Wenn der Freund zum Mörder wird

Krieg erzählen Heute abend enden im Berliner Haus der Kulturen der Welt die Thementage "Krieg erzählen". Dort hatte gestern der israelische Film "Z 32! Premiere.

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„Hältst Du mich für einen Mörder?“ fragt der junge Mann, der nervös an seiner Zigarette zieht. Seine Freundin will ihm nicht so direkt antworten. Ihre Gestik macht deutlich, dass sie jagen sagen. In Worten aber bleibt sie uneindeutig. Kann sie eine Beziehung fortsetzen, wenn sie ihren Freund für einen Mörder hält? Diese Frage bleibt in Avi Mograbis sehenswerten Film Z 32 offen. Der Titel bezeichnet das Aktenzeichen, mit dem die Organisation 32" ist die Archivnummer seiner Zeugenaussage. Das Archiv gehört zur Organisation Shovrim Shtika, "Das Schweigen brechen". Dort sammeln ehemalige israelische Soldaten Zeug_innenaussagen von Soldat_innen, die in den besetzten Gebieten stationiert sind oder waren. Sie berichten über Misshandlungen und Morde an der palästinensischen Bevölkerung und auch darüber, was das Wissen, plötzlich zum Mörder und Folterer zu werden, mit ihnen selber macht. Die Soldat_innen, die sich auf die Gespräche einlassen, sind noch nicht so abgebrüht, dass sie ihr Tun hinter chauvinistischen und nationalistischen Floskeln verstecken. Dafür werden sie von manchen als Vaterlandsverräter_innen geschmäht. Dabei ist die Existenz einer solchen Organisation ein Pluspunkt für die israelische Gesellschaft. Denn in vielen arabischen Nachbarländern können sich die Menschen nicht so kritisch und ehrlich über ihre eigenen Verbrechen äußern, die sie beim Militär oder diversen Milizen begehen. Der erste Schritt, um Misshandlungen und Tötungen von Zivilist_innen zu ächten, sind Organisationen wie „Das Schweigen brechen“ und Filme wie „Z 32“. Er war am Freitagabend im Rahmen der Thementage „Krieg erzählen“ erstmals ins Deutschland zu sehen, das noch bis heute Abend im Berliner Haus der Kulturen der Welt stattfindet. Dort werden Filme gezeigt, die sich mit verschiedenen Kriegen in der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart beschäftigen. Im Anschluss wird darüber diskutiert. So wies Avi Mograbi im Talk im Anschluss auf seinen Film auf eine Besonderheit in seinem Land hin. Fast alle Israelis seinen Soldat_innen gewesen. Wenn die nun von Verbrechen in ihrem Dienst erzählen, sei es ein Gespräch in der Familie. Selbst, wenn man entsetzt, geht man nicht die Justiz, um Ermittlungen einzuleiten. Vor diesem Hintergrund bekommt die Szene in Z 32, in der die Freundin des Ex-Soldaten, nicht klar beantworten will, ob sie ihn für einen Mörder hält, auch wenn ihre Körpersprache die Antwort gibt, eine besondere Bedeutung. Das Gespräch zwischen Freundin und Soldat findet in einem Hostel in Indien statt. Dort verbringen viele Soldat_innen ihren Urlaub, nachdem sie aus der Armee entlassen wurden. Sie sollen von den dortigen Erlebnissen Abstand finden, bevor sie wieder in der „Zivilgesellschaft“ funktionieren sollen. Dass das Ansinnen oft eine Illusion ist, hat schon vor einigen Jahren der preisgekrönte Film „Waltz with Bashir“ deutlich gemacht, in dessen Mittelpunkt ein israelischer Soldat steht, der nicht damit fertig wird, dass er während seinen Einsatzes im Libanon-Krieg 1982 Zeuge wird, wie die christlichen Falangist_innen, vor den Augen der israelischen Armee Massaker an Palästinenser_innen verüben. Der Film erinnert auch an einen politisch Verantwortlichen, den damaligen Verteidigungsminister Sharon, der diesen Libanon-Feldzug gegen den Willen der Mehrheit des israelischen Kabinettes durchgezogen hat und auch von den Massakern wusste. Dass führte damals zu einer innenpolitischen Krise und Massendemonstrationen in Israel. Als Sharon kürzlich gestorben ist, wurde nur noch in wenigen Nachrufen an diesen Teil seiner Karriere erinnert. „Waltz with Bashir“ ist auf den Thementage „Krieg erzählen“ nicht zu sehen. Sein Regisseur gehört wie Mograbi zur israelischen Friedensbewegung. In einem im Foyer des HdKW gezeigten kurzen Video äußert sich Mograbi pessimistisch zu den Möglichkeiten der Durchsetzung einer Zweistaatenlösung angesichts der vielen Siedlungen in der Westbank. Zurzeit sei eine Einstaatenlösung mit ungleichen Rechten durchgesetzt. Vielleicht bleibt ein binationaler Staat mit dem Prinzip, ein Mensch, die einzige Lösung, formuliert Mograbi eine Frage, die sich auch in Israel nicht mehr nur linke Gruppen stellen.

Doch das Nahostthema dominiert nicht auf den Thementagen „Krieg erzählen“. Max Ophüls vierstündiger Epos „Bericht aus einer belagerten Stadt“ über seine Reise nach Sarajevo im Jahr 1993 war dort ebenfalls zu sehen, wie Restrepo, ein unkritisches Kriegsbericht eines bei den US-Truppen in Afghanistan eingebetteten Journalisten.

Wie wird der deutsche Krieg im Film erzählt?

Doch etwas fällt auf. „Krieg erzählen“ findet am HdKW statt, ganz in der Nähe der deutschen Machtzentrale, in der seit Jahren Kriege geplant und geführt werden. Seit einigen Wochen wird auch sprachlich nachgerüstet und ein Ende der Zurückhaltung propagiert. Im Programm von „Krieg erzählen“ findet man dazu wenig.

Immerhin ist mit „Tag der Spatzen“ von Philip Scheffner heute um 17 Uhr eine künstlerische Position über den deutschen Krieg zu sehen. Dabei kommen in dem Film nicht nur im Titel auch Vogelliebhaber_innen auf ihre Kosten. Doch es bleibt die Frage, ob bei einem nächsten Themenabend "Krieg erzählen" auch ein deutsches Pedant zu Z 32 zu sehen ist, in dem der deutsche Afghanistanbomber Oberst Klein seine Frau oder seine Kinder fragt, hälst Du mich für einen Mörder?

Peter Nowak

Krieg erzählen

Do, 20. - Sa, 22. Feb 2014
Thementage

Mit
Marcel Ophüls
Avi Mograbi
Liao Yiwu
Romuald Karmakar
Philip Gourevitch
Slavenka Drakulić
Carroll Bogert
Jon Lee Anderson
u.v.a.

http://www.hkw.de/de/index.php

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Geschrieben von

Peter Nowak

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