Wenn die Jugend an die Tür klopft

Baumeister Solness Geht es in dem vierstündigen Theaterstück auch um die Angst von Frank Castof, dass für eine jügere Theatergeneration die Volksbühne nicht mehr interessant ist?

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Nanu, hat eine Seniorengruppe die vorderste Reihe vollständig gebucht, wundert man sich, wenn man das Parkett der Volksbühne durch den Nebeneingang bestritt und die weißen Haare der vorne sitzenden sieht. Doch bald merkt man, dass sind keine Zuschauer_innen sondern Puppen. Gleich im Dutzend stellen sie den langjährigen Volksbühne-Mitarbeiter Henry Hübchen dar. Da die Kooperation zwischen Hübchen und dem Volksbühnen-Boss Frank Castorf alles andere als konfliktfrei lief, ist die Einlage in dem vom Castorf inszenierten Stück Baumeister Solness besonders brisant. Schließlich hat Henrik Ibsen in diesen fast 125 Jahre alten Stück dargestellt, wie ein bekannter Baumeister , der Zeit seines Lebens nur auf sein berufliches Fortkommen bedacht war, im Alter Angst vor dem Einbruch der Jugend hat, die alles zerstören könnte, was er aufbaut hat. Als die Jugend dann in Gestalt eines naiven Mädchens vom Lande an die Tür des Büros des Baumeisters klopft, hat er zunächst keine Bedenken. Schließlich gibt die von Kathrin Angerer gespielte Hilde Wangel gekonnt die Naive vom Lande, die gekommen ist, um die Versprechungen des Baumeisters einzulösen. Er hat sie bei einen Arbeitsausflug in der Provinz bedrängt und ihr das Paradies versprochen. Bald zeigt sich, dass Wangel keineswegs naiv ist und dass ihr Erscheinen tatsächlich den Einbruch der Jugend in die geordnete Welt des alternden Baumeisters bedeutet.

Frankfurter Küche ohne Funktion

Die vierstündige Darbietung spielt sich in zwei Räumen ab, einen Wohn- und Arbeitsraum, der im Stil eines Jugendstilkinderzimmers eingerichtet ist und in einer original nachgebauten Frankfurter Küche, die so werden wir im Stück informiert, ein Projekt der sozial engagierten Architektin Margarete Schütte-Lihotzky war, die mit ihrer Küche in den 20er Jahren ein Modell liefern wollte, wie die Arbeitsvorgänge in der Küche rationalisiert und erleichtet werden sollten. In der Volksbühne kommt diese sinnvolle Funktion allerdings nicht zum Tragen, auch wenn sich die Protagonist_innen schon mal ein Ei auf den Herd braten. Doch schon bald ist die Küche zugeschüttet mit roten Plastikbällen, die aus den Schubladen quellen und auch den Weg in den Arbeitsraum von Baumeister Solness versperren. Dort spielt sich der größte Teil der vierstündigen Handlung ab. Es sind Dialoge oder oft auch Monologe des Baumeistes mit Wangel und vor allem mit seiner von Daniel Zillmann gespielten Frau. Zollmann leistet in den Stück Beachtliches. Er spielt eine Doppelrolle, für die kürzere Zeit gibt er den Sohn des von Solness ausgebooteten Architektenkollegen- Dort findet man ihn der Rolle eines molligen Gruftijünglings, der sich von Solness eine Einstellung erhofft und seine Zeichnungen in einer Mappe vorbeibringt. Doch der Baumeister macht kein Geheimnis daraus, dass er von den Arbeiten wenig hält und verteilt sie achtlos auf den Boden. Die meiste Zeit spielt Zillmann allerdings Aline, Solness Frau, die wie eine Walküre auftritt und mit ihrer rollenden Stimme manchen Monolog ihres Mannes unterbricht- Schnell wird aber deutlich, dass sie nach dem Brand ihres Elternhauses und dem nachfolgenden Tod ihrer Zwillinge psychisch angeschlagen ist. Doch Solness nimmt darauf wenig Rücksicht und macht sich über die Gefühle seiner Frau lustig.

Der Absturz

Doch bald wird deutlich, dass auch er angeschlagen ist. Obwohl ihm altersbedingt schwindlig wird, wenn er auf Dächer steigt, will er Wangel imponieren und beim Richtfest zu ihrem Haus selbst den Kranz aufsetzen. Dabei stürzt er und kommt zu Tod. Weil immer wieder manchmal arg platte Gegenwartsbezüge in das Stück kommen, selbst die Ruine des Berliner Flughafens und ihr oberster Aufsichtsrat Wowereit werden arg strapaziert, stellt sich hier natürlich die Frage, ob hier Frank Castorf nicht auch seine Ängste in dem Stück verarbeitet? Hat der alternde Regisseur Angst, dass die Jugend ein anderes Theater spielt, dass nicht mehr in der Volksbühne gegeben wird? Anzeichen, dass die Volksbühne als Theater des jungen Berlins die beste Zeit hinter sich hat, gibt es schon lange. In der Vorführung zumindest war, auch wenn die Senioren in der ersten Reihe nur Attrappen waren, alles Ü-40.

Verpatzer Schluss

Ob Jüngere nicht so viel Sitzfleisch für eine vierstündige Aufführung mit kurzer Pause haben? Dabei wird es nur am Ende etwas redundant und die Handlung zerfasert. Man fragt sich, warum Castorf das Stück nicht mit der einzigen Szene beendet hat, die außerhalb von Zimmer und Frankfurter Küche spielte. Da wurde die Bühne hochgehoben und das Dach kommt in den Blick. Dort hängt der Baumeister dann in den Seilen und entfaltet ein Transparent mit der Aufschrift „Krise“. Ein besseres Bild für ein Ende hätte es nicht gegeben, aber Castorf lässt 1o Minuten weiterspielen und so läuft das Stück langsam ohne starkes Bild aus. Man fragt, warum sich der Regisseur dieses starke Bild am Ende entgehen ließ? Hatte er Angst, das Wort Krise wäre mit seiner Theaterabend verbunden worden?

Die Aufführung zeigt, auch in der Krise stellt Castorf noch Beachtliches auf die Bühne. Man muss sich nur darauf einlassen können, dass er kein Wohlfühl-Regisseur ist, und wie er erst kürzlich in einem längeren Interview im Neuen Deutschland erklärte, dass der Theaterbesuch auch Arbeit und Anstrengung sein kann .

Peter Nowak

Zur Zeit keine Vorstellung. Demnächst wieder auf dem Spielplan.

Baumeister Solness

nach Henrik Ibsen

Mit: Marc Hosemann (Halvard Solness, Baumeister), Kathrin Angerer (Hilde Wangel), Volker Spengler (Knut Brovik, früher Architekt, jetzt Assistent bei Solness), Daniel Zillmann (Ragnar Brovik, sein Sohn, Zeichne rund Aline Solness, Frau des Baumeisters), Jeana Paraschiva (Kaja Fosli, Knut Broviks Nichte, Buchhalterin) und Mex Schlüpfer (Doktor Herdal)

Regie: Frank Castorf
Bühne: Bert Neumann
Kostüme: Bert Neumann
Licht: Lothar Baumgarte
Musikalische Einrichtung: Klaus Dobbrick
Dramaturgie: Sebastian Kaiser

Link zum Stück:

http://www.volksbuehne-berlin.de/praxis/baumeister_solness/?id_datum=8430

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Geschrieben von

Peter Nowak

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