Wohnungsleerstand mit Polizei verteidigt

Berlin Jahrelang stehen in dem Gebäudekomplex gut erhaltene Wohnungen leer. Am Donnerstag sind dort Wohnungslose eingezogen und wurden nach wenigen Stunden geräumt

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Gerade in dieser Zeit sollte Leerstand nicht akzeptiert werden
Gerade in dieser Zeit sollte Leerstand nicht akzeptiert werden

Foto: Sean Gallup/Getty Images

„Stay at Home“, lautet gerade in Zeiten der Corona-Pandemie die ständige Aufforderung aus der Politik. Doch was sollen die Menschen machen, die gar keine Wohnung haben? Das dachten sich ca. 30 Wohnungslose, die am Donnerstagmittag 7 leerstehende Wohnungen in der Habersaathstraße 46 in Berlin-Mitte besetzten. Gegen 20 Uhr wurden sie mit einem Großaufgebot der Polizei geräumt. Das sorgte für Unverständnis bei wenigen noch verbliebenen MieterInnen des Gebäudekomplexes. Schließlich kämpfen sie schon mehrere Jahre gegen die Entmietung des Hauses. Die Habersaathstraße 40 – 46 ist auch ein Beispiel für den von der Politik verantworteten Leerstand von intakten Wohnraum. Im Jahr 2006 wurde das ehemalige Schwesternwohnheim der Charité vom Berliner Senat privatisiert. Im Jahr 2017 wurde das Haus an die Arcadia Estates GmbH weiterverkauft, die im Besitz von Andreas Piechotta ist. Seitdem werde der 1983 errichtete Gebäudekomplex mit 106 noch gut erhaltenen Wohnungen systematisch entmietet, klagen MieterInnen. Schon wenige Monate nach dem Eigentümerwechsel erhielten alle MieterInnen eine Verwertungskündigung. Eine angemessene wirtschaftliche Verwertung der Immobilie sei nur durch Abriss und Neubau realisierbar, hieß es in dem Schreiben. Der Verwertungserlös bei einem Neubau sei angesichts der Kaufpreise für Wohneigentum höher. Obwohl die Verwertungskündigung vor Gericht keine Chance hatte, wollten sich viele MieterInnen weiteren Stress ersparen und sind ausgezogen. Doch einige MieterInnen wehrten sich und gründeten die Nachbarschaftsinitiative Habersaathstraße. Deren Sprecher Daniel Dieckmann klagte über persönliche Drohungen. So brannte sein Auto, das vor dem Gebäudekomplex geparkt war, am 21. August 2018 nach einen Anschlag völlig aus.

Bezirk Mitte hat Leerstand jahrelang geduldet

Doch die verbliebenen BewohnerInnen ließen sich nicht einschüchtern und informierten bei verschiedenen MieterInnenaktionen über die Vernichtung von gut erhaltenen Wohnungen in Berlin-Mitte. Sie werfen dem Bezirk Mitte vor, diesen Leerstand zu spekulativen Zwecken jahrelang geduldet zu haben. Mit ihren Protesten hatte die MieterInneninitiative Erfolg. Die Arcadia Estates hatte zunächst geplant, den Häuserkomplex abzureißen und auf dem Areal Luxuswohnungen zu errichten. Die Abrissgenehmigung war vom Bezirk Mitte im Februar 2018 erteilt und nach massiven Protesten der verbliebenen MieterInnen zurückgezogen worden. Im Juli 2020 hat sich die BVV Mitte auf die verbliebenen MieterInnen des Hauskomplexes zubewegt und die Rekommunalisierung sowie Beendigung des Leerstandes beschlossen.Den Wohnungslosen, die am 29. Oktober den Leerstand des Gebäudes zumindest für einige Stunden beendeten drohen nun Klagen wegen Hausfriedensbruch. „Die jahrelange Zweckentfremdung von Wohnraum wurde mit einem teuren Polizeieinsatz gewährleistet“, kritisiert eine Mieterin des Hauses.

Arcadia Estates muss zahlen-

Jetzt müsste der Kampf gegen die Entmietungspolitik der Arcadia Estates weitergehen. Es reicht nicht, wenn die BVV Rekommunalisierungsforderungen stellt und danach nichts folgt. Wie wäre es mit einer Kampagne "Arcadia Estates und Andreas Piechotta müssen zahlen". Für jede leerstehende Wohnung müsste monatlich eine fünfstellige Strafe fällig sein. Zudem sollte Andreas Piechotta als Verantwortlicher in Beugehaft genommen werden, bis die Wohnungen an Menschen mit geringen Einkommen vermietet werden. Das wäre ein Beispiel für einen radikalen Reformismus im Inteesse der Mehrheit der Bevölkerung. Damit würde deutlich, dass nicht die Menschen, die die leerstehenden Wohnungen ihren Zwecke zuführten, bestraft werden müssen sondern die Kapitalisten, die die Wohnungen leerstehen. Wenn argumentiert wird, solche Reformen können im Kapitalismus nicht umgesetzt werden, dann sollten die Menschen sich Gedanken über eine Alternative machen.

Update: Nach der Räumung geht der Kampf gegen den spekulativen Leerstand in der Habersaathstraße 46 weiter. Die von der Berliner Polizei wieder in die Wohnungslosigkeit gezwungenen Menschen laden am Donnerstag, den 5. November ab 12.30 Uhr zum Protest-Mittagessen vor dem Rathaus Tiergarten auf den Mathilde-Jakob-Platz 1 in Moabit.

Peter Nowak

Weitere Informationen zur Besetzung der Habersaathstraße 46:

https://lhis.uber.space

Link zur Hausgemeinschaft Habersaathstraße :

http://ighab.blogspot.com

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Geschrieben von

Peter Nowak

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