Präsident der Rekorde

Macron In Paris wurde der Wahlsieg des neuen französischen Präsidenten ausgelassen gefeiert. Wie schnell die Stimmung jedoch umschlagen kann, erfuhr bereits sein Vorgänger
Emmanuel Macron kam nach ersten Prognosen auf 65,8 Prozent der Stimmen
Emmanuel Macron kam nach ersten Prognosen auf 65,8 Prozent der Stimmen

Foto: David Ramos/AFP/Getty Images

Als auf den Bildschirmen das Ergebnis verkündet wurde, brach vor dem Louvre in Paris ein wahrer Jubel aus. Emmanuel Macron, der Kandidat der liberalen Bewegung "En Marche", hat die Präsidentschaftswahl in Frankreich gewonnen.

Er konnte nach ersten Prognosen 65,8 Prozent der Stimmen auf sich vereinen, seine Gegnerin Marine Le Pen nur 34,2. Für Macron ist das ein weit besseres Ergebnis, als in Umfragen zuvor geschätzt.

Die Macron-Anhänger feierten auf dem Platz vor der Glaspyramide ausgelassen, schwenkten die Fahnen: Ihr Kandidat hat die Rechtspopulistin Le Pen nicht nur deklassiert. Er hat auch einen Rekord gebrochen. Macron, 39, wird der jüngste Staatschef in der Geschichte der Republik, und das mit einer Partei, die nicht mal ein Jahr alt ist. Nur Napoleon Bonaparte war mit 30 noch jünger.

In seiner Ansprache richtete Macron einen Gruß an seine Gegnerin Le Pen. Er respektiere ihre Wähler: "Ich weiß, dass die Risse in unserer Nation manche dazu getrieben haben, den Extremen ihre Stimme zu geben. Ich weiß um die Wut, die Zweifel und die Angst, die sie damit ausgedrückt haben." Macron betonte, für sie kämpfen und die Nation einen zu wollen. Er werde Frankreich und Europa "verteidigen", denn "es geht um unsere Zivilisation, um unsere Art, frei zu leben".

Dabei war es zuletzt ein schmutziger Wahlkampf gewesen. Keine 48 Stunden vor dem Wahltag wurde das Team um Emmanuel Macron Opfer eines Hackerangriffs. Interne E-Mails, Verträge und Rechnungen tauchten im Internet auf, zusammen mit erfundenen Dokumenten. Auch die Gegner Macrons hatten mit Social Bots und Fake News operiert – nicht nur der rechtsradikale Front National, sondern auch das Team der „Les Républicains“ um François Fillon, mit der Anti-Macron-Webseite „Ridicule.TV“.

Das ist für Macron nicht nur deshalb unangenehm, weil seine junge Bewegung „En Marche“ in den sozialen Netzwerken entstanden ist, sondern auch, weil Digitalisierung und Datenschutz zu seinen Kernthemen gehören.

Es ist aber nur ein kleiner Vorgeschmack auf das, was Macron nun als achter Präsident der Republik stemmen muss. Selten waren die Erwartungen an einen Staatschef in Frankreich so hoch, selten ein Kandidaten so jung im politischen Geschäft.

Macron muss nun ein tief gespaltenes Land vereinen. Er muss die Rechtspopulisten weiter in Schach halten, auch bei den anstehenden Parlamentswahlen. Er muss die Frustrierten, die sich dem Front National zuwandten, genauso hinter sich bringen wie die Abgehängten, die sich in den Vororten und Brennpunkten radikalisieren.

Vor allem aber wird er daran gemessen, ob er sein Versprechen umsetzen wird, die Wirtschaft zu beleben und die Massenarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür hat er umfassende Arbeitsmarktreformen angekündigt, will die Unternehmer entlasten und die Lohnnebenkosten senken.

Schon jetzt zeichnet sich Widerstand gegen diese Maßnahmen ab: Laut einer Umfrage des Instituts BVA für die Wirtschaftszeitung „La Tribune“ sind 49 Prozent der Franzosen gegen eine Novelle de Arbeitsrechts, nur 38 sind dafür. Macron hatte auch angekündigt, die Arbeitsmarktreformen per Verordnung durchzusetzen. Das lehnen sogar 70 Prozent der Franzosen ab.

Warum also sollte Macron nun etwas gelingen, an dem bereits frühere Präsidenten gescheitert sind? Nicolas Sarkzoy hatte die Reformen nie wirklich angepackt. François Hollande hatte es versucht – und damit den Zorn der Gewerkschaften erregt. Auch viele seiner Wähler waren enttäuscht, weil sie sich linke Reformen erhofft hatten und keine französische Agenda 2020.

Aus Frust über das Zaudern und Zögern Hollandes hat Emmanuel Macron schließlich die Regierung Hollande verlassen – und seine eigene Bewegung gegründet. Die steht jetzt voll hinter ihm. Anders als Hollande hat Macron den Wählern seine Pläne von Anfang an offengelegt, sogar auf die Gefahr hin, mögliche linke Unterstützer zu verprellen. Zwischen ihm und den Anhängern von Jean-Luc Mélenchon klafft ein Graben, den Macron auch mit besten Worten nicht zuzuschütten vermochte. So vermied es Mélenchon, eine Wahlempfehlung für Macron zu geben, und viele seiner linken Unterstützer wählten in der zweiten Runde ungültig. 25,3 Prozent der Wahlberechtigten enthielten sich - ein Rekord.

Das größte Problem werden für den angehenden Präsidenten die Gewerkschaften sein. Mit ihren Streiks haben sie in den vergangenen Jahrzehnten schon viele Reformprojekte gestoppt.

Andererseits hat Macron bereits bewiesen, was er kann. 2015 verabschiedete das Parlament das nach dem damaligen Wirtschaftsminister benannte „Macron-Gesetz“, das starre Beschäftigungsregeln aufweichte.

Als Präsident wird Macron nur erfolgreich sein, wenn er früh auf die Gewerkschaften zugeht und die Sozialpartner einbezieht. Er hat ja auch Argumente: Wenn jeder der rund eine Million kleiner und mittlerer Betriebe auch nur einen neuen Mitarbeiter einstellt, wären eine Million Menschen weniger arbeitslos.

Leicht wird es aber auch aus einem anderen Grund nicht: Macron muss bis zur Parlamentswahl am 11. und 18. Juni ohne eigene Unterstützer regieren. Bis dahin ist er noch im Wahlkampf. Sein Ziel muss sein, möglichst viele seiner „En Marche!“-Kandidaten in die Nationalversammlung zu bringen, um danach überhaupt seine Reformpläne durchsetzen zu können.

Bekommt er keine eigene präsidiale Mehrheit, muss er für jedes Gesetzesprojekt Koalitionen schmieden und Verbündete bei den konservativen Les Républicains oder den Sozialisten suchen. Er müsste einen Premierminister einer anderen Partei ernennen. Eine solche „Cohabitation“, bei der Präsident und Premier von verschiedenen Parteien kommen, hat es seit 15 Jahren in Frankreich nicht mehr gegeben. Zwar würde all das das starre französische System auflockern und die Politiker zu mehr Kompromissen zwingen. Andererseits würde es Macrons Reformprojekt deutlich verlangsamen.

Und wie schnell die Franzosen enttäuscht sein können mit einem Staatschef, der nicht liefert, musste François Hollande schmerzlich erfahren. Er könnte als unbeliebtester Präsident in die Geschichte eingehen.

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