt, einer der historisch wirkungsmächtigsten völkischen Mythen in Deutschland. Gefährlicher aber dürfen jene von Trüby gezeigten rechten Orte seins, in denen beispielsweise die faschistische italienische Organisation Casa Pound eine hippe rechte Postmoderne zelebriert. Dort werden Menschen angesprochen, die für den muffigen Kyffhäuser-Kult wohl kaum zu begeistern sind.

Zu Beginn der Veranstaltung wurde von Armen Avanessian angekündigt, auch die Gegenstrategien sollten nicht zu kurz kommen. Doch da blieb nach knapp zwei Stunden neben den Jamelner Antirechts-Festival nur die bekannte und kontrovers diskutierte Aktion des Zentrums für politische Schönheit übrig, in unmittelbarer Nachbarschaft von Höcke ein Holocaust-Denkmal in Miniaturform nachzubauen. Vom Aufbau nichtrechter, vielleicht gar explizit linker Räume wurde leider nicht geredet. Dabei hätte man doch Beispiele aus Berlin nehmen können, wie Rechte ihre Räume auch wieder verloren haben. Das in den früheren 1990er Jahren von Neonazis besetzte Haus in der Lichtenberger Weitlingstraße wäre da ebenso zu nennen wie eine Straße in Oberschöneweide, wo zivilgesellschaftliche Gruppen die Etablierung einer nationaeln Zone eindämmten.

Peter Nowak

Link zur Veranstaltung Rechte Räume in der Volksbühne:

https://www.volksbuehne.berlin/de/programm/5901/rechte-raeume

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Geschrieben von

Peter Nowak

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