Ringeltaube

Kommentar Rot ist nicht Grün. Grün wird nicht Rot

Der Hummer wird im kochenden Wasser rot. Gallensaft läuft grün über. Grün verweist auf seine eigene Unreife. Wer lügt, sollte wenigstens Rot werden, wer das Maul aufsperrt, nicht grün hinter den Ohren sein. Rot und Grün ergibt additiv gemischt Weiß. Weiß steht für Kälte, Leere, Terra inkognita. Nur Papageien treten in rotgrüner Verkleidung auf. Rot ruft: Fürchte dich, bange, zittere, schwitze. Grün grünt als Hoffnungslied in der Operette. In Berlin allein bleibt Rot/Grün Sirup/Zugabe in der Berliner Weiße, wenn auch das Rot nur das der nicht ganz rote Himbeere, das Grün das des nicht ganz gesunden Waldmeisters ist.

Rot/Grün passt nicht zusammen. Da kann Rot sich den grünen Zylinder aufsetzen, sich der herrschenden Klasse anbiedern, es wird im Hirn des Bürgertums den roten Ruch der vaterlandslosen Gesellen nicht los, als unzuverlässig und unberechenbar zu gelten. Um Rot/Grün zum Leuchten zu bringen verwendet die Leuchtstoffröhrenindustrie folgende Leuchtstoffe und Aktivatoren: für Rot Yttriumoxid mit Europium, für Grün Yttriumoxisulfid mit Terbium (oder auch Zinksulfid mit Kupfer und Aluminium).

Um Rot/Grün über Deutschland strahlen zu lassen, muss man das Wirken von Jot Fischer beleuchten. Durch ihn allein ist dem Volk Rot/Grün vermiest worden. Sein Glaube, die Partei gehöre ihm, das Bündnis wäre ein Selbstbedienungs-Laden, hat nicht nur die einst so emsig strickenden Sonnenblumenkinder in die Parteien-Händel verstrickt, sondern dem Personenkult in Deutschland Vorschub geleistet. Die Reihe unliebsamer Genossen, die wie lästige Maschen von der Nadel geschoben worden sind, ist das zählbarste Ergebnis der kurzen Liaison. Der rot/grüne Apfel hat das arglose Schneewittchen niedergestreckt. Die kleinen giftgrünen Perlen am Kartoffelkraut haben ihre Erstgenießer allesamt umgebracht.

Rot/Grün als Linie, Welle oder auf den Punkt gebracht: Da flirren mir die Augen. Da schmerzen meine Sinne. Da hab ich keine Lust, mir Rot/Grün anzutun. Das will ich nicht weiter ertragen. Da werde ich vom Hinhören und Hinsehen Fuchs, Teufels Wild.

Denke ich Grün/Rot, denke ich aber auch: Halt, da war nicht alles schlecht. Da waren Oma-Touch, Strickschlüpfer, Strickweste, Filz und horizontale Streifenpullover. Da war Dutschkes Baskenmütze, Scharpings Helm, Joschkas Motorradhaube. Und als Rot/Grün einmal die Bundestagsmehrheit hatte, hat Grün/Rot ein Gesetz in Kraft treten lassen, das die rechtliche und soziale Situation der Prostituierten verbessert, Huren und Callboys den Zugang zu Kranken-, Arbeitslosen- und Rentenversicherung gewährt. Die Liebesschaffenden können seither mit Erfolg gegen ihren Freier klagen, wenn dieser den vereinbarten Lohn nicht gezahlt hat.

Und doch: Grün reißt immer Rot in den Tod. Am Grab von Rot/Grün stehen andächtig und stumm die zahnlosen Windräder zum Beweis, dass Rot unter Grün gegen seinen Willen, ökologisch gehandelt hat. Grün wird von Rot nicht als ökologische Kraft empfunden. Grün kann Rot nicht an sich binden. Rot ist zu starr und historisch, ist Schumachers Leidensweg und Totalverweigerung, Brandts Kniefall zu Warschau, Vogels gesammelte Reden, Engholms Pfeifenkopfwechsel, Raus unendliche Kandidaturen gegen das Saumagen-System von Kohl, ist Scharpings Radtourismus, Oskar Supermaus´ Beitrag zur Einführung der französischen Küche. Zum Ende hin hallt über Rot/Grün die böse Behauptung, dass Schröder ein Brecher in der Dorfballmannschaft gewesen ist. Putin hat ihm gesammelte Freundschaftsbriefe geschrieben. Es naht die gemütliche, bayerisch regierte Monarchie. Wenn das kein Ergebnis von Rot/Grün ist, lobe ich lieber die Natur.

Die Ringeltaube zum Beispiel bleibt die Taubenart mit dem rot/grün schillernden Halbring um den Hals und als solche weltweit erkennbar. Die Familie der Prachtkäfer ist rot/grün gefärbt, hauptsächlich in den Tropen beheimatet. Rot/Grün hat sich in der politischen Landschaft Deutschlands als wenig überlebensfähig bewiesen. Die Evolution der Natur basiert auf geringfügiger Veränderung in Jahrtausenden. Die Natur nimmt sich alle Zeit der Welt. Bunt gescheckt fallen die einst herrlich grünen Blätter im Herbst zu Boden. Der kluge Bauer lässt wenigstens einen dunkelroten Apfel am höchsten Aste seines Baumes überwintern, auf dass im nächsten Jahr die Bäume in rot/grüner Pracht stehen.


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