Vom Hindukusch zum Kongo

Test für die "Battle Groups" Die EU hat für ihre 2005 beschlossene Afrika-Strategie einen geeigneten Tatort gefunden

Im Sommer 2003 führten Frankreich und Deutschland den ersten eigenständigen EU-Militäreinsatz im Kongo durch. Angeblich ging es um die Absicherung medizinischer und anderer humanitärer Hilfe für die Bevölkerung in der Provinz Bunia im Osten des Landes. Der Einsatz war auf drei Monate befristet. Die Truppen kamen und gingen - die Probleme blieben.

Nun wird wieder ein EU-Kontingent in den Kongo geschickt. Zur Sicherung der Wahlen, die Ende Juli stattfinden werden, und notfalls zur Evakuierung der rund 200 europäischen Wahlhelfer, wie es offiziell heißt, werden für einen Zeitraum von vier Monaten rund 2.100 Soldaten im Rahmen einer EUFOR RD Congo genannten Kampftruppe bereit gestellt. Frankreich (850 Soldaten) und Deutschland (780) stellen den größten Teil dieses Korps, der Rest verteilt sich auf weitere 16 EU-Staaten. Das Hauptkontingent der Bundeswehr wird im 800 Kilometer entfernten Gabun stationiert und steht dort für Not-Evakuierungen im Raum Kinshasa bereit. Andere deutsche Einheiten sollen den internationalen Flughafen der Hauptstadt und das von Frankreich geführte taktische Hauptquartier in Kinshasa sichern. Französische Infanteristen sind zusätzlich für landesweite Not-Evakuierungen und für den Aufbau einer "Abschreckungs"-Kulisse zuständig.

Weder die vorgesehene Präsenz in Kinshasa noch die in Reserve gehaltenen Truppen bieten einen wirksamen Schutz vor möglichen Unruhen während oder nach den Wahlen. Allein die Privatarmeen des amtierenden Präsidenten Kabila und des Vizepräsidenten Bemba verfügen über 15.000 beziehungsweise 6.000 Mann Eliteeinheiten. Sollte es tatsächlich zu bewaffneten Konfrontationen kommen, müssten EU-Bodentruppen nachgeführt werden. Auch wäre in diesem Fall wohl mit Luftangriffen zu rechnen. Dafür aber existieren keine Vorplanungen der EU - es sei denn, sie werden der Öffentlichkeit vorenthalten. Und was die Evakuierung betrifft: Die können gegebenenfalls die bereits im Kongo stationierten UN-Truppen (MONUC) mit ihren im ganzen Land dislozierten Helikoptern viel besser erledigen.

Warum also das Drängen Berlins und Brüssels auf das Kongo-Abenteuer? Es gibt dazu nur drei Erklärungen: Wir erleben einen Probelauf für die im Aufbau befindlichen EU-Battle-Groups. Die EU-Regierungschefs haben im Dezember 2005 formell eine Afrika-Strategie beschlossen, die sich offiziell das Ziel setzt, den schwarzen Kontinents zu "stabilisieren". Ein Vorhaben, das man auch militärisch abstützen will. Dem dienen unter anderem die "Battle Groups". Die Wahlen im Kongo sind willkommener Anlass, dieses Instrument zu testen - "ohne Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten", wie es im Einsatzbeschluss der Bundesregierung selbstbewusst heißt. Weiter geht es um die Sicherung von Ressourcen. Präsident Joseph Kabila, der den Ausverkauf kongolesischen Reichtums an transnationale Minengesellschaften vorangetrieben hat, ist der Mann Frankreichs und der USA. Nun will Deutschland nachziehen und in Zentralafrika gleichfalls Präsenz zeigen, um bereits vorhandene (Siemens) oder künftige wirtschaftliche Interessen besser vertreten zu können. Es ist dem CDU-Abgeordneten Eckart von Klaeden zu danken, im Bundestag auf die Bedeutung des "Rohstoffreichtums" im Kongo hingewiesen zu haben: "Wir haben aber auch ein Interesse daran ..., dass die Rohstoffe nach einem fairen Verfahren so abgebaut werden, dass sie auch von Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden können." Schließlich geht es um die irrationale Furcht vor Flüchtlingsströmen. Verteidigungsminister Jung hat in den vergangenen Wochen mehrfach insistiert, dass eine militärische "Stabilisierung" des kongolesischen Staates dazu diene, Migrationen aus Afrika von Europas Grenzen fernzuhalten. Der SPD-Verteidigungsexperte Walter Kolbow brachte es im Parlament auf den Punkt: "Wir müssen vor Ort die Probleme angehen, bevor die Probleme zu uns kommen." Die übrigen Maßnahmen zum Küstenschutz und zur Kooperation mit Partnern à la Marokko und Mauretanien werden zur Zeit von der EU-Kommission getroffen.

Die Einzigen, die noch daran glauben, dass die Kongo-Mission humanitären Zielen dient, sind offenbar die Grünen. Daher fordern sie auch eine zeitliche und personelle "Ausweitung" des militärischen Engagements. Über die Kosten redet wohlweislich niemand.

Der Autor ist Politikwissenschaftler an der Universität Kassel und Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag


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