Gefängnis auf Probe

Justiz Der Bundesrat hat mit dem neuen "Warnschussarrest" das Jugendstrafrecht verschärft. Dabei lässt sich Kriminalität nur ganz anders wirksam bekämpfen
Gefängnis ist bei weitem nicht die beste Lösung
Gefängnis ist bei weitem nicht die beste Lösung

Foto: Sean Gallup / Getty Images

Das Jugendstrafrecht verfügt in Deutschland über einen schlechten Ruf. Es sei zu milde, die Strafe wirkten nicht abschreckend genug, heißt es. Das ist ein Irrtum. Denn seit Jahren sinkt in der Kriminalstatistik die Zahl der jugendlichen Tatverdächtigen.

Trotzdem hat der Bundesrat jetzt eine Reform beschlossen, von der sich insbesondere konservative Rechtspolitiker viel erhoffen: den so genannten Warnschussarrest für jugendliche Straftäter. Mit vier Wochen Gefängnis auf Probe soll jungen Menschen gezeigt werden, dass es der Rechtsstaat ernst meint, wenn ein Richter ein Urteil spricht. Die Rede ist von einer „abschreckenden Wirkung“.

Kriminologen und Pädagogen haben immer wieder versucht, der Politik klarzumachen, dass verschärftes Einsperren Jugendliche nicht besser macht. Aber die schwarz-gelbe Koalition und der Bundesrat haben vor diesen Mahnungen die Ohren verschlossen. Schlimmer noch: Sie haben das Gegenteil beschlossen.

Dahinter steht die Überzeugung, dass sich ein liberaler Rechtsstaat im Umgang mit jungen Menschen lächerlich macht, weil seine Nachsicht als Schwäche ausgelegt wird. Es gibt zweifellos Taten von jungen Leuten, die einen wegen ihrer Brutalität fassungslos machen, etwa wenn Jugendliche im Suff auf Bahnsteigen wie be-sinnungslos auf Menschen eintreten. Doch dass die Richter in diesen Fällen bisher eine unangemessene Nachsicht an den Tag gelegt haben, ist nicht bekannt.

Gerechtigkeit statt Strafen

Beim Warnschussarrest geht es um andere Taten, um Kleinkriminalität, Diebstahl. Ziel soll es sein, junge Leute von einer kriminellen Karriere abzuhalten. Selten hat die Rechtspolitik auf ein soziales Problem so hilflos reagiert. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine kriminelle Laufbahn im Gefängnis oft erst beginnt. Damit nicht genug: Wer einmal im Jugendarrest saß, hat gute Chancen, nicht das letzte Mal im Gefängnis gewesen zu sein. Die Rückfallquote liegt bei 70 Prozent.

Es ist nach wie vor so, dass man kriminalpolitische Erfolge am besten mit sozialer Gerechtigkeit erzielt und nicht mit schärferen Strafen. Die Rechtspolitik rückt von dieser in vielen Jahren gewachsenen Überzeugung immer stärker ab. Das ist ein großer Fehler.

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Geschrieben von

Philip Grassmann

Chefredakteur

Philip Grassmann ist seit 2008 Chefredakteur des Freitag. Zuvor arbeitete er neun Jahre als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung in Berlin. Von 1994 bis 1998 war Grassmann Redakteur und später Korrespondent der Welt. Er studierte Politische Wissenschaften an der Freien Universität Berlin sowie der London School of Economics und ist Absolvent der Axel-Springer Journalistenschule.

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