Da fragt man sich, was der Okzident denn nun erschreckender findet: Diktatorische Schreckensregime oder die Aussicht auf eine eventuell bald an der ägyptischen Regierung beteiligte Muslimbruderschaft.
Wir haben in unserem neuesten Blogbeitrag die Muslimbrüder-Gespenster mal genauer unter die Lupe genommen und dabei einige steile Thesen ausgegraben, die für vielleicht noch mehr Angst und Schrecken sorgen könnten: Zum Beispiel die Annahme, dass man den radikalen Islam eventuell auch als progressiv deuten könne, da auch im Islam religiöse Elemente und Motive entwickelt wurden, die denen sehr ähnelten, die Max Weber - als entscheidende innere Voraussetzungen für den okzidentalen Rationalismus und Kapitalismus - dem Protestantismus zuschrieb. Mein lieber Herr Gesangsverein, das ließ auch unsere Augenbrauen auf allerhöchster Stirnhöhe aufschlagen.
Und dennoch, was Islamforscher bereits in den 1980er Jahren herausfanden ist bei weitem interessanter und aktueller als vielerlei orientalistisch angehauchter Quark, der sonst so geschrieben und diskutiert wird. Deutsche Medien und Rezipienten übertrumpfen sich ja geradezu im Zementieren des "Orient-Okzident"-Antagonismus - auch wenn die letztgenannten es mit dem guten Vorsatz des Hobby-Anthropologen tun. Da werden auch mal Bilder ägyptischer Frauen, die bei den Protesten im eigenen Land in erster Reihe stehen, als Glanzlicht arabischen Feminismus gefeiert - ganz so, als habe man gerade einen Neandertalerstamm im Nahen Osten entdeckt, der überraschenderweise das aufrechte Gehen mit uns gemeinsam hat. Wir und "die Wilden", der Westen und die Orientalen: Die ganze Geschichte kann man auch komplett lesen, wenn man mag. Einfach, in dem man dem Link folgt: www.philibuster.de/themen/alte-welt/aegypten-panik-vor-den-muslimbruedern.html.
Kommentare 19
Warum sollte man hier einen Kommentar einstellen? Der Verfasser scheint eine Teilnahme, eine Diskussion hier in der Community nicht unbedingt als primäres Ziel seines Unterfangens anzusehen, oder?
Hallo Philibuster,
Dank für Ihr Blog, welches Kritik an den zweckdienlich kolportierten Klischees äußert. Gut. Ich hatte aber etwas mehr erwartet, auch weil ich Ihren soziologischen Hintergrund sah. Sie stellen einen theoretischen Ansatz dar, den von Max Weber, fügen aber keine aktuellen empirischen Daten über die ägyptische Gesellschaft hinzu.
Das Verhältnis zwischen dem Kapitalismus und dem "protestantischen Geist" konnte ja deshalb seine Wirkung zeigen, weil es materielle Voraussetzungen für eine kapitalistische Entwicklung gab. In welchen Schichten der ägyptischen Gesellschaft sehen Sie solche materiellen Voraussetzungen? Auf welcher materiellen Grundlage kann sich eine Bourgeoisie in Ägypten entwickeln? Welchen Einfluss hat der global organisierte hochentwickelte Kapitalismus auf Ägypten? Kann es überhaupt noch einen nationalen ägyptischen Kapitalismus geben?
Dank vorab für Ihre Gedanken.
@ ebertus schrieb am 07.02.2011 um 13:37
Wir werden sehen.
Wäre gegenüber den anderen neun Blogs inclusive derer doch vorhandener Kommentare eine zumindest quantitative Explosion.
Und dass ich hier - sisyphos gleich - gegen "die Flut" anschreibe ist mir schon klar, soll ja eine Ausnahme bleiben; mir war gerade danach...
Ich verstehe und hoffe.
www.br-online.de/bayern2/radiowelt/moslembrueder-aegypten-11-kw05-ID1297080691211.xml
@ebertus: Ganz und gar nicht, sehr gerne sogar.
@Rapanui: Vielen Dank für Feedback und Anmerkungen. In der Tat wird im Blogbeitrag vieles eher angerissen und nicht en detail diskutiert - auch, weil es sich in der Tat eher um theoretische Überlegungen handelt. Ich finde aber die von Ihnen aufgeworfenen Fragen höchst interessant und versuche mal, darauf einzugehen: Grundsätzlich ist natürlich zu beachten, dass die Voraussetzungen für die Veränderungen von "Kulturtechniken" in Ägypten völlig anders gelagert sind als die, die Europa damals hatte - die Übernahme materieller Techniken hat ja bereits Einflüsse auf Gesellschaftsentwicklungen gehabt. Zudem denke ich nicht, dass ich stichhaltige Einschätzungen abgeben kann, was die Entwicklung einer zukünftigen (politischen) Hegemonie Ägyptens betrifft. Es ist wahrlich schwer, sich vom Okzident-Orient-Antagonismus zu befreien und sich mögliche Entwicklungen vorzustellen - vor allem, wenn man - wie sie richtig anmerken - sich Strukturdaten u.a. nicht konkret angesehen hat.
@ hardob schrieb am 07.02.2011 um 14:26
Dank - mir aber zu wenig.
Ich kann auch nur so allgemeine Übelegungen posten.
Nicht erst seit dem 11. September, schon vorher kam Samuel Huntington mit dem Kampf der Kulturen und legte fest, was in der Zukunft im Verhältnis Abendland-Morgenland zu erwarten ist. Dann eine Studie der CIA, die herausgefunden haben, dass die große Menge junger muslimischer Männer eine einzige Herausforderung für die (westliche) Welt ist. Dann kam Gunnar Heinsohn mit "Söhne und Weltmacht", die in der zunehmenden Zahl junger Männer in der muslimischen und besonders in der arabischen Welt eine Gefahr für die Welt sehen.
Und - im eigenen Land- steht Sarrazin am Alarmknopf. Wie soll da in einer ägyptischen Revolution eine Hoffnung gesehen werden.
Und das noch in Zeiten, da in der eigenen "Kultur" die demokratischen Entwicklungen eher gebremst werden.
www.wfp.org/stories/egypt-bakes-nutrition-daily-bread
Neben meinem Link oben, der von über 50% extremer Armutsquote erzählt, nebst registrierten 1/5 drastisch unterernährter Kinder und einem im Dunkeln gelassenen Anteil klinischer Anämie in der Arbeitsbevölkerung, ein paar grobe Basisdaten für eine grobe Schätzung.
An "Wachstum" hat es Ägypten in der letzten Dekade nicht gemangelt, allerdings ging dies Wachstum zu mehr als 100% auf das Konto des Außenhandels , dessen Bilanz letztens zu etwa 1/3 des Gesamtvolumens negativ war.
Ausgeführt werden v.a. Gas / Mineralölprodukte, daneben auch verarbeitete Agrarprodukten. Eingeführt neben Rohprodukten für diese Ausfuhr nebst Ausrüstungsgütern, Fahrzeugen etx vor allem Reis und Weizen.
Ca. 1/3 der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft beschäftigt, "erwirtschaften" aber nur 16% des Inlandprodukts.
Die Inflation liegt zwischen 10 und 20%, eine "Arbeitslosenquote" zu nennen ist ein Witz, angesichts der Tatsache, daß 49% - ob arbeitend oder nicht - über weniger als 3 $ pro Tag verfügen.
"Offiziell" verfügen die oberen 10% der Einkommensbevölkerung über 27% der Einkommen - was, selbst wenn diese Zahl stimmt, noch nichts über die Eigentumsverteilung aussagt! Auf die käme es aber u.a. an, wenn von "nationaler Entwicklung" gered'werden soll.
Ein bürgerliches, nationales Staatswesen lebt ökonomisch wie politisch von sog. "Mittelschichten", nämlich Kleineigentümern und einer Arbeiteraristokratie, denen ihre Unterwerfung dämlicherweise was "taugt".
Wo, bitteschön, sollen unter den gerasterten Bedingungen, ergänzt um die sattsam bekannte internationale Lage, bes. die Überproduktion, solche "Mittelschichten" her kommen?!
Wen soll die dazugehörige Bourgeoisie ausbeuten ?!
Wo soll ersatzweise eine "ursprüngliche Akkumulation" her kommen?!
Welche nationalen "Werkbänke" sollen die Ägypter ausdumpen, die chinesischen? Mit welchen Folgen für das Arbeitseinkommen?
Und wenn die Ägypter auf die bisherige Exportschiene setzen, wird mit immer weniger Arbeitskräften immer mehr umgesetzt: Raffinerien und chemische Industrien. Die Profite landen auf ausländischen Banken.
Übrigens, wer sich da reinhängen will, vergleiche mal die analogen Daten aus dem Iran! Der seit wieviel Jahren mit diversen Embargos behindert wird?
Soviel dazu.
Gestern habe ich geschrieben:
»Das Geschwätz von der Muslimbruderschaft (Sektion Ägypten, wohlgemerkt — in anderen Gegenden ist das durchaus anders) als quasi-islamistischer Terrororganisation, die da am Horizont dräuend in den Startlöchern der Macht stehen soll, ist kurz und knapp: Propaganda. Das heißt nun aber keineswegs, daß mit ihr schon alles in Ordnung sei.
Wer sich die Struktur der ägyptischen Muslimbruderschaft genauer besieht, der stellt fest, daß sich in ihr vornehmlich der Teil der Mittelschicht organisiert, der aus Ärzten, Anwälten und sonstigen Akademikern besteht, die sich vom Mubarak-Regime keinen weiteren Vorteil versprechen können, sei's, weil sie kein Unterkommen in der Staatsbürokratie gefunden haben, sei's, weil der parteiförmige Nepotismus ihren manifesten ökonomischen Interessen zuwiderläuft. Und nun kann man abwägen, ob eine nahezu lupenrein bürgerliche Formation wie die ägyptische Muslimbruderschaft mehr fürs »Volk« zu tun imstande ist als ein vom Westen gestützter Autoritärer wie Mubarak.«
Ja: soviel dazu.
Hallo TomGard, hallo J-AP, (18:18, 18:26)
Dank für den Überblick, der hinreichend ist, um die These des Blogs zu widerlegen, dass es in den muslimischen Ländern eine nachholende kapitalistische Entwicklung in der Form Frühkapitalismus in Europa geben kann.
Kurz zu Max Weber: Seine These wird ja heute wesentlich differenzierter betrachtet. So ist nachweisbar, dass der Protestantismus nicht Ursache, sondern Folge kapitalistischer Entwicklung war.
Ich möchte die These aber noch nicht vollständig beiseite legen und mit einer historischen Analogie argumentieren. Karl V. als Kaiser auch der später protestantischen Gebiete hatte durch seine Kämpfe mit Franzosen (Franz I., z.B. 1525 Pavia) und Türken (Süleyman der Prächtige, z.B. 1529 Wien) keine politischen und militärischen Kapazitäten um Wesentliches gegen die Reformation (Luther später Calvin) zu unternehmen. Zudem war der Papst 1525 Verbündeter der Franzosen und Karl V. wird es nicht ungern gesehen haben, dass die Sachsen über den verbotenen Ablasshandel kein Geld zum Feinde transferierten. Genau die protestantischen Gebiete waren es dann auch, die sich über eine längere historischen Entwicklung vom Katholischen Kaiserreich emanzipierten und Vorreiter der kapitalistischen Entwicklung in Europa wurden.
Eine mögliche schwere Krise des US-Imperiums unterstellend, welches bei der Verteilung seiner imperialen Ressourcen zudem an seine Grenzen kommt und Fehleinschätzungen trifft, kann es zu einer Stärkung der Peripherie kommen. Unter solchen Voraussetzungen könnten Erhebungen, wie die in Ägypten, eine andere Bedeutung bekommen. Dann könnten die Mittelschichten in Ägypten eine andere Rolle spielen und würden nach geraumer Zeit als kapitalistische Konkurrenten auf dem Weltmarkt auftauchen.
Das aber ist wohl nicht realistisch, obwohl es mir vieles als ein Krisensymptom des US-Imperiums erscheint. Die völlige Ahnungslosigkeit der US-Administration und die Uneleganz beim Herrschaftswechsel deuten auf schwere Probleme hin.
Als die Sowjetunion ab 1956 den direkten Zugriff von Großbritannien und Frankreich auf den Suezkanal unterband und Nasser einen panarabischen Weg anstrebte, befand sich das US-Imperium schon einmal in einer Krise und diese Krise ermöglichte eine nationale wirtschaftliche Entwicklung Ägyptens, die im Bau des Assuan-Staudamms sichtbaren Ausdruck fand. Unter Sadat aber vollzog die nationale Elite den "Verrat" an der Sowjetunion und an den Palästinensern, nachdem sie sich den Teilsieg gegen Israel 1973 von der Sowjetunion noch hatte bezahlen lassen, und schloss 1978 den Vertrag von Camp David.
Diese Überlegungen von imperialer Herrschaftssicherung werden diejenigen sein, die die Geschicke Ägyptens auch 2011 bestimmen. Ob nun der Westerwelle in seiner wichtgtuerischen Dummheit von der Freiheit schwafelt oder vom Guidomobil.
Hallo Rapanui,
ich halte es auf mehreren Ebenen für höchst problematisch, in diesem Zusammenhang ausgerechnet mit Karl V. — der in Spanien nach wie vor und nicht ohne Grund El Emperador heißt, der (und nicht irgendeiner aus einer langen Reihe) Kaiser; es gibt keine passendere Bezeichnung für ihn — zu argumentieren.
Es stimmt: Weder die Renaissance noch die Reformation konnte er besiegen noch wurde er von beiden besiegt, aber seine Macht reichte wohl hin, um beiden Bewegungen einen Bruch beizubringen, den sie nicht verwinden konnten; und was sogar noch entscheidender ist, mag der Umstand sein, daß dieser Kaiser Karl en passant die größte universalistische Macht der damaligen Welt auf den Plan rief, indem er den römischen principe, der sich anschickte, auf den Status eines latinischen Provinzfürstchens gleich so vielen herabzusinken, dazu zwang, wieder der Papst zu werden, der er eigentlich doch war. So wurde die befestigte römische Kirche universaler im selben Maße wie zugleich das universale Reich Karls, der ein echter Weltkaiser gewesen ist, wie es vor und nach ihm keinen gegeben hat, immer katholischer wurde.
Richtig ist auch, daß der Protestantismus keineswegs die Bedingung der Möglichkeit des Kapitalismus gewesen ist. Das kann man so einfach hinschreiben, weil es so einfach ist: der Frühkapitalismus war wesentlich italienischen (Banken, Buchführung), burgundischen (Messen, Versicherungswesen) und süddeutschen (Verlagssystem, freie Reichsstädte + Patriziat) Ursprungs, hernach, aber noch weit vor der Reformation, trat noch die Hanse dazu und daneben. — Protestantismus? Fehlanzeige.
Daneben wäre noch zu berücksichtigen, daß es während der historischen Auseinandersetzungen Karls V. gar nicht um Phänomene der Art Periperie vs. Zentrale ging, sondern im ganzen Gegenteil die Rolle Frankreichs nicht aus den Augen verloren werden darf, das eben gerade nicht Peripherie war (das wären zu dieser Zeit allenfalls England oder Skandinavien gewesen), sondern das einzig verbliebene und im eigentlichen Sinne des Wortes selbständige Staatswesen in und an der Zentrale.
Ohne das hier noch weiter zu verfolgen, glaube ich also nicht, daß wir mit dieser Parallele weiterkommen.
Aktuell aber geht es in globaler Perspektive darum, daß die Bedingungen des friedlichen, sprich: ungerechten »Tausches« zwischen Metropolen und Peripherie gesichert werden müssen. Deswegen treten die USA als Weltpolizeimacht, als Gewaltmonopolist of last resort auf, der aber eine ganze Reihe von Unterpolizisten benötigt, um seine Herrschaft bis hinein in den letzten Winkel wirklich durchhalten zu können. In diesem Verhältnis braucht der Weltgarant der Kapitalökonomie wie gesagt Subunternehmer, die aufgrund ihrer internen ökonomischen Verfaßtheit hin und wieder aus dem Ruder laufen können. Dann kann es zu den Konflikten kommen, wie wir sie vor Dekaden in Südamerika erlebt haben, aber auch während des Zweiten Golfkriegs: Jeder dürfte mittlerweile wissen, daß die irakische Aggression gegen Kuwait der Versuch war, die Bank von Kuwait zu erobert, bei der der Irak verschuldet war.
Hier vollzieht sich aus der internen ökonomischen Dynamik eines dieser Unterpolizisten heraus ein Umkippen von bisher funktionaler Herrschaft in einen Aufstand gegen den Weltgewaltmonopolisten.
Unter diesem Aspekt sollte man die derzeitigen Geschehnisse in Nordafrika betrachten. Allerdings nicht durch die Brille des hergebrachten Antiimperialismus, weil der in völlig stupider Einförmigkeit einfach davon ausgeht, daß das Opfer des Antiimperialismus tatsächlich objektiv antiimperialistisch ist.
Grüße
J. A.-P.
Corrige: » ... weil der in völlig stupider Einförmigkeit einfach davon ausgeht, daß das Opfer des Imperialismus tatsächlich objektiv antiimperialistisch ist.«
Hallo J-AP,
ich argumentiere viel gröber als Sie vermuten. Ich zeige nur, dass ein Imperium in einer Krise ein einzelnes aktuell nicht so bedeutendes Gebiet seines Herrschaftsgebietes - hier Sachsen mit Friedrich dem Weisen, Onkel Karl V., aus dem Blick verliert. So können sich Entwicklungen abspielen, die man als Zeitgenosse in ihrer Tragweite,z.B. den Aufstieg Preußens, nicht für möglich gehalten hätte.
Frankreich spielt in meiner obigen Analogie keineswegs die Rolle der Peripherie, sondern es ist die Gegenmacht Karl V.. Deshalb brachte ich die Sowjetunion in Spiel, die ca. 50 Jahre lang die USA herausforderte. Eine Rolle die am Horizont für China aufscheint.
So ist in Ägypten eine bestimmte Entwicklung sehr wahrscheinlich, nämlich, dass es den USA gelingt wieder einen "Subunternehmer" einzusetzen. Aber es kann eben auch anders kommen, so wie Bush/Clinton/Bush/Obama sich auf China, den Irak und Afghanistan konzentrierten, verloren sie das sicher geglaubte Ägypten aus dem Blick, oder hatten nicht genug Ressourcen.
"Man" sollte tatsächlich nicht durch die "hergebrachte antiimperialistische Brille" schauen. Aber "Rapanui" schrieb ja zum Glück >>>Dann könnten die Mittelschichten in Ägypten eine andere Rolle spielen und würden nach geraumer Zeit als kapitalistische Konkurrenten auf dem Weltmarkt auftauchen. und da steht ja nix von "Opfer".
Ganz im Gegenteil das "Opfer" verhielt sich wie eine Edelhure - auch die ist ja nicht "frei". Wenig Kundschaft, aber wenn man jemanden ran lässt, dann muss es der zahlungskräftigste Freier sein, der auch den verflossenen Freier auf Distanz halten kann. Bringt's der Russe nicht mehr, dann darf der Ami ran.
Macht ja nix, dass der Ami 1956 Briten und Franzosen zum Bombardement Suez' animierte, als der Nasser den Suez-Kanal nationalisierte. Damals, nicht zu vergessen das war das Jahr des Ungarnaufstandes 1956, musste die Sowjetunion zum großen Hammer greifen und kaum versteckt mit Atombomben auf London und Paris drohen, um die alten Kolonialherren zur Mäßigung am Suezkanal zu bringen.
Dies ist nun auch meine Hoffnung, dass es zu einem "Aufstand gegen den Weltgewaltmonopolisten" wird. Das sehe ich insofern als einen Fortschritt, als das der "Gewaltmonopolist" lernen muss, dass es vorbei ist mit seiner Herrlichkeit.
Das ist es, was ich mit meinem begrenzten Horizont überschaue. Kann sein, dass der Ölpreis steigt, dass "der Ägypter" den fetten, weißen Deutschen am Roten Meer nicht mehr devot bedient, kann sein dass wir greinen weil "der Ägypter" nun auch mehr vom Manna haben will - aber das nützt nichts, es gibt ja auch hier in Deutschland viel zu tun.
Es ist durchaus schwierig, sich darauf zu einigen, was denn nun als Aulsöser des radikalen Islams gesehen werden kann. Ich denke, dass ein Verweis auf Deprivationsthesen durchaus richtig ist, diese aber das Phänomen nicht hinreichend erklären können. Zudem bleibt wie gesagt der meines Erachtens verkürzte Antagonismus "Westen - Nichtwesten" und "Imperialismus - Antiimperialismus", der m.E. als ungeeigneter Erklärungsmodus durchgereicht wird. Insofern würde ich im insgesamt auch die Anmerkungen J. A.-P.s unterschreiben.
(Zudem ist die These des "Frühkapitalismus" nicht meine und ich gehe auch nicht von einer derartig gelagerten Entwicklung aus. Es handelt sich lediglich um einen Verweis auf die Überlegungen Peters. Auch wenn es diesen mit Sicherheit an Stichhaltigkeit mangelt, hat sich das Ausgraben dennoch gelohnt: Für den Anstoß zu einer m.E. sehr interessanten Diskussion.)
@ Philibuster
>>>verkürzte Antagonismus "Westen - Nichtwesten" und "Imperialismus - Antiimperialismus", der m.E. als ungeeigneter Erklärungsmodus
Dem hier möglichen Umfang angemessen sind das schon erklärungsmächtige Modi. Ich sehe jetzt einmal davon ab, dass es für "Antiimperialismus" im "Westen" der Bundesrepublik offensichtlich eine negative Konnotation gibt, die ich jetzt einfach ignoriere: Antiimperialismus ist fü mich einfach gegen Imperialismus. Die USA verhandeln mit der ägyptischen Führung über die Nachfolge Mubaraks. So kann doch nur jemand sprechen, der eine Kontinuität in der "ägyptischen Führung" sieht - ob nun mit Aufstand oder ohne Aufstand. Das ist ein imperialer Herrschaftsmodus.
El Baradei gilt den Demonstranten als ein Mann des "Westens", das ist unmittelbar erklärungsmächtig, denn der Mann hat genau deshalb politisch keine Chance. Die Wirkung des Aufstandes ist "antiimperialistisch" - denn sie führt zu einer Krise des imperialen Herrschaftsmodus.
Das Aufkommen fundamentalistischer religiöser Strömungen ist sehr gut aus einem imperialen Herrschaftsmodus heraus erklärbar.
Über die politischen Kräfteverhältnisse, über die denen zu Grunde liegenden sozialen Verhältnisse, über die Geschichte imperialer Herrschaft in Ägypten, die daraus resultierende politische Kultur hatten wir oben diskutiert. Die unmittelbaren politischen Folgen zeichnen sich zwar ab, alles andere aber liegt im Dunkel der Zukunft.