"Wir sind alle Bert Neumann"

Zahltag Forst Vor dem Jobcenter Forst fand am 12 März der erste ostdeutsche Zahltag statt. Dort hatten sich Menschen versammelt, um gegen Sanktionen unter Hartz IV zu protestieren

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Ca. zwei Dutzend Menschen hatten sich dort versammelt, um gegen Sanktionen unter Hartz IV zu protestieren. Anlass war der Fall eines Erwerbslosen, den kurz vor Weihnachten mitgeteilt wurde, dass er ab 1. Januar für drei Monate kein Geld (Hartz IV) mehr erhält.

„Die Minderung erfolgt für die Dauer von drei Monaten und beträgt 100 % des Arbeitslosengeld II“ hieß es in dem Schreiben. Damit wurde er sanktioniert, weil er einen Computerkurs abgebrochen hatte, den er mehrmals hintereinander besuchen sollte. „Wir lernten in dem Kurs, wie man einen Computer anschaltet und die Maus bedient. Da ich aber schon lange mit dem Computer arbeite, war das für mich überhaupt nichts Neues“, so der Erwerbslose. Obwohl er die Gründe für seine Ablehnung des Kurses dem Jobcenter darlegte, kam die dreimonatige Hartz IV-Sperre.

„An dem Fall Bert Neumann machen wir deutlich, dass die Sanktionen einzelne trifft, gemeint sind aber alle, die sich wehren“, betonte Hofedank.

Die 100%-Sanktion bedeutet, dass er laufende Kosten für Wohnung, Strom, Gas, Internet und Wasser nicht mehr begleichen kann,“ beschreibt der Sprecher des Freundeskreises Bert Neumann Erik Hofedank die Folgen für den von der Hartz IV-Streichung Betroffenen. Neumann ist kein Einzelfall. Die Zahl der Erwerbslosen, die mit Null-Euro überleben sollen, wächst. Doch die wenigsten gehen wie Bert Naumann an die Öffentlichkeit und wehren sich die Sanktionen. Der Freundeskreis hatte im Februar eine Diskussionsveranstaltung organisiert, wo unterschiedliche Formen des Widerstands von Erwerbslosen diskutiert wurden. Mit der Kundgebung am Dienstag knüpfen die Aktivisten an die Aktionsform des Zahltags an, mit dem Erwerbslose in verschiedenen Städten vor und in Jobcentern gegen Sanktionen und Schikanen mobilisieren. Der Besuch des Brandenburgischen Ministerpräsidenten Platzeck und seines Regierungskabinetts am Dienstagnachmittag in dem Kreishaus, in dem auch das Jobcenter untergebracht ist, sollte für den Protest gegen die Auswirkungen von Hartz IV genutzt werden.

Wie bei Zahltagaktionen in anderen Städten verteilten sich die Aktivisten mit ihren bunten Westen in den Etagen de Jobcenters und wurden so von den Erwerbslosen interessiert wahrgenommen. Auf Falterblättern wurde den Erwerbslosen Informationen in die Hand gegeben, wie sie sich am Amt wehren Dazu gehört die Aktion „Keiner muss allein zum Amt“, bei der Erwerbslose von Personen ihr Wahl auf das Jobcenter begleitet werden. Doch das wurde auch praktisch umgesetzt. Bert Neumann forderte mit einer Begleitperson von seiner Sachbearbeiterin das Ende Hartz IV-Entzugs. Die wollte sich darauf nicht einlassen, sicherte aber zu, dass er ab 1. April wieder die Hartz IV-Leistung bekommt und die Essensgutscheine nicht davon abgezogen werden. Auch die schlechte medizinische Versorgung von Erwerbslosen wurde angesprochen. Obwohl Neumann an einer chronischen Magen-Darm-Entzündung leidet, fand er in Forst keinen Arzt, weil neue Patienten nicht mehr aufgenommen wurden. Diese Probleme wurden von Jobcenter-Mitarbeitern bestätigt, die von einen Ärztemangel in der Region sprechen, von dem Erwerbslose besonders stark betroffen sind.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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