Die irre Spaßpartei

Liberale Der FDP ist nicht nur das Profil abhanden gekommen. Der Wiederaufstieg des Ex-Generals Lindner zum Spitzenkandidaten in NRW zeigt: Diese Partei ist unberechenbar geworden

Man kann der FDP vieles vorwerfen, eines jedoch nicht: dass es mit ihr langweilig ist. Die einstige Spaß-Partei macht einem inzwischen wirklich Spaß. Denn der Abstand von Überraschung zu Überraschung wird immer kürzer. Dass Westerwelle vor knapp einem Jahr als Parteichef von seinen eigenen Leuten vom Hof gejagt wurde, war, zugegeben, noch nicht wirklich überraschend. Schon erstaunlicher war, dass die Partei auch mit ihrem neuen Chef Philipp Rösler in den Umfragewerten weiter abstürzte. Und noch erstaunlicher agierte ihr Generalsekretär Christian Lindner im vergangenen Dezember, als er von heute auf morgen seinen Job hinwarf. Eine veritable Überraschung bereitete die bis dahin kreuzbrave FDP dem politischen Berlin dann, als sie ihrem Koalitoinspartner plötzlich in den Rücken fiel und Merkel zwang, Joachim Gauck als Bundespräsidenten zu akzeptieren. Noch verrückter agierte die nordrhein-westfälische FDP, die sich im Haushaltspoker mit Rot-Grün schlicht verzockte, und nun als Zwei-Prozent-Partei dafür verantwortlich ist, dass es am 13. Mai Neuwahlen gibt. Gekrönt wird das ganze nun von der überraschenden Kür des vergraulten Ex-Generalsekretärs Lindner zum nordrhein-westfälischen, nein, nicht nur Spitzenkandidaten, sondern auch zum Vorsitzenden des mächtigsten FDP-Landesverbands

Man kann schon nachvollziehen, dass der bisherige Amtsinhaber Daniel Bahr wenig Neigung verspürt hat, sein mächtiges Gesundheitsministerium in Berlin gegen einen – im besten Falle – Job als Fraktionschef von sieben, höchstens acht, Abgeordneten im Düsseldorfer Landtag einzutauschen. Oder – was wahrscheinlicher ist – an der Fünf-Prozent-Hürde zu scheitern. Bahr konnte nur verlieren, weil es für ihn nichts zu gewinnen gibt.

Lindner dagegen kann nur gewinnen, weil er nichts mehr zu verlieren hat. Scheitert die FDP an der Fünf-Prozent-Hürde, bleibt er trotzdem NRW-Landeschef und kehrt zurück in alle Gremien. Sollte er gar gewinnen, wäre er der neue starke Mann bei den Liberalen. Nur ein halbes Jahr nach seinem Rückzug von der Bundespolitik. Die FDP ist zu einer Fahrstuhlpartei geworden. Es geht ebenso schnell nach unten wie nach oben. Wer dabei allerdings die Knöpfe drückt, bleibt schleierhaft. Parteichef Rösler jedenfalls kann es nicht gewesen sein. Der ist mit seinem Ex-General bitter verfeindet. Und man fragt sich: Wer hat in dieser Partei eigentlich noch das Steuer in der Hand? Man darf gespannt sein auf diesen Wahlkampf. Es wird zweifellos weitere Überraschungen geben. Denn dieser Partei sind nicht nur der inhaltliche Kompass und das Profil abhanden gekommen. Sie ist schlicht unberechenbar geworden.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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