Wir werden noch gleicher und glücklicher

Mongoflipper Das Theaterkollektiv Mariakron bringt esoterische Nazimedizin und den Umgang mit Behinderten in der freien Theaterszene in einem 90 minütigen Stück zusammen.

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Esoterische Nazimedizin, der Umgang mit Behinderten im Theater und die prekären Arbeitsbedingungen von freien Theaterschaffenden.Diese Themenkomplette in ein knapp 90minütiges Theaterstück zupacken ist sicher nicht einfach. Die Gefahr, dass das Stück dann überladen würde, ist groß. Das Theaterprojekt Mariakron sind mit Mongoflipper das Risiko eingegangen. Sie nennen das Stück eine Farce, man könnte auch von einer bitterbösen Komödie reden. Im ersten Teil geht es um den jungen Pascal, einen Jugendlichen, den man als Behinderten bezeichnete, als der Begriff noch nicht so umstritten war. Auf der Suche nach Heilung gerät er an Doktor Hagemann, einen Esoteriknazi. Die Eltern des Jungen müssen auch nicht besonders lange überzeugt werden, mit den rechten Heilern Kontakt aufzunehmen. Magda, die Mutter scheint schon mit ihrem Vornamen ihr Faible für das Germanophile auszudrücken.Eine Erinnerung an die Frau des Reichspropagandaministers war sicher gewollt.Der kommt in einem Video auch vor, wo ein Zusammenschnitt von NS-Propagandafilmen deutlich machen soll, dass völkische Utopien durchaus auch heute noch wirkungsmächtig sind. Dann ist da noch eine Andrea Röpke im Theaterkostüm eingebaut, eine investigative Journalistin im rechten Milieu, die Dr. Hagemann und seiner rechten Esoterikcombo schon lange auf der Spur ist. Bis hierin hätte das Stück das Zeug für aufklärerischesAntifatheater.Im Programmheft finden sich noch einige nützliche Buchtipps zum Themengebiet rechte Esoterik.

Behindertentheater oder Theater der Unterdrückten?

Doch dann kommt der Einschnitt. Vom Mischpult unterbricht der Regisseur das Stück, lässt Szenen wiederholen und reizt Bernd zur Renitenz. Der will nicht mehr auf Befehl den Mongoflipper spielen undschlägt vor, stattdessen mal was zur prekären Arbeitssituation auf freien Theaterbühnen zu machen. Anfangs versuchen die Schauspieler_innen noch geduldig den reniteten Kollegen zum Funktionieren zu bringen. Er spreche sicher wichtige Themen an und davon könnten alle ein Lied singen. Aber jetzt soll nun mal das Stück zum Abschluss gebracht werden. Doch die Situation eskaliert und aus den verständnisvollenjungen Theaterschaffenden, die jagerne die Probleme von Minderheiten auf die Bühne bringen wollen und dabei die Betroffenen auch selber zu Wort kommen lassen wollen, werden in kurzer Zeit tobende Kleinbürger_innen, die alle Vorurteile, die sie über Minderheiten haben, die nichtin ihrem Sinne funktionieren herausschreien. Am Ende wird dem renitenten Bernd prophezeit, dass er noch in einer geschlossenen Anstalt landet, wenn er so weiter macht. Aber auchin dieser Auseinandersetzungverweigert das Stück eindeutige Identifikationen. Denn Bernd ist nicht nur der renitente Behinderte, der es satt hat, sich von scheinbar gutmeinenden Künstler_innen, die nur ihre Karriere im Sinn haben, kommandieren zu lassen. Bernd entwickelt sich in kurzer Zeit zum Intrigant, der schon mal mit völkischen Erlösungsphantasien spielt und dabei so schlaue Sätze raushaut. „Überall wird die Fahne der Demokratie wehen und wir werden noch gleicher und noch glücklicher“.

Am Ende ein Toleranzpreis

Am Ende aber setzen die sich auch mit etwas Zwang und Gewalt durch. Am Ende bekommt Bernd einen Preis für seine Darstellung des Pascal. Die üblichen Sätze von Toleranz für Minderheiten dürfen dabei nicht fehlen.Die Theatermacher_innen haben es geschafft, die Fülle der Themen in einen Stück unterzubringen, ohne dass es überladen wirkt. Es gelingt auch einem scheinbar so grenzenlos toleranten Theaterbetrieb einen Spiegel vorzuhalten. Heute und im März kann man das Stück noch im Theaterdiscounter besuchen.

Peter Nowak

Hinweis auf Mongoflilpper:

http://www.theaterdiscounter.de/stuecke/mongoflipper

nächste Termine:

Veranstaltungen Theaterdiscounter

22.03.2014 20.00 Uhr
Mongoflipper

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Geschrieben von

Peter Nowak

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