Zeitreise im alten Gutshaus

Endmoräne, LineARES Noch bis kommenden Sonntag kann im ehemaligen Gutshof von Heinersdof im Oderbruch die Ausstellung LineARES begutachtet werden und wer es mag macht einen Abstecher

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Die Kinder können sich kaum beruhigen. Immer wieder gruppieren sie sich um den Spiegel Wenn sie hineinblicken, sehen sie einen geschrumpften Körper auf elephantenartig verdickten Beinen. „Die sichtbare und unsichtbare Zeichnung“ heißt das Kunstwerk von Masko Iso. Auf den Boden hat sie die Tanzschritte markiert, mit denen der Betrachter besonders lustige Effekte im Spiegel erzeugen kann. Die Installation gehört zu den insgesamt 19 künstlerischen Positionen der Ausstellung LineaRES. Sie wird von dem Kunstverein Endmoräne e.V. organisiert, die jedes Jahr im August an wechselnden Orten Arbeiten von künstlerisch aktiven Frauen präsentiert. Noch für zwei Wochenenden machen sie das ehemalige Gutshaus des zu Steinhövel gehörenden Ortsteils Heinersdorf im Oderbruch zu einem Ort der kleinen Überraschungen. Dabei arbeiten sie mit einfachen Hilfsmitteln, die oft gekonnt platziert sind. Schon beim Eintritt in den Garten des Gutshauses fällt die aus verschiedenen Küchenutensilien in weißer und roter Farbe gebaute Plastik der Künstlerin Erika Stürmer-Alex ins Auge. Von ihr finden sich auch in den verschiedenen Räumen des heruntergekommenen Gutshauses weitere Installationen. In einem anderen Zimmer hat Antje Scholz einen roten Wollfaden platziert. Dorothea Neumann will mit heruntergelassenen Tapetenrollen auf die Bedrohung des Gebäudes durch den Hausschwamm hinweisen. Angela Lubic hat an verschiedenen Fenstern mehrfarbige Klebestreifen angebracht. Auf einer Tafel hat die Künstlerin Christina Wartenberg mit Kreide immer wieder das Wörtchen ach geschrieben. Ob die „lineare Litanei“ genannte Arbeit Schülerfrust oder allgemeinen Überdruss ausdrücken soll, bleibt dem Betrachter überlassen. Die Veranda des Hauses kann wegen starker Schäden des Fußbodens nicht betreten werden. Dort hat Claudia Busching eine Folie wie einen Vorhang aufgehängt, der sich im Zugwind bewegt.
Im oberen Stockwerk hat die Künstlerin Erika Postler Kissen aus der Heinersdorfer Kleiderkammer ausgestellt. An den in altdeutscher Schrift gehaltenen Aufdrucken zeigt sich ihr alter. Oft stammen sie von Wohnungsauflösungen von Verstorbenen. In einem Raum sind verschiedene Gegenstände aufgereiht, die in alten Schränken in dem Gutshaus entdeckt wurden. Neben Münzen und allerlei Krimskrams befindet sich dort auch eine Ausgabe des Neuen Deutschland von 1959. Die wechselvolle Geschichte des Ende des 17. Jahrhunderts erbauten Heinersdorfer Gutshauses ist oft indirekt Gegenstand der Arbeiten. Nach 1945 diente das Gebäude als Schule, Kinderheim und Landambolatorium. Leider geht keine Arbeit auf die NS-Zeit ein, als in dem Gutshaus eine SS-Nachrichteneinheit stationiert war. Da hätte man sich etwas mehr Mut für den gesellschaftskritischen Blick gewünscht.

Verwirrendes in der "Bastion Kostrzyn"

Wer schon im Oderbruch ist, kann noch an die ca. 50 km vo Heinersdorf entfernte deutschpolnische Grenze fahren. Dort gibt es in der "Bastion Kostrzyn" eine Ausstellung anlässlich des Friedrichsjahrs. Dafür wurde einiges Geld von der EU locker gemacht und wie der Teilnehmer Helmut Höge in der Taz berichtete, auch einige Journalisten an den Ort gekarrt. Sonst aber weist weder in Berlin noch vor ort viel auf die Ausstellung hin. Es gibt nur eine Tafel an einem Eingang, aber weder Faltblätter noch sonstige Informationen. Da fragt man sich, was der ganze Aufwand soll. Vielleicht war die mangelnde Infrastruktur auch schlicht der Tatsache geschuldet, dass man in Polen weiterhin wenig Interesse verspürt, den Polenhasser Friedrich irgendwie aufmerksamkeit zu widmen und dass ist auch so in Ordnung. Von den in der Ruinengegend verstreuten Kunstwerken ist vor allem die Installation von Robert Fuhrmann, 300 Jahre an einem Tag" erwähnenswert, die die Geschichte in Form auf dem Boden liegenden CD-Scheiben darstellt. Jetzt müsste nur noch jemand kommen, sie zu lesen. Sonst lohnt auch ein Besuch in der Ruinenlandschaft, des am Ende des 2.Weltkriegs von den Nazis zur Festung erklärten Küstrin. Eine bessere Installation über das Ende deutscher Großmachtpläne ist kaum vorstellbar.

Peter Nowak

Die Ausstellung ist noch am 1.-2.9 von 13 bis 18 Uhr zu sehen. Der Eintritt beträgt inklusiv eines kleinen Katalogs 5 Euro, Gutshaus Heinersdorf, Hauptstraße 36c, Steinhövel-Heinersdorf , www.endmoraene.de

Die Freiluftausstellung "Denk-Zeichen Kostrzyn" ist noch bis zum 9. September zu sehen, Eintritt frei, Öffnung 24 Stunden, es empfielt sic h in den Abendstunden Taschenlampen mitzunehmen, weil es keine Laternen gibt

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Geschrieben von

Peter Nowak

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