Flug ohne Maske: Der ganz normale Ampel-Wahnsinn

Meinung Olaf Scholz trägt auf dem Regierungsflug nach Kanada keine Maske, weil er immer macht, was ihm am besten passt. Robert Habeck begeht einen erstaunlichen Fehler. Doch die größte Überraschung liefert die zu Hause gebliebene FDP
Wirtschaftsminister Robert Habeck ohne Maske auf dem Flug nach Kanada (21.08.2022)
Wirtschaftsminister Robert Habeck ohne Maske auf dem Flug nach Kanada (21.08.2022)

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Zwei Politiker und ein Tross von Journalisten sitzen 10 Stunden auf einer Dienstreise nach Kanada in einem Flugzeug. Sie sind alle geimpft oder genesen oder beides, dazu kommt noch ein aktueller PCR-Test, der nicht älter als 24 Stunden sein darf. Ein strengerer Corona-Sicherheitsstandard ist kaum denkbar. Aber sie tragen alle keine Maske. Und eine Empörungswelle rast durch das Land. Man kann es fast verstehen. Denn am Tag nach der Rückkehr beschließt das Kabinett das neue Infektionsschutzgesetz. Ein zentraler Punkt: eine Maskenpflicht in Flugzeugen und in der Bahn. Gilt also für die Politik nicht, was für die Bürger Pflicht sein soll?

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist dafür bekannt, dass er zwar gerne handelt, aber nur ungern darüber spricht. Dass damals aus den Koalitionsverhandlungen fast nichts nach außen drang, hat ihn gefreut. Dass über Gesetzentwürfe erst gesprochen wird, wenn sie vorliegen, ist seine Maxime. Sie lautet: immer nur das Allernotwendigste mitteilen. Er zieht sein Ding durch, und was die Bürger:innen denken, ist ihm nicht wichtig. Man muss sich also nicht wundern, wenn es für ihn offenbar keine Rolle gespielt hat, ob an Bord seiner Regierungsmaschine Masken getragen werden. Es wird so gemacht, wie es gerade am besten passt. In diesem Fall: Fliegen ohne Atemschutz. Ein typischer Scholz.

FDP in Opposition zur Regierung – und sich selbst

Erstaunlicher ist da schon, dass auch der politische Menschenversteher und Selbstzweifler Robert Habeck die Sache genauso gesehen hat. Denn der Wirtschaftsminister verkörpert das genaue Gegenteil von Scholz. Für Bedenken und Nöte der Bürger hat er stets ein offenes Ohr, nicht selten macht sie der Grüne sich selbst zu eigen. Die Symbolik und der ungünstige zeitliche Zusammenhang zwischen der Reise und dem Kabinettsbeschluss ist aber auch ihm entgangen. Ein Fehler, der einen überraschen mag.

Die größte Überraschung aber ist die zu Hause gebliebene FDP. Kaum war die Geschichte in der Welt, forderte Justizminister Marco Buschmann das Tragen der Maske im Regierungsflieger ein. Sonst sehe es so aus, „als ob sich die Leute nicht darum scheren“, was sie beschlossen haben. Also das neue Infektionsschutzgesetz. So geht gute Oppositionspolitik: Ein bisschen vom öffentlichen Unmut auf die eigenen Mühlen leiten. Zum eigenen Nutzen. Nur dass die FDP bekanntlich nicht in der Opposition, sondern an der Regierung ist. Und dass die Liberalen dem Tragen von Masken eigentlich immer schon skeptisch gegenüberstanden. Da ist es nur folgerichtig, dass es den FDP-Fraktionschef Christian Dürr gibt. Der hat die Gelegenheit genutzt hat, um das Thema Maskentragen im Flugzeug noch einmal ganz grundsätzlich infrage zu stellen. Natürlich mit dem Ziel, die Pflicht zum Atemschutz möglichst ganz abzuschaffen. Das ist liberale Dialektik: Sie steht in Opposition zur Regierung und in Opposition zu sich selbst. In den Umfragen kann man beobachten, wohin diese Strategie führt: immer weiter nach unten.

Am Ende bleibt nicht viel mehr übrig als die Aufregung über eine politische Ungeschicklichkeit. Und der Eindruck, dass sich alle Beteiligten so verhalten haben, wie man es erwarten konnte: Scholz war wie immer eigensinnig; Habeck hat sich mal wieder geirrt; und Buschmann hat die Rollen verwechselt. So gesehen ein ganz normaler Tag im Zeichen der Ampel.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

Philip Grassmann

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden