Richtungsweisende Wahl in den USA?

Demokratische Renaissance Die Nachwahl im Bundesstaat Georgia könnte aufzeigen, ob die republikanischen Mehrheiten im US-Kongress gefährdet sind

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Unterstützer des demokratischen Kandidaten Jon Ossoff
Unterstützer des demokratischen Kandidaten Jon Ossoff

Foto: Joe Raedle/Getty Images

Er hat zwar nur 700,000 Einwohner, aber der sechste Kongressbezirk des amerikanischen Bundesstaates Georgia könnte heute die Weichen für eine grundlegende Veränderung der amerikanischen Politik legen. Die Nachwahl in diesem Bezirk des Repräsentantenhauses wird einer der ersten Gradmesser dafür sein, ob die desaströsen ersten drei Monate Donald Trumps an der Spitze des Landes auch republikanische Mehrheiten im Kongress bedrohen könnten. Republikaner in der amerikanischen Hauptstadt werden gespannt auf einen Wahlkreis schauen, der seit fast vier Jahrzehnten fest in republikanischer Hand ist, aber nun in das demokratische Lager wechseln könnte.

Eine Nachwahl für das US-Repräsentantenhaus in Kansas vor einer Woche wird der republikanischen Führungsriege bereits Schweißperlen auf die Stirn getrieben haben. Im dortigen vierten Kongressbezirk gewann der republikanische Kandidat Ron Estes mit nur sieben Punkten Vorsprung. Im vergangenen November lag die Siegesspanne der Republikaner dort jedoch noch bei 31 Punkten (und auch Donald Trump lag hier mit 27 Punkten vorn). Das letzte Mal, dass in diesem Wahlkreis so ein knappes Ergebnis vorlag, liegt mehr als zwei Jahrzehnte zurück. In der Prärie der Great Plains kann also ein erster Indikator dafür erkannt werden, dass selbst sichere republikanische Mehrheiten auf ein durchaus überschaubares Maß zurück gestutzt werden könnten.

Die Umstände in Georgia scheinen zudem noch ein wenig beunruhigender. Donald Trump gewann den dortigen Wahlkreis mit nur anderthalb Punkten Vorsprung. Vier Jahre zuvor war Mitt Romney noch in der Lage den Bezirk mit komfortablen 23 Punkten Vorsprung für sich zu entscheiden. Der ehemalige Abgeordnete Tom Price, vor kurzem als Gesundheitsminister im Kabinett Trump bestätigt und Repräsentant des Wahlkreises seit 2005, gewann ihn 2016 ebenso mit über 23 Punkten Vorsprung. Nun deuten die Zeichen jedoch auf Wechsel.

Anstatt der innerparteilichen Vorwahlen aus denen dann ein einziger Kandidat pro Partei hervorgeht, befinden sich in dieser Wahl alle Kandidaten auf einem Wahlzettel. Laut Umfragen führt der demokratische Kandidat Jon Ossoff dieses Feld mit fast 45 Prozent der Stimmen an. Sollte heute Abend jedoch kein Kandidat eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen erhalten, wird am 20. Juni eine zweite Runde zwischen den beiden Erstplatzierten stattfinden.

Vorbote eines republikanischen Einbruchs?

Für politisch interessierte sind die Vereinigten Staaten ein Mekka. Ein Zeitraum ohne Wahlkampf ist fast nicht vorhanden. Alle zwei Jahre werden alle 435 Mitglieder des Repräsentantenhauses (der unteren Kammer des Kongresses) neu gewählt. Findet sich ein Präsident in der glücklichen Lage in beiden Kammern eine Mehrheit zu besitzen, bleiben ihm somit oft jedoch nur zwei Jahre um die eigene Agenda umzusetzen, da in den midterms die Partei des Präsidenten traditionell Verluste hinnehmen muss. Regieren ist eben nicht unbedingt der eigenen Popularität zuträglich. Bedeutet dies also, dass in ungefähr anderthalb Jahren eine demokratische Mehrheit in einem oder beiden Häusern Präsident Trump endgültig zu einer „lame duck” machen wird?

Es gibt durchaus Indikatoren (neben dem unerwartet schlechten Ergebnis in Kansas), die auf dieses Szenario hindeuten. Historisch gesehen sind, wie bereits erwähnt, die midterms für die Partei des Präsidenten ein denkbar schlechtes Pflaster. Seit dem Ende des amerikanischen Bürgerkrieges vor etwas mehr als anderthalb Jahrhunderten ist die „Präsidentenpartei“ nur drei Mal in der Lage gewesen, im Repräsentantenhaus in den Zwischenwahlen Sitze dazu zu gewinnen (1934, 1998 und 2002). Andererseits erscheint jedoch die Mehrheit der Republikaner zumindest in der unteren Kammer des Kongresses als relativ sicher.

Die Gründe dafür können zuerst einmal in der Wählerschaft der midterms gefunden werden: Diese ist traditionell älter und weißer als in Jahren, in denen auch der Präsident gewählt wird. Die letzten beiden Zwischenwahlen (2010 und 2014) gewannen die Republikaner zum Beispiel mit einem Vorsprung von sechs bis sieben Prozentpunkten.

Zum Vergleich: In den beiden letzten Wahlen in Jahren, in denen ebenso das Amt des Präsidenten gewählt wurde (also 2016 sowie 2012), lag der republikanische Vorsprung bei nur einem Punkt, beziehungsweise waren die Demokraten 2012 sogar in der Lage, eine Mehrheit der abgegebenen Stimmen für die Wahlen zum Repräsentantenhaus zu gewinnen (trotzdem erhielten die Republikaner in dieser Wahl eine komfortable Mehrheit mit insgesamt 234 von 435 Sitzen). Im Zeitalter der verhärteten ideologischen Fronten innerhalb der amerikanischen Gesellschaft wird es also für die Demokraten alles andere als einfach sein, eine ausreichende Anzahl an republikanischen Wählern auf ihre Seite zu bringen.

Gleichzeitig haben die Republikaner seit den 90er Jahren diese Kammer zu ihrer Bastion ausgebaut. Seitdem die Republikaner 1994 zum ersten Mal nach 40 Jahren eine Mehrheit im Repräsentantenhaus gewannen, waren ihre demokratischen Gegner einzig und allein in den Wahlen 2006 und 2008 in der Lage, eine Mehrheit im Unterhaus des Kongresses zu erlangen.Mit anderen Worten, selbst in vier Wahlzyklen in denen demokratische Präsidentschaftskandidaten die popular vote gewinnen konnten, reichte dies nicht aus um auch eine Mehrheit der Sitze im Repräsentantenhaus zu erobern (es handelte sich hier um Wahlen in den Jahren 1996, 2000, 2012 und 2016).

Dazu kommt, dass immer weniger Wahlkreise als kompetitiv eingeordnet werden. 2016 lag der durchschnittliche Vorsprung des siegreichen Kandidaten in Wahlen zum Repräsentantenhaus bei über 37 Prozentpunkten. Laut einer Analyse des Cook Political Report galten vor 20 Jahren außerdem noch 164 Wahlkreise des US-Repräsentantenhauses als „swing“-Bezirke in denen beide Parteien eine gute und reelle Chance besaßen, eine Mehrheit für sich zu gewinnen. Laut ihrer neuesten Zahlen liegt dieser Wert nun jedoch nur noch bei 72, ein Rückgang von 56 Prozent innerhalb von zwei Jahrzehnten. 195 Wahlkreise wurden hingegen als relativ sicher im republikanischen Lager eingeordnet. Da eine Mehrheit im Repräsentantenhaus aus 218 Sitzen besteht, zeigt dies auf wie steinig der Weg zu demokratischen Mehrheiten ist.

Trumps Position wird prekärer

Wenn aber heute der ehemals als sicher geglaubte Wahlkreis in Georgia verloren geht, könnten einige der Republikaner in anderen „sicheren Sitzen” ins Schwitzen geraten. Etwas mehr als einen Monat nach dieser Wahl gibt es den nächsten Probelauf in Montana, dessen einziger Wahlkreis im US-Repräsentantenhaus auch eine „special election“ halten wird. Dass ein Demokrat aus Montana in das Repräsentantenhaus einziehen konnte liegt nunmehr auch fast ein Vierteljahrhundert zurück, zudem war Donald Trump immerhin in der Lage, diesen Bundesstaat mit 20 Prozentpunkten Vorsprung zu gewinnen. Eines scheint jedoch festzustehen: Ein Präsident, dessen Zustimmung nach drei Monaten bereits an einem historischen Tiefpunkt angelangt ist, wird die Wiederwahl republikanischer Abgeordneter nicht unbedingt erleichtern.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Philipp Adorf

Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Bonn, Fokus auf die Republikanische Partei der USA sowie der Erfolge populistischer Akteure.

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