Sex statt Faschismus

Elektro Sie kamen aus dem Punk, wollten weder Rock noch Schlager. „Das ist DAF“ erzählt die Story der Band
Ausgabe 49/2017
Gabi Delgado-López (links) und Robert Görl wollten die Haltung von Punk – ohne die altmodischen Instrumente
Gabi Delgado-López (links) und Robert Görl wollten die Haltung von Punk – ohne die altmodischen Instrumente

Foto: Sven Lampert/Imago

Eigentlich war es nur eine kurze heftige Phase von Anfang bis Ende des Sommers 1981. Innerhalb von sechs Monaten, das war die Frist, die die Plattenfirma zwischen der Veröffentlichung von zwei Alben vorschrieb, erschienen Alles ist gut und Gold und Liebe. Die beiden erfolgreichsten Alben der Deutsch-Amerikanischen-Freundschaft – kurz DAF – sollten für immer daran erinnern, dass die Neue Deutsche Welle es nicht nur auf ironisch angeeignete Wirtschaftswunderheiterkeit angelegt hatte, wie sie von Hubert Kah (Sternenhimmel), Markus (Ich will Spaß!) und von Nena bis heute verkörpert wird.

DAFs Neuerfindung deutscher Popmusik Ende der 1970er war eigentlich Punk. In der Düsseldorfer Szene um den Ratinger Hof und in London subkulturell geschult, wollten Robert Görl und Gabi (eigentlich Gabriel) Delgado-López gewiss kein Schlager-Update, wie ihre NDW-Kollegen. Sie wollten auch keine Version von angloamerikanischem Rock. Sie wollten die Haltung von Punk, ohne die altmodischen Instrumente.

So wurde DAF erst DAF, als Gitarrist Wolfgang Spelmanns die Band verließ und von den ehemals fünf Mitgliedern nur noch Görl und Delgado-López übrig waren. Im Studio Conny Planks wurde jetzt jener minimalistische Sound kreiert, der bis heute jeden DAF-Track kennzeichnet: Electronic Body Music. Spätestens seit der Technokultur, die DAFs Konzept in mancher Hinsicht fortführte, ist die Kombination von Computern und Körpern in der Musik keine Überraschung mehr. Doch auch die Subkultur der 1990er sieht harmlos aus gegenüber der Fetischisierung von hartem Sex und der Schönheit verschwitzter Körper, die DAF heraufbeschworen.

Mehr als kalkulierter Skandal

Delgado-López kam als Achtjähriger als Sohn einer Gastarbeiterfamilie aus Andalusien ins Ruhrgebiet. Seine Lyrics klangen wie die deutschen Sprachfetzen im amerikanischen Nachkriegskino. Eine Sprache der Befehle, Gebell. Nur dass Delgado-López verstanden hatte, dass im klischeehaften Nazi-Stakkato immer auch eine Portion Faszination mitschwang. Der Flirt mit dem Faschismus – textlich am deutlichsten im berühmten DAF-Hit Der Mussolini („Tanz den Mussolini, tanz den Adolf Hitler!“) – war nicht nur kalkulierter Aufreger. DAF wollten eine maskuline Energie wiederbeleben, die im deutschen Pop bis dahin undenkbar war. Es ging um die Sexualisierung tougher Männlichkeit – was den Faschismus-Vorwurf gründlich widerlegte. Denn während dieser auf Bewunderung des heroischen Männer-Bildes aus der Distanz setzt, erzählte Delgado-López von körperlicher Intensität und Intimität. Was ziehst du an heute Nacht? oder, ganz toll, Sex unter Wasser. Delgado-López’ Sprechgesang war unglaublich sexuell aufgeladen, eine männliche Version von Donna Summer, deren I Feel Love er bewunderte. Disco und Punk gehörten für DAF zusammen. Diese Form sexualisierter Männlichkeit haben sich die beiden DAF-Heteros von der schwulen Lederszene abgeguckt. Im Westdeutschland der 1980er Jahre und auch international war das eine Sensation.

Dass DAF zu Recht zu mythischen Figuren des deutschen Pop geworden sind, zeigt sich heute noch, wenn sie auf der Bühne stehen. Anlässlich der CD-Box Das ist DAF und der sie begleitenden Biografie gab es eine Reihe von Konzerten. Der inzwischen über 60-jährige Görl treibt den Beat voran, als seien keine 40 Jahre seit Gründung der Band vergangen, Delgado-López’ jugendliche Erotik ist etwas einer expressiven Theatralität gewichen. Die Geschichte von DAF wird launig aberzählt. Das Problem am Biografie-Format ist nur, dass die wirklich interessante DAF-Zeit unglaublich kurz war. Mitte der 1980er war schon wieder alles vorbei, abgesehen von den nun folgenden Reunions, die den Mythos der frühen Jahre belebten. Konsequent konzentriert sich Das ist DAF auf die späten 1970er und frühen 1980er. Da DAF ein Pop-Phänomen vor dem Internet sind, gibt es einiges zu entdecken. Berichte aus Sounds, Geschichten aus Spex, Fotos aus Privatarchiven, Texte von alten Freunden. Man erfährt zwar nicht unbedingt viel Neues über DAF – über ihr Privatleben zum Beispiel fast nichts –, aber als Materialsammlung und Dokumentation der frühen 1980er ist Das ist DAF schon toll.

Info

Das ist DAF: Deutsch Amerikanische Freundschaft Miriam Spies, Rudi Esch Schwarzkopf & Schwarzkopf 2017, 344 S., 24,95 €

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