Wenn der Mensch zur Pflanze wird

Zheng Bo Wanwu Council heißt die aktuelle Ausstellung des chinesischen Künstlers im Gropiusbau. Sie ist ein Ausdruck des modernen Ökologismus.

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Hundert Zeichnungen von Bäumen kann man in der Ausstellung bestaunen, die noch bis kommenden Montag im Berliner Gropiusbau zu sehen ist. Die Zeichnungen liegen alle auf dem Boden. Daneben sind Polster drapiert. Es ist eine Einladung an die Besucher*innen, sich auf den Boden herunterzulassen, um die Baumzeichnungen zu betrachten. Das ist nun kein Zufall, dass der Mensch im wahrsten Sinne des Wortes in die Knie oder zumindest in die Hocke gehen soll vor den Zeichnungen der Bäume. Denn dahinter steht die daoistische Weltanschauung des Künstlers Zheng Bo. Beim Daoismus handelt es sich um eine asiatische Spielart der Esoterik, die letztlich eine Absage von Zivilisation ist. Ein fast einstündiger Film gibt da sehr gut Auskunft, wie es aussieht, wenn man ernst machen würde, mit der Forderung, den menschlichen Fußabdruck immer mehr zu verkleinern.

Am besten soll sich der Mensch nicht mehr fortbewegen

Er soll werden wie eine Pflanze, wird da explizit gesagt. Vorher wird erklärt, dass Pflanzen sich Veränderungen in der Natur und der Umwelt immer anpassen konnten, in dem sie ihre Form verändert hatten. Dazu gehört beispielsweise die Beschaffenheit der Blätter, des Stammes etc. Diese schnelle Änderungsbereitschaft soll, so ein Sprecher im Film, daran liegen, dass Pflanzen nicht fliehen können, vielmehr lebenslang durch ihre Wurzeln mit ihren Standort verwachsen sind. Der Mensch hingegen konnte Regionen verlassen, wenn die Umweltbedingungen schlechter wurden. So sind seit Jahrtausenden Migrationsbewegungen entstanden, die aktuellen und zukünftigen Klimaflüchtlinge haben also ihre Vorläufer. Doch, so die Aussage des Films, die angebliche Beweglichkeit der Menschen sei eine Illusion. Schließlich könne sich der Mensch nur im Rahmen des Planeten Erde fortbewegen, sei also mit der Erde verwachsen Daher sei der Unterschied zu den Pflanzen nicht so groß. Jetzt müsse der Mensch auch lernen, sich nicht mehr zu bewegen So endet der Film eine Drohung, die in Zeiten des Klimawandels Anhänger*innen gewinnt. Dabei wird in der Ausstellung, in der es sicher eigne interessante Erkenntnisse gibt, etwas Entscheidendes vergessen. Der Mensch kann denken. Das unterscheidet ihn von der nichtmenschlichen Natur. Ein Unterschied, der von Zheng Bo völlig nivelliert wird. Wenn es nur um eine künstlerische Ausstellung ginge, wäre das ein interessantes Experiment. Aber die Vorstellung, dass der Mensch mit seiner Zivilisation möglichst von der Erde verschwinden soll und nur noch Natur werden, findet immer mehr Zustimmung. Das macht die Ausstellung besonders interessant, weil hier eine bestimmte Spielart der im Grund esoterischen ökologitischen Philosophie kritisiert werden kann. Demgegentüber sollte eine emanzipatorische Klimabewegung natürlich zur Grundlage nehmen, dass die Menschen nicht von der Erde fliehen können, auch wenn einige Tranhumanist*innen wie Bezos und Elon Musk planen. Doch der Mensch kann mit seinen Verstand und seiner Zivilsation Verhältnisse schaffen, damit sie lebenswert bleibt. Und dafür darf er eben nicht zur Pflanze werden, genau das nicht kann.

Peter Nowak


HIer gibt die Informationen zur Ausstellung, die noch bis zum 23.8. im Gropius-Bau in Berin besucht werden kann:

https://www.berlinerfestspiele.de/de/gropiusbau/programm/artist-in-residence/zheng-bo.html

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Geschrieben von

Peter Nowak

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