Spaßiger Tölpel

Großbritannien Für seine Kompetenz wurde er damals nicht gewählt. Ist wirklich jemand von Boris Johnsons Dreistigkeit überrascht?
Ausgabe 04/2022
Hat wirklich irgendjemand erwartet, dass dieser Mann ein seriöser, kompetenter Premier sein wird?
Hat wirklich irgendjemand erwartet, dass dieser Mann ein seriöser, kompetenter Premier sein wird?

Foto: Hannah McKay/Pool/AFP/Getty Images

Was hatte man erwartet? Dass Boris Johnson ein kompetenter, seriöser Premier sein würde? Der Opportunist, der mit dem Image des spaßigen Tölpels Politkarriere macht? Seit Jahrzehnten weiß man, was für ein Mann Johnson ist: einer, der routinemäßig lügt, Loyalität gegenüber niemandem verspürt und jede Entscheidung gemäß einem einzigen Kriterium abwägt – ob sie ihm selber nützt. Wenn viele Tories jetzt so tun, als seien sie total überrascht, dass während des Lockdowns Partys in Johnsons Amtssitz gefeiert wurden, überzeugt das kaum. Dass sie so schnell von ihm abfallen, hat vielmehr mit kaltem Kalkül zu tun.

Johnsons Wahlsieg Ende 2019 war vor allem ein Brexit-Triumph. Er gewann aus einem einzigen Grund: seiner Versicherung, den EU-Exit endlich umzusetzen. Die Tory-Fraktion im Unterhaus wie die konservative Presse in London wussten um alle Mankos, die Johnson anhingen. Aber das war egal. Für sie zählte einzig die Tatsache, dass sie mit „Boris“ als Galionsfigur des Brexits beste Chancen hatten, die wachsende Konkurrenz durch Nigel Farages rechtspopulistische Brexit-Partei einzudämmen.

Aber seit diesem Höhepunkt vor zwei Jahren hat Johnson kaum einen Erfolg vorzuweisen. Die verheißene „Brexit-Dividende“, also der finanzielle Nutzen des EU-Ausstiegs, ist nirgendwo zu sehen. Stattdessen kämpfen britische Firmen mit Lieferengpässen, Verzögerungen und Zusatzkosten. Auch der regionale Ausgleich ist bislang ein Luftschloss geblieben: In einem neuen Bericht schreibt der Thinktank IPPR North, dass trotz aller Rhetorik kaum konkrete Maßnahmen zu sehen seien, die das Gefälle zwischen Nord und Süd ausgleichen würden. „Großbritannien ist so geteilt wie eh und je, und die Zentralisierung wird stärker“, so die Autoren.

Hinzu kommen mehrere Korruptionsskandale, die dem Ansehen der Regierung schaden. Johnsons Zustimmungswerte sind zuletzt abgestürzt. Womit aus dem Trumpf ein Risiko für künftige Wahlen wurde. Dabei sind es nicht so sehr die Verfehlungen des Regierungschefs, die den einstigen Cheerleadern sauer aufstoßen – schließlich hielten sie über zwei Jahre lang zu ihm –, sondern die Tatsache, dass er mit seiner Masche in der Öffentlichkeit nicht mehr durchkommt und die Tories in Verruf bringt.

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