Wenn die Freiheit eine Illusion bleibt

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Im nächsten Jahr wird in diesen Tagen der 40te Todestag von Jim Morrison begangen. Auch wenn Doors-Keyboarder Ray Manzarek erst im letzten Jahr wieder behauptete, Morrisons Tod wäre nur vorgetäuscht. Der Sänger wäre des Künstlerlebens überdrüssig gewesen und hätte mit dem inszenierten Tod den Absprung in ein neues Leben geschafft.
Dabei ist es viel wahrscheinlicher, dass am 3. Juli 1971 tatsächlich das kurze Leben einer Musiklegende in der Badewanne einer Pariser Wohnung zu Ende gegangen ist. Zu fragen ist, warum die Macher des kürzlich angelaufenen Films „The Doors- Weh You’re Strange“ nicht noch ein Jahr gewartet haben. Das Jubiläum hätte den Film doch viel mehr Aufmerksamkeit beschert.

Für Doors-Fans wird der Film nicht viel neues bieten, aber für alle, die einmal hinein schnuppern wollen, in eine Zeit, in der auf dem Gebiet der Technik, der Politik, der Kunst und Kultur alles möglich schien, der sollte sich den Film ansehen. Es werden viele Dokumente jener Ära geboten, in der viele dachten, alle alten Konventionen, alles Bedrückende und Einengende könne zerbrochen werden. Die totale Freiheit des Menschen wurde in jener Zeit propagiert. Die Doors waren ein Produkt dieses Denkens, in jeder Beziehung. Schnell stand fest, dass die äußeren Zwänge vielleicht gelockert werden können, aber die Fesseln trotzdem spürbar blieben. Viele suchten dann wie Morrison, die innere Befreiung, in Drogenexperimenten und dem Sexwahn. Im Film gibt es dafür viele Dokumente, die in jener Zeit vielleicht als gelebte Freiheit galten und für die vielen Fans, die noch immer an das Grab von Morrison pilgern, noch immer als Ausweisse der Freiheit gelten. Wer den Film sieht, wird aber in den späten Morrison einen Menschen sehen, der sein Leben nicht mehr in den Griff bekam. Peinliche Szenen, in denen Morrison wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses von der Polizei verhaftet wurde, mögen Ruf als Rebell noch verstärkt haben. Heute sieht man in diesen Aufnahmen eine überregierende Staatsmacht, aber auch einen peinlichen Morrison. So wirkt der Film, vielleicht sogar gegen die Absicht der Macher, als Gegengift gegen den Morrison-Mythos.

Ende eines Mythos

Bei manchen Szenen hat man gar den Eindruck, die Filmemacher wollten selber an diesem Mythos mit stricken, wenn man den Sänger immer wieder in schnellen Autos auf den Highways der USA rasen sieht. Da ist die Freiheit dann doch sehr altmodisch dargestellt.
Doch das Freiheitsversprechen der alten USA mit seinen schnellen Autos war genauso eine Illusion, wie die empathischen Freiheitspostulate vor 40 Jahren. Was viele Protagonisten damals und mache Epigonen bis heute als Morgenrot einer ganz neuen Freiheit feierten und feiern, war doch nur das kulturelle Wetterleuchten, dass die Ablösung der fordistischen Regulationsform begleitete. Statt der erhofften Freiheit kam der neue entregulierte Kapitalismus, der manche alten Zopf, nicht aber die ökonomischen Fesseln abschaffte, die die Menschen bis heute am schönen Leben hinderte. Schon Godard fragte in seinen Filmen, was geschieht, wenn Menschen die Freiheit als Illusion erkannt haben. Entweder er wird Revolutionär, oder er stirbt. Ein desillusionierter Morrison, der sich in den letzten Monaten seines Leben vom Starkult zurückgezogen und mit seiner Band gebrochen hatte und im Stil von William Blake als Lyriker reüssieren wollte, war am Ende im wahrsten Sinne ausgebrannt. Der Kampf gegen alle Konventionen und die Drogenexzesse forderten ihren Preis. Dem Film gebührt das Verdienst, die Illusionen einer ganzen Generation eingefangen zu haben, die unter Freiheit in erster Linie verstand, unter den unterschiedlichen Mitteln auswählen zu können, mit denen man sich aus dem realen Leben ausklinken kann. Am Ende stand nur noch der Tod. „This is the end“

Peter Nowak

The Doors, When You`reStrange, USA 2010, ist am 1. Juli auch in Deutschland gestartet.

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Geschrieben von

Peter Nowak

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